Bilder deiner großen Liebe | W. HerrndorfBuchtipp INHALT AUTOR Wolfgang Herrndorf (1965–2013) hat „Verrückt sein heißt ja auch nur, dass man verrückt ist, und nicht bescheuert.“ – Isa, ein 14-jähriges Mädchen, flieht aus einer geschlossenen Anstalt und wandert von da an schnurgerade durchs Land, barfuß, bei Tag und mehr noch bei Nacht, durch Wälder, Wiesen und Dörfer, an Flüssen und Autobahnen entlang. Sie trifft auf ihrer Reise die merkwürdigsten Menschen, darunter einen Binnenschiffer, der einmal ein Bankräuber war, einen Fernfahrer mit einem Transporter voller Schweine, pubertierende Jungs, einen prominenten Schriftsteller. Alle erzählen ihr Geschichten, die mehr oder weniger glaubhaft sind, ursprünglich Malerei studiert und als Zeichner und Autor für verschiedene Magazine und Verlage gearbeitet. 2002 veröffentlichte er seinen Debütroman In Plüschgewittern. International bekannt wurde er durch seinen Roman Tschick. Sein letztes Werk, Bilder deiner großen Liebe, konnte Herrndorf nicht mehr fertigstellen, erst kurz vor seinem Tod hat er eingewilligt, dass es als Fragment posthum veröffentlicht wird. BEWERTUNG Ich war sehr gespannt auf diesen Roman, da hier die Geschichte von Isa erzählt wird, diesem und auch sie selbst nimmt es mit Wahrheit, Lüge und Fantasie nicht rotzfrechen, verwahrlosten Müllmädchen, dem allzu genau. Sie bettelt – um Wasser und Brot – und manchmal stiehlt Fahrt durch die Provinz begegnen. Gefunden sie auch. Doch auch wenn sie offiziell verrückt ist, für dumm verkaufen lässt sie sich nicht. Unbeirrt verfolgt sie ihre Reise ohne Ziel – und weder die Liebe noch die Angst können sie aufhalten. die beiden Helden aus Tschick auf ihrer wilden habe ich eine Randfigur im wortwörtlichen Sinne. Isa ist ein Mädchen wie aus der Zeit gefallen, ausgegrenzt, psychisch angeschlagen, aber mit Nehmerqualitäten. Woyzecks kleine, wenn auch sehr viel taffere Schwester. Was mich vor allem gepackt hat, ist nicht die Handlung selbst, die Episoden aus Begegnungen, Rückblicken, Träumen. Es ist die Sprache. Sie ist in den Dialogen einfach und genau platziert, in den erzählenden Passagen, vor allem den Natur beschreibungen, abwechselnd poetisch, behutsam, derb. Die Figur wird dadurch so facettenreich und spannend, dass man sich wünscht, man könnte Isa noch lange weiter auf ihrer Wanderung begleiten. Leider ist das Buch viel zu schnell zu Ende, aber auch das punkt genau: „Ich schaue in den Abgrund, genau über meine Stiefelspitzen hinweg. Ich halte die Waffe genau senkrecht hoch und sehe mit offenem Mund der Kugel hinterher, sehe sie steigen, sehe sie immer kleiner und kleiner und fast unsichtbar werden im tiefdunklen blauen Himmel, bevor sie sich aus dem Verschwundensein wieder materialisiert und zu fallen beginnt, millimeter genau zurück in den Lauf der Waffe.“ Buchtipp von Birgit Kober ANNE FRIES | LEKTORAT & ÜBERSETZUNGEN URDENBACHER ALLEE 3 | 40593 DÜSSELDORF | TELEFON 0211 999634-0 E-MAIL [email protected] | WWW.ANNE-FRIES.DE
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