M&A – DEUTSCHLAND (1. QUARTAL 2016) Der deutsche M&A-Markt trotzt den Widrigkeiten Deutschland im Zeichen des Feuer-Affen Trotz der zunehmenden Komplexitäten, denen sich die Weltwirtschaft seit Jahresbeginn gegenüber sieht, zeigt sich der deutsche M&A-Markt im ersten Quartal 2016 robust. Dies liegt auch am Appetit chinesischer Investoren, die im Jahr des FeuerAffen besonders aktiv sind. Dem nachlassenden Wachstum der chinesischen Wirtschaft soll nunmehr mit dem Erwerb innovativer Unternehmen begegnet werden. Von diesen Auslandsinvestments erhofft sich die politische Führung einen zusätzlichen Schub für die inländische Entwicklung. Besonders aktiv ist dabei der chinesische Staatskonzern ChemChina. Nachdem im letzten Jahr bereits die Übernahme von Pirelli vereinbart wurde, stellt das im ersten Quartal 2016 abgegebene öffentliche Übernahmeangebot für den Schweizer Agrochemie-Konzern Syngenta mit einem Transaktionsvolumen von rund USD 43 Mrd. die bislang größte Auslandsinvestition eines chinesischen Unternehmens dar. Zeitgleich lieferte sich ein vom chinesischen Versicherer Anbang geführtes Konsortium ein Bietergefecht mit Marriott um die Übernahme der Starwood Hotels. Erst nach mehrfacher Erhöhung des Angebots auf schließlich rund USD 14 Mrd. überließ Anbang Marriott das Feld; und auch am dänischen Audio EquipmentHersteller Bang & Olufsen sind chinesische Investoren interessiert. In Deutschland waren gleich mehrere chinesische Investoren am Erwerbsverfahren für EEW Energy from Waste beteiligt. Mit einem Gebot von rund EUR 1,44 Mrd. konnte sich schließlich Beijing Enterprises im Bieterwettstreit durchsetzen und sich das Müllverwertungsunternehmen von EQT mit dem bislang größten Direktinvestment eines chinesischen Unternehmens in Deutschland sichern. Damit liegt Beijing Enterprises noch vor ChemChina, die auch in Deutschland auf Einkaufstour sind und für ein Transaktionsvolumen von rund EUR 1 Mrd. den Maschinenbauer KraussMaffei von Onex übernehmen werden. Der Bau- und Dienstleistungskonzern Bilfinger gibt sein Wassertechnologiegeschäft für rund © Allen & Overy LLP 2016 EUR 200 Mio an die chinesische Chengdu Techcent Environment ab, während die an der Börse Shanghai gelistete Ningbo Joyson Electronic zusammen mit ihrer Tochtergesellschaft Preh den Hersteller von Navigationssystemen TechniSat Automotive übernimmt. Im Weg einer Kapitalerhöhung steigt das Staatsunternehmen Shanghai Electric bei Manz ein und wird zukünftig mit bis zu 29,9 % am Kapital des Maschinenbauers beteiligt sein, mit dem auch eine strategische Kooperation vereinbart wurde. Der chinesische Düngemittelproduzent Kingenta Ecological Engineering schließlich erwarb das Compo Verbrauchergeschäft von Triton; das Compo Geschäft für professionelle Anwender ging bereits im letzten Jahr an die chinesische Xio Group. Der deutsche M&A-Markt ist im Jahr 2016 somit bislang nicht nur von Transaktionen unter chinesischer Beteiligung geprägt. Das erste Quartal zeigt vielmehr auch, welche Entwicklung chinesische Investitionen in Deutschland genommen haben. Nachdem sich chinesische Investoren vor wenigen Jahren noch auf den Erwerb von krisengeschüttelten Automobilzulieferern und Unternehmen aus der Solarbranche konzentrierten, hat sich nicht nur der Branchen-Fokus geöffnet und insbesondere in Richtung Technologie verschoben. Vielmehr sind seither auch die Transaktionsvolumina signifikant gestiegen, wobei die Transaktionsstrukturen