Allen & Overy M&A Insights Deutschland Q3 2015

M&A – DEUTSCHLAND (3. QUARTAL 2015)
Der deutsche M&A-Markt erneut ohne Sommerloch
Der internationale M&A-Markt boomt
Dieser Sommer brach Rekorde; nicht nur bei den
Temperaturen. Der internationale M&A-Markt
steht dem Wetter in nichts nach. Das Volumen der
Mega-Deals im Jahr 2015 hat mittlerweile das
bisherige Rekord-Hoch der Dotcom-Ära zum Ende
des letzten Jahrtausends sowie die während des
M&A-Booms Mitte des letzten Jahrzehnts erzielten
Volumina übertroffen. Sollten die Pläne des
weltgrößten Brauereiunternehmens AB InBev für
einen Zusammenschluss mit dem Konkurrenten
SABMiller umgesetzt werden, käme es erneut zu
einer Transaktion mit einem Volumen von wohl
mindestens USD 100 Mrd. Getrieben werden diese
Mega-Deals von einem Umfeld, in dem viele
Unternehmen nach der Lehman Krise große
Positionen liquider Mittel aufgebaut haben. Diese
müssen jetzt auf Drängen der Investoren
ausgeschüttet oder aber investiert werden. Dabei
erlauben niedrige Zinsen weiterhin eine günstige
Finanzierung. Zudem ist in vielen Branchen
Umsatzwachstum nunmehr fast ausschließlich
durch transformatorische Transaktionen zu
erzielen. Ein Ende dieser den M&A-Markt
beflügelnden Rahmenbedingungen scheint noch
nicht in Sicht.
Signifikante Transaktionen auch im
deutschen M&A-Markt
Auch der deutsche M&A-Markt zeigte im dritten
Quartal 2015 keine sommerbedingte Ermüdung.
Für rund EUR 4,6 Mrd. will die Deutsche Wohnen
ihre Wettbewerberin LEG übernehmen. Damit
entstünde dem in den DAX aufgenommenen
Marktführer Vonovia (vormals Deutsche
Annington) ein veritabler Konkurrent mit dann
rund 250.000 Wohnungen. Die Transaktion ist als
Tauschangebot in Aktien der Deutsche Wohnen
strukturiert und setzt die Annahme durch
mindestens 50 % der Aktionäre der LEG voraus.
HeidelbergCement erwirbt für rund
EUR 1,7 Mrd. ein Aktienpaket von 45 % am
italienischen Konkurrenten Italcementi und wird
den übrigen Aktionären nach erfolgter
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Kartellfreigabe ein Übernahmeangebot
unterbreiten. Mit Verbindlichkeiten ergibt sich ein
Transaktionsvolumen von insgesamt rund
EUR 6,7 Mrd. Ungewöhnlich war der
Zusammenschluss von Audi, BMW und Daimler
zum gemeinsamen Erwerb des Kartendienstes Here
von Nokia für rund EUR 2,8 Mrd. Gemeinsam
setzten sich die deutschen Automobilhersteller
gegen die Konkurrenz von Internetunternehmen
durch. Ob sich, wie bereits diskutiert, auch noch
Automobilzulieferer an Here beteiligen werden, ist
derzeit nicht entschieden. Im dritten Quartal konnte
Lanxess schließlich einen Erfolg bei der
Partnersuche für das Kautschukgeschäft vermelden.
Der saudische Petrochemie-Konzern Saudi Aramco
beteiligt sich mit 50 % an diesem Geschäftsbereich,
der mit rund EUR 2,75 Mrd. bewertet wird. Andere
Interessenten hatten bei diesem langwierigen
Prozess das Nachsehen. Magna will für ein
Transaktionsvolumen von rund EUR 2,45 Mrd. den
Getriebehersteller Getrag von dessen Gründerfamilie erwerben. In einem Gemeinschaftsunternehmen bündeln die größten europäischen
Coca-Cola Abfüller ihr Geschäft, darunter auch die
deutsche Coca-Cola Tochter. Sie kreieren damit
den weltweit größten Coca-Cola Abfüller mit
einem Jahresumsatz von rund EUR 12,5 Mrd.
