Unternehmen SE IT E 24 · M O N TAG , 2 1 . S E P T E M B E R 2 0 1 5 · N R . 2 1 9 F R A N K F U RT E R A L LG E M E I N E Z E I T U N G MENSCHEN & WIRTSCHAFT Mit dem Turbostaubsauger gegen den Bremsstaub Feinstaub kommt nicht nur aus dem Auspuff. Ein großer Teil kommt von den Bremsen. Ein Franzose will mit einem kleinen Staubsauger nun Millionen von Autos sauberer machen. r ist eigentlich kein Bastler, sondern ein ehemaliger Headhunter, der die Finanzbranche gut kennt. Und doch hat der Franzose Christophe Rocca-Serra quasi in seiner Pariser Wohnung eine Erfindung gemacht, um die ihn Millionen von Automobilingenieuren beneiden dürften: eine Art turbinengetriebener Staubsauger, der den Abrieb von Bremsbelägen auffängt. Mit dieser Klappe will er zwei Fliegen gleichzeitig schlagen. Der Ruß, der die Autofelgen schwarz macht, ist den Autoliebhabern schon immer ein Dorn im Auge – er soll künftig in einem kleinen Sack aufgefangen werden, dessen Inhalt die Reparaturwerkstatt bei jedem Wechsel der Bremsbe- E Die Gründer läge einem Recyclingsystem zuführt. Zum anderen sieht Rocca-Serra seine Erfindung als Segen für die Umwelt: „Der Abrieb von den Bremsen enthält sieben krebserregende Stoffe. 20 Prozent der Feinstaubbelastung in den Städten geht auf diese Partikel zurück“, berichtet Rocca-Serra. Laut einer Studie, die er zusammen mit der Ingenieurhochschule Insa in Lyon durchführte, sei die Feinstaubbelastung durch die Bremsen bei den Autos der jüngsten Generation sechsmal so hoch wie jene aus dem Auspuff. Der 50 Jahre alte Rocca-Serra sitzt in einem kargen Büro im Hinterhof eines Gebäudes nicht unweit vom Eiffelturm. Vier Mitarbeiter teilen sich zwei weißgestrichene Räume mit sehr wenigen Bildern an den Wänden, das einzig Bunte findet sich Christophe Rocca-Serra auf den großen Computerbildschirmen. Rocca-Serra, Vater von drei Kindern, stammt aus einer alten korsischen Familie; sein Unternehmen hat er nach seinem Heimatdorf Saint-Lucie-de-Tallano im Süden von Korsika „Tallano Technologie“ getauft. Es ist ein reines Designunternehmen, es produziert seine Erfindung also nicht selbst, sondern beauftragt damit per Lizenz einen Hersteller. Genauer gesagt, sind es nach seinen Angaben vier Autohersteller, die Tallano das Design für den Feinstaubsauger abgekauft haben. Ihre Namen darf er aus Vertraulichkeitsgrün- Foto Christian Schubert den nicht nennen, doch er versichert, dass sie auf seine Technologie schwören. „Ende kommenden Jahres werden die ersten Neufahrzeuge mit unserem System auf den Markt kommen“, sagt Rocca-Serra, darunter Premiummarken, die offenbar nicht aus Frankreich stammen. Auch an der Nachrüstung bestehender Autos arbeite man. Vielleicht sei diese von Ende 2017 an möglich. Die Geschichte von Rocca-Serra klingt ebenso banal wie unwahrscheinlich. Kurz nachdem er sich Mitte des vergangenen Jahrzehnts einen neuen Wagen zugelegt hatte, einen schönen SUV, begannen ihn die schwarzen Felgen zu stören, die vom Bremsabrieb verschmutzt wurden. Er recherchierte im Internet und stieß auf viele Einträge Gleichgesinnter. Dann verlor Rocca-Serra das Thema jedoch erst einmal aus den Augen, weil er in Frankreich ein Rechercheunternehmen für unabhängige Aktienanalysen namens Alphavalue gründete. Als er sich 2010 von der stattlich gewachsenen Firma getrennt hatte, kam die Idee vom Feinstaubsauger wieder zurück, er las Studien über Reibungslehre („durch mein angefangenes, aber nie