deutlich komplexer wurden. Der im Jahr 2012 erfolgte Einstieg von Weichai Power beim Gabelstaplerhersteller Kion war mit einem Transaktionsvolumen von rund EUR 740 Mio. nicht nur das seinerzeit mit Abstand größte chinesische Direktinvestment in Deutschland. Die im Weg einer parallel zu einem Asset Deal strukturierte Kapitalerhöhung mit Aufstockungsoption bei gleichzeitiger Vereinbarung strategischer Kooperationen war auch eine der bis dahin komplexesten Transaktionen unter chinesischer Beteiligung. Im heutigen Markt wären weder dieses Transaktionsvolumen noch die gewählte Transaktionsstruktur sonderlich überraschend. Was heute überrascht, sind die insbesondere beim Auk- www.allenovery.com 2 tionsprozess für EEW Energy from Waste deutlich zutage getretenen Bietermehrheiten. Mindestens fünf chinesische Investoren waren an diesem Prozess beteiligt. Noch vor Kurzem hätte ein politi- sches Eingreifen im Vorfeld verhindert, dass sich mehrere chinesische Investoren bei potentiellen Investments im Ausland als preistreibende Wettbewerber gegenüberstehen. Ausgewählte Transaktionen unter Beteiligung chinesischer Investoren Aktivitäten in allen Marktsegmenten Für das wohl größte Aufsehen im deutschen M&AMarkt sorgte im ersten Quartal 2016 die Ankündigung von Deutsche Börse und London Stock Exchange, sich zu einem Gemeinschaftsunternehmen zusammen zu schließen. Bei dem mittlerweile dritten Versuch eines solchen Zusammenschlusses wird die Deutsche Börse mit rund EUR 15 Mrd. und die London Stock Exchange mit rund EUR 11 Mrd. bewertet. Nach Durchführung der Transaktion sollen die bisherigen Aktionäre der Deutsche Börse mit 54 %, die bisherigen Aktionäre der London Stock Exchange mit 46 % am Gemeinschaftsunternehmen beteiligt sein. Dieses wird seinen Sitz in London haben und zunächst unter deutscher Führung stehen. Nur kurz nach dieser Ankündigung gab die Deutsche Börse den Verkauf ihrer US-Tochter ISE bekannt. Der Technologie- © Allen & Overy LLP 2016 börse Nasdaq war ISE rund USD 1,1 Mrd. wert. Ob ausländische Börsenbetreiber den Marktgerüchten folgend tatsächlich ein konkurrierendes Angebot für die London Stock Exchange abgeben werden, ist derzeit noch unklar. Jedenfalls wird bereits jetzt auf politischer Ebene wie auch bei nationalen und internationalen Aufsichtsbehörden intensiv über mögliche Implikationen dieses Zusammenschlussvorhabens diskutiert. Auch im mittleren Segment zeigte sich der deutsche M&A-Markt im ersten Quartal 2016 aktiv. Für rund EUR 475 Mio. gab etwa BASF den Geschäftsbereich Industrielacke an Akzo Nobel ab. ZF TRW konnte das Geschäftsfeld Befestigungssysteme und Komponenten für rund USD 450 Mio. an Illinois Tool Works verkaufen. Der malaysische Mischkonzern Genting erwarb für rund EUR 230 Mio. die Nordic Yards Werften von ei- www.allenovery.com 3 nem russischen Unternehmer. Zu gleichen Teilen erwerben die Schoeller Holding und Familie Amberger Transoflex von der Österreichischen Post. Die beiden Gesellschafter hatten das Logistikunternehmen im Jahr 1998 an Finanzinvestoren verkauft. Im Gemeinschaftsunternehmen Digital Energy Solutions wollen schließlich BMW und Viessmann gemeinsam Lösungen im Bereich Ener- giemanagement anbieten. Unter den zahlreichen Transaktionen im unteren Marktsegment verdient die Einkaufstour von IBM besondere Erwähnung. Innerhalb weniger Wochen sicherte sich der USTechnologiekonzern neben dem Entwickler von Finanzsicherheits-Software