E.ON konnte für rund EUR 1 Mrd. sein
italienisches Geschäft mit Wasserkraftwerken an
den Ökostrom-Anbieter ERG abgeben. Dass die
Düngemittel-Gruppe Potash sich letztlich doch
gegen ein Übernahmeangebot für die Aktien von
K+S entschied, wurde erst nach Ablauf des dritten
Quartals bekannt. Das Management von K+S hatte
über den Sommer mehrere Offerten der
kanadischen Potash abgelehnt, die K+S mit rund
EUR 8 Mrd. bewerteten. Ausgeklügelte Verteidigungsstrategien setzten unter anderem auf die
Befragung von Großaktionären und führten zur
Vereinbarung wesentlicher Lieferbeziehungen mit
US-amerikanischen Konkurrenten des möglichen
Bieters. Auch die derzeit publik gemachten
Expansionspläne von K+S könnten in diesem
Zusammenhang zu verstehen sein.
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Mittleres und unteres Marktsegment
stehen dem nicht nach
Auch im mittleren und im unteren Marktsegment
war nichts von einer Sommerpause zu spüren. So
vereinbarte etwa Mann + Hummel den Erwerb des
Filtergeschäfts vom US-amerikanischen
Konkurrenten Affinia. Die Deutsche Telekom
konnte von Telefónica rund 7.700 FunkmastStandorte übernehmen. Nach dem Erwerb von
E-Plus durch Telefónica waren diese Standorte für
den gemeinsamen Netzbetrieb nicht mehr erforderlich. Gleichzeitig gab die Deutsche Telekom für
rund EUR 300 Mio. das Internetportal T-online und
die Vermarktungsgesellschaft InteractiveMedia an
den Anbieter von Außenwerbung Ströer ab. Die
Transaktion wurde als Sacheinlage strukturiert, so
dass die Deutsche Telekom nach ihrer
Durchführung mit rund 11 % – 13 % an Ströer
beteiligt ist. Der französischen PMU, einem der
führenden Anbieter von Pferdewetten in Europa,
gelang mit dem Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung
bei German Tote von der Betriebsgesellschaft der
Galopp- und Rennvereine BGG der Markteintritt in
Deutschland. Mit Northeast Industries kam bei
einer Transaktion unter Automobilzulieferern
erneut ein chinesisches Unternehmen zum Zug.
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Das Staatsunternehmen erwirbt die Antennensparte
des Konkurrenten Delphi. Für rund EUR 130 Mio.
ging schließlich der Hersteller von Diät- und
Gesundheitsprodukten Naturwohl Pharma an den
irischen Pharmakonzern Perrigo.
Private Equity Investoren auch nicht
Einen wesentlichen Anteil am lebhaften dritten
Quartal 2015 haben erneut Private Equity
Investoren. Nach einem intensiven BieterWettstreit konnte sich ein Konsortium unter
Führung von Allianz Capital Partners für rund
EUR 3,5 Mrd. die Tank & Rast Gruppe von
Terra Firma und DB RREEF sichern. General
Atlantic gab das Laborunternehmen Amedes für
ein Transaktionsvolumen von rund EUR 750 Mio.
an die französischen Antin IP ab. Die
Deutsche Börse erwarb für rund EUR 725 Mio. die
Handelsplattform 360T vom Großaktionär
Summit Partners und weiteren Gesellschaftern. Der
Finanzinvestor war selbst erst im Jahr 2012 bei
360T eingestiegen. Ebenfalls im dritten Quartal
verhalf Tele Columbus gleich zwei Finanzinvestoren zum Ausstieg. Zunächst erwarb der
Kabelnetzbetreiber Tele Columbus für rund
EUR 710 Mio. den Konkurrenten Primacom von
Perseus. Nur kurze Zeit später konnte Star Capital
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Pepcom für ein Transaktionsvolumen von rund
EUR 610 Mio. an dessen Wettbewerber
Tele Columbus abgeben. Für rund EUR 210 Mio.
erwirbt der chinesische Finanzinvestor Fosun eine
Beteiligung von 80 % an der Privatbank
Hauck & Aufhäuser. Media-Saturn schließlich
stieg mit 90 % beim Reparaturdienst RTS ein.
Nach dem Verkauf durch Capiton bleibt der
Unternehmensgründer noch mit 10 % am
Unternehmen beteiligt. Flankiert werden diese
Transaktionen im dritten Quartal von zahlreichen
weiteren Deals unter Beteiligung von Finanzinvestoren im Small Cap Bereich.
Kapitalmarkt noch stark
der Automobilzulieferer Schaeffler, die Containerreederei Hapag-Lloyd sowie die Modegruppe
Steilmann streben einen Börsengang noch im
vierten Quartal 2015 an. Die aktuellen Unruhen um
Volkswagen stellen jedoch eine beachtliche Hürde,
insbesondere für die großvolumigen Vorhaben dar.