beendetes Medizinstudium verstehe ich noch ein bisschen was von Physik“) und er tüftelte etwa ein Jahr herum. Wie kommt es, dass er als Laie einem Heer von Automobilingenieuren ein Schnippchen schlug? „Wenn man einen frischen Blick von außen hat, kommen oft die besten Einfälle“, sagt er im Rückblick. Die ganze Autobranche habe fast geschlossen in eine andere Richtung geforscht – die Verringerung der Schadstoffe in den Bremsbelägen, darunter Barium, Cadmium, Eisen, Mangan, Nickel, Chrom und Blei. Durch die Entfernung von Asbest glaubt man zudem, genug getan zu haben. So galt die Aufmerksamkeit der Autoindustrie vor allem den Emissionen aus dem Auspuff, und die Bremsen wurden lange Zeit vernachlässigt. Rocca-Serra erarbeitete die Staubsauger-Lösung zusammen mit einer Ingenieursschule in Lyon und einer in Paris. Rund dreißig Leute werkelten, einschließlich externer Kräfte, drei Jahre lang daran. Nach seinen Worten kostet das Saugsystem in der Produktion je Auto nur 50 Euro und wiegt nicht mehr als 180 Gramm je Bremse. Seit vor allem in den französischen Medien Berichte über seine Erfindung erschienen, erreicht ihn ein wachsender Strom von Anfragen. Autoliebhaber wollen wissen, wann seine Lösung auf den Markt komme, denn sie sehnen sich nach sauberen Felgen. Das Bewusstsein in der Politik wachse aus Umweltgründen ebenfalls, meint Rocca-Serra. Die Definition eines förderungswürdigen „sauberen Autos“ muss nach den Vorgaben der französischen Regierung künftig auch eine Auffanglösung für den Bremsabrieb enthalten. 20 000 Tonnen Feinstaub würden durch das Bremsen in Frankreich jedes Jahr entstehen, berichtet Rocca-Serra, das wäre ungefähr so viel wie die Ladung des Tankers Erika, die 1999 bei der Ölkatastrophe vor der bretonischen Küste auslief; in Europa kämen sogar jährlich 110 000 Tonnen Feinstaub durch die Bremstätigkeit zusammen. Die französische Umweltbehörde Ademe hat Tallano denn auch mit einem Forschungszuschuss von 240 000 Euro unter die Arme gegriffen. Mit vier Freunden hatte Rocca Serra zunächst knapp 180 000 Euro zusammengekratzt, um das Abenteuer zu beginnen. Inzwischen hat er nach eigenen Angaben rund zwanzig Aktionäre, die etwa eine Million Euro aufgebracht haben; sein eigener Anteil sei auf 45 Prozent geschrumpft. Der Umsatz soll vor allem aus Lizenzeinnahmen stammen, Ende kommenden Jahres will er die Gewinnschwelle erreichen. Wichtig ist für ihn, dass sein Patentschutz hält, den er mit einer Beratungsgesellschaft ausgearbeitet hat. Als er sich den Autoherstellern näherte, hätten diese erst mal genau sein Patent unter die Lupe genommen, berichtet er. Erst nachdem sie seine Unangreifbarkeit feststellten, waren sie zur Zusammenarbeit bereit. CHRISTIAN SCHUBERT Werner Müller gibt nicht auf Der ehemalige Wirtschaftsminister hofft noch auf den Aufsichtsratsvorsitz von RWE Lieferheld & Co. Das große Fressen Bundesliga Der König(s) von Gladbach Media Markt Eine Firma wie ein Irrenhaus bü. DÜSSELDORF, 20. September. Viel deutlicher hätte der Aufsichtsrat des Essener Energiekonzerns RWE seine Rückendeckung für Werner Brandt zu diesem Zeitpunkt kaum formulieren können: Er sei der „klaren Meinung“, dass der frühere SAP-Finanzvorstand ein „sehr geeigneter Kandidat“ für den Vorsitz des Kontrollgremiums sei, hieß es in der Erklärung vom vorigen Freitag, die den offen ausgetragenen Führungsstreit endlich beilegen sollte (F.A.Z. vom 19. September). Doch Werner Müller, der