Iris Analytics auch die Digitalagentur Aperto. M&A-Transaktionen mit deutscher Beteiligung 2010 – 2016 Finanzinvestoren starten lebhaft ins Jahr 2016 Mit einigen beachtlichen Transaktionen starteten auch Finanzinvestoren erfolgreich ins M&A-Jahr 2016. KKR erhielt mit einem Gebot in Höhe von rund EUR 1,1 Mrd. den Zuschlag im hoch kompetitiven Bieterverfahren zum Erwerb der Sparte Verteidigungselektronik von Airbus, während EQT die noch von Siemens gehaltene Beteiligung am Hörgerätehersteller Sivantos erwerben konnte. CVC gab für rund EUR 715 Mio. eine Beteiligung in Höhe von 23,8 % an der Schweizer Telekommunikations-Gruppe Sunrise an Freenet ab. Freenet hatte bereits kurz zuvor Media Broadcast für rund EUR 295 Mio. von TPG und drei weiteren Finanzinvestoren übernommen. Finanziert wurden die beiden Transaktionen zu weiten Teilen durch eine © Allen & Overy LLP 2016 Kapitalerhöhung des Telekommunikationsanbieters. Für einen Kaufpreis von über EUR 250 Mio. wechselte die D&B Audiotechnik von einer Investorengruppe um Odewald an den Finanzinvestor Ardian. Der Automobilzulieferer Valeo konnte den Hersteller von Lüftungsanlagen Spheros von der DBAG und dem Spheros-Management übernehmen. Für rund EUR 140 Mio. schließlich gaben die bisherigen Eigentümer den Hersteller von Medizinprodukten Medi-Globe an ein Konsortium unter Führung von Duke Street ab. www.allenovery.com 4 Weitere Konsolidierung des Immobiliensektors beendet? Wenn es im ersten Quartal 2016 neben Transaktionen um einige signifikante Gewerbeobjekte auch wieder zur Veräußerung kleinerer Portfolien im Bereich Gewerbe- und Wohnimmobilien kam, so war die wesentliche Nachricht im Immobiliensektor doch das Scheitern der feindlichen Übernahme der Deutsche Wohnen durch Vonovia. Über Monate hatte sich der Vorstand der Deutsche Wohnen gegen die Übernahme gestemmt und nicht zuletzt dafür selbst für rund EUR 1,2 Mrd. ein WohnungsPortfolio von Patrizia erworben. Schließlich scheiterte die Übernahme mit einem Transaktionsvolumen von rund EUR 14 Mrd. am Verfehlen der kurzfristig noch gesenkten Annahmeschwelle. Es bleibt abzuwarten, ob mit dem Scheitern des Vorhabens, einen Immobilienkonzern mit über 500.000 Wohnungen zu schaffen, der Konsolidierungsprozess im Immobiliensektor beendet ist. Ausblick Trotz herausfordernder geopolitischer und makroökonomischer Rahmenbedingungen zeigt sich der deutsche M&A-Markt im ersten Quartal 2016 robust. Neben dem „Investitions-Hunger“ chinesischer Investoren ist dafür das fortdauernde Vertrauen der Marktteilnehmer verantwortlich. Dieses äußert sich insbesondere in zahlreichen Transaktionen im mittleren und im unteren Marktsegment. Im Kapitalmarkt trübt sich dieses Vertrauen derzeit jedoch ein. So gelangen mit dem Börsengang des Biotechnologie-Unternehmens Brain und dem zunächst verschobenen IPO des Herstellers von Windanlagen Senvion im ersten Quartal 2016 nur zwei Börsengänge. Der deutsche Kapitalmarkt folgt damit seinem US-amerikanischen Vorbild. Entscheidend wird nun sein, wie sich der M&AMarkt im zweiten Quartal 2016 entwickelt. Eine weitere Zinserhöhung in den USA könnte das Vertrauen der Marktteilnehmer stützen und dabei helfen, bis zur Sommerpause den Grundstein für ein zufriedenstellendes M&A-Jahr 2016 zu legen. Kontakt Dr. Michael J. Ulmer Tel: +49 69 2648 5444 [email protected] © Allen & Overy LLP 2016 www.allenovery.com
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