Dessen ungeachtet zeigen die LEG-Transaktion
und der Einstieg der Deutsche Telekom bei Ströer,
dass Aktien mittlerweile auch wieder als
Akquisitionswährung genutzt werden.
Ungeachtet der von Griechenland noch immer
ausgehenden Unsicherheiten für die Märkte, zeigte
sich der Kapitalmarkt zunächst weiterhin robust
und bot gute Rahmenbedingungen für das M&AGeschehen. So gelang der
pbb Deutsche Pfandbriefbank bereits zu Beginn des
dritten Quartals mit einem Erlös von rund
EUR 1 Mrd. der bis dahin größte Börsengang im
Jahr 2015. Damit konnte sich der IPO im Dual
Track Verfahren gegen die M&A-Option
durchsetzen. Während der geplante Börsengang der
schwedischen TF Bank zunächst aufgeschoben
wurde, stehen eine ganze Reihe hochkarätiger
Börsengänge bevor. Der mit bis zu EUR 1,4 Mrd.
taxierte Börsengang von Scout24 ermöglicht auch
Finanzinvestoren einen vergleichsweise zügigen
Ausstieg aus deren Investment. Das Volumen des
IPO von Covestro (vormals Bayer MaterialScience)
von ursprünglich bis zu EUR 2,5 Mrd. musste
signifikant reduziert werden; der so trotz
mittlerweile schwierigerem Umfeld durchgeführte
IPO nimmt potentiellen Interessenten die letzte
Hoffnung auf einen Erwerb der Bayer-Sparte. Auch
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Konsolidierung im Immobiliensektor
setzt sich fort
Mit dem Tauschangebot der Deutsche Wohnen an
die Aktionäre der LEG setzt sich die
Konsolidierung im Immobiliensektor auch im
dritten Quartal 2015 fort; erneut eine signifikante
Übernahme innerhalb der Gruppe der
Großportfoliounternehmen. Ob damit auch
Deutsche Wohnen die Aufnahme in den DAX
erreichen kann, bleibt derzeit noch abzuwarten.
Daneben fanden im dritten Quartal erneut
Portfolio-Transaktionen statt. So erwarb
Deka Immobilien für rund EUR 700 Mio. ein
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Portfolio von Einzelhandels-Immobilien von
D&R Investments. Ares konnte sich für rund
EUR 400 Mio. ein europaweites BüroimmobilienPortfolio von IVG sichern und Metro Properties
gab eine Mehrheitsbeteiligung von 60 % am
sogenannten Sokrates-Portfolio an Carlton
Investment ab. Mit dem Berliner Tor Center in
Hamburg, dem Einkaufszentrum Waterfront in
Bremen und dem Einkaufszentrum Sevens in
Düsseldorf wechselten im dritten Quartal 2015
auch wieder bedeutende Gewerbeimmobilien den
Eigentümer.
Ausblick
Mit M&A-Transaktionen befasste Marktteilnehmer
werden diesen Sommer in Erinnerung behalten.
Verschiedene Analysten wollen nach der DotcomÄra zum Ende des letzten Jahrtausends sowie dem
M&A-Boom Mitte des letzten Jahrzehnts im Jahr
2015 sogar bereits einen weiteren weltweiten
M&A-Gipfel erkennen.
Wenn in diesem Sommer auch keine Mega-Deals
unter deutscher Beteiligung stattfanden, so war
doch auch der deutsche M&A-Markt im dritten
Quartal 2015 erneut ausgesprochen stark und von
einem Sommerloch konnte keine Rede sein. In
allen Marktsegmenten war große Aktivität zu
verzeichnen. Finanzinvestoren leisteten dazu einen
bedeutenden Beitrag. Die Deal-Pipeline bleibt
weiterhin gefüllt. Das Vertrauen in die Märkte
konnte auch durch die weiterhin von Griechenland
ausgehenden Unsicherheiten nicht erschüttert
werden. Ob der deutsche M&A-Markt dieses
Niveau im vierten Quartal 2015 halten kann, wird
wesentlich von den Reaktionen der Marktteilnehmer auf die Unruhen um Volkswagen abhängen. Bislang lieferte der Kapitalmarkt beste
Rahmenbedingungen für M&A-Aktivitäten; auch
für das in diesem Zusammenhang erforderliche
Vertrauen. Inwieweit dies auch weiterhin der Fall
sein kann, werden die bevorstehenden Börsengänge
zeigen.
Kontakt
Dr. Michael J. Ulmer
Tel: +49 69 2648 5444
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