Vorsitzende der RAGStiftung, lässt nicht locker: Der frühere Bundeswirtschaftsminister sieht immer noch Chancen, dass die kommunalen Anteilseigner und Teile der Arbeitnehmerseite ihn zum neuen Chefkontrolleur machen werden. „Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Wenn er gerufen wird, steht Müller bereit“, hieß es aus seinem Umfeld. Die Erklärung des Aufsichtsrates dürfe man nicht überbewerten, sagte ein Insider. Auch wenn es sich um eine gemeinsame Erklärung des Gremiums hand- le, bedeute das nicht, dass sie einstimmig zustande gekommen sei. Die mit knapp einem Viertel an RWE beteiligten Ruhrgebietsstädte hatten Müller als Nachfolger des im kommenden Frühjahr ausscheidenden Aufsichtsratsvorsitzenden Manfred Schneider ins Spiel gebracht, weil sie ihm eher als Brandt zutrauen, politische Unterstützung für den durch Energiewende und Atomausstieg schwer angeschlagenen Energieriesen zu organisieren. Auch manche Gewerkschaftsvertreter seien über Brandt nicht glücklich, hieß es. Um Müller durchzubringen, müssten ihn die Kommunen für die Wahl bei der kommenden Hauptversammlung erst einmal als neues Mitglied des Kontrollgremiums nominieren. Vorschläge für die Nachbesetzung der drei auf der Kapitalseite frei werdenden Aufsichtsratsposten werden im Dezember erwartet. Erst nach seiner Bestätigung durch die Hauptversammlung könnte Müller anschließend aus der Mitte des Aufsichtsrates zu dessen Vorsitzenden gekürt werden. Auf ein Rennen mit unkalkulierbarem Ausgang will sich der 69 Jahre alte Müller nach den Angaben aus seinem Umfeld nicht einlassen. Vor einer Kandidatur müsse Gewissheit bestehen, dass er mit der nötigen Mehrheit rechnen könne. Dass Brandt und seine Befürworter das Feld nach den Vorfestlegungen vom Freitag kampflos räumen würden, sei allerdings schwer vorstellbar, sagte ein Insider. Vielleicht wird Müller seinen energiepolitischen Ehrgeiz bald in eine andere Richtung lenken: auf die Atomkommission, die für die Bundesregierung Modelle ausarbeiten soll, wie sich der Atomausstieg am besten organisieren und die dauerhafte Finanzierung sicherstellen lässt. Die Mitglieder und der Vorsitzende sollen in den kommenden Tagen ernannt werden. Möglicherweise ist es ja kein Zufall, dass Müller bei einer Veranstaltung Anfang Oktober gemeinsam mit Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel über die „Energieversorgung der Zukunft“ referieren will. Jetzt testen: Das digitale manager magazin Industrie 4.0 hält auch in die Beratung Einzug manager-magazin.de/ angebot Kienbaum sucht immer häufiger Führungskräfte mit guten Digitalkenntnissen MD15-504 B.K. DÜSSELDORF, 20. September. Im Eingangsbereich der hoch über dem Rhein im angesagten Düsseldorfer Medienhafen gelegenen Büroetage steht ein blaues Fahrrad. Es soll an Gerhard Kienbaum erinnern, wie dessen Sohn Jochen augenzwinkernd erzählt. Denn mit einem Fahrrad, einer Aktentasche und vielen neuen Ideen ging der Gründer der gleichnamigen Personal- und Unternehmensberatungsgruppe einst an den Start. Genau 70 Jahre ist es inzwischen her, dass der damals 26 Jahre alte Diplom-Ingenieur nach Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft sein Büro für „Technische Beratung, Übersetzungen und Vertretungen“ in Gummersbach (bei Köln) gründete, um mittelständische Unternehmer der Gegend beim technischen Wiederaufbau ihrer Betriebe zu beraten. Der während der 1960er Jahre zum Landesminister für Wirtschaft, Mittelstand