Dunkle Wolken über der Stahlindustrie

9. November 2015
Dunkle Wolken über der Stahlindustrie
Die Stahlkonjunktur hat sich im dritten Quartal eingetrübt, vor allem als Folge von
lagerzyklischen Entwicklungen. Vor dem Hintergrund zuletzt schwacher
Auftragseingänge rechnet die Wirtschaftsvereinigung Stahl damit, dass die
Rohstahlproduktion 2015 nicht über das Vorjahresniveau von 42,9 Millionen Tonnen
hinaus kommen wird. 2016 dürfte sich die Stahlnachfrage in Deutschland erholen, da
die Konjunktur bei den Verarbeitern weiterhin solide verlaufe.
„Über die Stahlindustrie sind weltweit dunkle Wolken aufgezogen. Auch die
wettbewerbsstarke Stahlindustrie in Deutschland kann sich davon nicht vollständig
entkoppeln“, so Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, aus
Anlass der Jahrestagung „STAHL 2015“ in Düsseldorf. Hintergrund seien dramatisch
gestiegene chinesische Exporte, die das internationale Marktgefüge störten und
zunehmend auch auf den EU-Markt drängten. Im kommenden Jahr dürften die
Überkapazitäten in China weiter wachsen und voraussichtlich die 400 MillionenTonnen-Grenze überschreiten. Die Kapazitätsüberhänge in China entsprechen damit
nahezu dem Stahlbedarf in der gesamten OECD.
„Die EU Handelsschutz-Verfahren müssen deshalb konsequenter angewendet und
schneller durchgeführt werden“, fordert der Verbandschef, auch vor dem Hintergrund
des heute dazu in Brüssel stattfindenden Sonder-Wettbewerbsrats der europäischen
Wirtschaftsminister. Wenn ausgerechnet jetzt die Europäische Union China den Status
einer Marktwirtschaft verliehe, würden die Abwehrmöglichkeiten gegen Dumping in
einer Situation entscheidend geschwächt, in der sie dringend gebraucht werden.
Hinzu komme auch ein klimapolitischer Aspekt: Stahl-Importe aus China weisen mehr
CO2-Emissionen auf, als die Produktion derselben Menge in der EU haben würde. „Das
zeigt, dass einseitige Klimaschutzbemühungen zu nichts führen“, sagt der
Verbandschef mit Blick auf die Pariser Klimakonferenz. „Die Konferenz in Paris wird nur
dann ein Erfolg sein, wenn es zu messbaren und vergleichbar ambitionierten Beiträgen
aller Staaten mit unmittelbarer Wirkung auch für die jeweilige Stahlproduktion kommt.“
Zu den dunklen Wolken, die die Stahlindustrie bedrohen, gehört auch die Energie- und
Klimapolitik. Kerkhoff: „Vor dem Hintergrund der schwierigen Lage in der europäischen
Stahlindustrie können keine weiteren Belastungen durch die Energie- und Klimapolitik
verkraftet werden.“ Wenn die EU-Kommission bei ihren Plänen zum Emissionshandel
bleibe, stehe die Existenz der Stahlindustrie in Europa auf dem Spiel. „Wir begrüßen
sehr, dass der Bundesrat in seiner Stellungnahme von Freitag klare Unterstützung für
die erforderliche Überarbeitung des Emissionshandelsvorschlags signalisiert. Nun
hoffen wir, dass auch die Bundesregierung entsprechend gegenüber Brüssel Position
bezieht“, erklärt Kerkhoff.