und Verkehr avancierte FDP-Politiker wurde damals zugleich zum Pionier in der deutschen Unternehmensberatungsszene. „Ein typischer Start-up-Unternehmer“, meint Jochen Kienbaum, der die international aufgestellte Gruppe seit 1986 führt. Wenn die Beratungsgruppe in diesen Tagen in Düsseldorf in kleinerem und in Berlin in größerem Rahmen das Jubiläum feiert, so kann es inzwischen schon die dritte Generation der Unternehmerfami- lie präsentieren. Denn nach ersten praktischen Erfahrungen bei einer amerikanischen Unternehmensberatung in London hat im vergangenen Jahr Fabian Kienbaum, eines der sechs Kinder von Jochen Kienbaum, in der Unternehmensgruppe angeheuert. Der 31 Jahre alte Diplomkaufmann und – ganz in der Familientradition – ehemalige Handballer leitet heute als Geschäftsführender Gesellschafter das Berliner Büro. Er kümmert sich zudem um die digitale Weiterentwicklung der Beratungsgruppe. Der Standort Berlin spielt für den Sohn eine besondere Rolle. Nicht nur wegen der Nähe zur Politik, an der Kienbaum als traditionell stark auch den öffentlichen Sektor beratende Gruppe gelegen ist. Er setzt vor allem auf die neuen Impulse aus der prosperierenden Start-up-Szene. Denn von der Vernetzung mit diesen Jungunternehmern, auch mittels Beteiligungsgeschäft, will Kienbaum nicht nur für seine Kunden, sondern auch für das eigene Unternehmen profitieren. „Wir möchten von deren Agilität, Kreativität oder auch der Fehlerkultur lernen“, beschreibt Fabian Kienbaum. Das Thema Digitalisierung wird die Zukunft der Arbeit und damit nicht zuletzt die Anforderungen an die Beratung und die Berater ändern, sind sich Vater und Sohn einig. „Der Wandel in der Wirtschaft vollzieht sich immer rascher. Die Organisationen der Unternehmen müssten entsprechend agiler werden. Und mit dem zunehmenden Veränderungsdruck ändere sich auch das Anforderungsprofil der Mitarbeiter grundlegend. Aus Sicht des Unternehmenschefs gehört heute idealerweise in jedes Führungsgremium ein Digital-Verantwortlicher. Und genau das ist eine der aktuellen Herausforderungen in der Personalberatung. Denn bisher gibt es dazu noch keine klassischen Laufbahnmodelle. „Der Kampf um die Talente wird ohnehin zunehmen“, ist Jochen Kienbaum überzeugt. Dazu trägt nicht nur der demographische Wandel bei. Die jungen Talente der Generation Y – also der sogenannten Digital Natives – haben auch andere Wertvorstellungen und Forderungen als ihre Elterngeneration, weiß er. Daher wird es seiner Meinung nach künftig noch wichtiger, dass Unternehmen vor allem aus dem Mittelstand Marketing in eigener Sache betreiben, um sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren. Für seine Gruppe bleibt das Arbeitgeber-Branding daher ein starkes Arbeitsgebiet. Auch im eigenen Haus macht sich der Generationswandel bemerkbar, ändern sich Stil und Ton, wächst der Wunsch nach gegenseitigem Wissensaustausch unter den Beratern. „Wir benötigen heute viel mehr den breit aufgestellten Teamplayer als früher“, beschreiben die beiden. Im vergangenen Jahr hat die in insgesamt 19 Ländern mit Büros präsente Gruppe einen Umsatz von 115 (Vorjahr: 112) Millionen Euro erzielt. Davon stammte jeweils rund die Hälfte aus den Beratungsdienstleistungen rund um das Thema Personalsuche und Personale Entwicklung sowie aus der klassischen Unternehmensberatung. In diesem Jahr plant Kienbaum mit einem leichten Zuwachs.
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