Beim Venture-Capital-Gesetz muss die Große Koalition liefern

B˛rsen-Zeitung
Zeitung fˇr die Finanzmärkte
Ausgabe
221 vom 18.11.2015, Seite 2
GASTBEITRAG
Beim Venture-Capital-Gesetz muss die
Große Koalition liefern
B˛rsen-Zeitung, 18.11.2015
Nach dem Willen der Großen Koalition soll Deutschland ,,Grˇndungsrepublik‘‘ werden. Hierzu zählt auch
ein hinreichendes Angebot an Wagniskapital fˇr innovative Unternehmen. Fˇr diese ist Venture Capital
(VC) oftmals die einzige Finanzierungsquelle. Vor zwei Jahren einigten sich die Koalitionäre darauf, die
Rahmenbedingungen mittels eines
,,Venture-Capital-Gesetzes‘‘ zu verbessern. Lange Zeit passierte eher
wenig: Der Mitte 2013 eingefˇhrte
INVEST-Zuschuss fˇr Wagniskapital
wurde rˇckwirkend von der Steuer
befreit, das ,,Deutsche B˛rse Venture
Network‘‘ als neue Exit-Plattform ins
Leben gerufen, und die KfW nahm
ihr VC-Engagement wieder auf.
Diese Neuerungen sind gewiss wichtige Maßnahmen; die ambitionierten Ankˇndigungen im Koalitionsvertrag sind damit jedoch noch nicht
eingel˛st. Und auch das kˇrzlich von
der Bundesregierung vorgelegte
,,Eckpunktepapier Wagniskapital‘‘
bleibt im Ergebnis hinter den selbstgesteckten Zielen zurˇck. Gleichwohl ist es ein Bekenntnis der Regierung zu einer Verbesserung der Rahmenbedingungen fˇr Venture Capital. Nicht weniger, aber auch leider
nicht viel mehr. Lediglich die darin
angekˇndigte Ausweitung des INVEST-Zuschusses auch fˇr Fondsinvestitionen ist die einzige konkrete
Maßnahme.
Warten auf Godot
Danach soll der Zuschuss kˇnftig
auch bei entsprechenden Investitionen in Fonds gewährt werden. Diese
Weiterentwicklung ist folgerichtig:
Denn der VC-Bedarf ist nach den ersten Finanzierungsrunden besonders groß und der Mangel an Wagniskapital in dieser Entwicklungsphase eines Unternehmens in
Deutschland evident. Business Angels allein k˛nnen in dieser Phase
meist das erforderliche Kapital nicht
mehr gewähren; ein fondsgestˇtzter
Wagniskapitalgeber schon. Insgesamt fˇhlt man sich bei der Beobachtung der Bemˇhungen um ein VCGesetz an das Theaterstˇck des Dramatikers Samuel Beckett ,,Warten
auf Godot‘‘ erinnert.
IT-Gipfel k˛nnte Signal geben
Von dem heute beginnenden natioID: 2015221008
nalen IT-Gipfel k˛nnte ein Signal
ausgehen, weitere Maßnahmen in
Angriff zu nehmen. Denn gerade im
Bereich der Digitalisierung kommt
VC eine herausragende Rolle zu.
Ein Blick ˇber den Atlantik verdeutlicht dies: Unternehmen wie Facebook, Google oder Microsoft konnten ihren Erfolg nur dank VC erreichen: Vor wenigen Jahren noch
nicht existent, sind sie zu milliardenschweren Global Playern gereift.
Mehr als 20 % des Bruttoinlandsprodukts der Vereinigten Staaten werden durch Firmen erwirtschaftet,
die aktuell oder ehemals mit VC finanziert wurden. Circa 10 % der Beschäftigten in den USA arbeiten in
momentan bzw. frˇher mit VC finanzierten Unternehmen. Hierzulande
hingegen herrscht insbesondere bei
der sogenannten Anschlussfinanzierung ein Defizit an Wagniskapital.
Manche sprechen von dem ,,Tal des
Todes‘‘ fˇr junge Unternehmer, denen nach der erfolgreichen Grˇndung das erforderliche Kapital fehlt.
Bleibt das Tal bestehen, nimmt unsere gesamte Volkswirtschaft Schaden.
Wenn Innovationen zwar hier entstehen, die Kommerzialisierung allerdings, wie etwa beim MP3-Player,
im Ausland erfolgt, kann Deutschland seine Wettbewerbsfähigkeit
dauerhaft nicht aufrechterhalten.
Insofern ist die F˛rderung von Wagniskapital nicht nur ein entscheidendes Instrument zur Innovationsstärkung, sondern letztlich zukunftsund wohlstandssichernd.
Wir haben in Deutschland diesbezˇglich auch kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem. Aber
im politischen Alltag geht es leider
viel zu oft darum, drohende Verschlechterungen der Rahmenbedingungen durch regulatorischen Übereifer oder fiskalisch geprägte Begehrlichkeiten zu verhindern. Auch
insofern erinnert die aktuelle Politik
gelegentlich an absurdes Theater
frei nach Beckett: Erst in letzter Minute ist es bei der Novellierung der
Anlageverordnung gelungen, neue
Restriktionen fˇr Investitionen von
Versicherungen in VC-Fonds zu vermeiden. Und auch die vom Bundesfinanzministerium vorgeschlagene
Besteuerung der Veräußerungsgewinne aus Streubesitz (‰ 8b KStG)
im Rahmen der Investmentsteuerreform wˇrde dem deutschen Grˇndungsstandort erheblich schaden.
Deswegen ist zu begrˇßen, dass sich
die Regierungsfraktionen im Bundestag mit ihrem Antrag zur Industrie 4.0 letzte Woche dagegen ausgesprochen haben.
Chance auf Anpassungen
Mit der sogenannten OGAW-V-Umsetzung hat die ,,GroKo‘‘ die Chance,
Anpassungen im Kapitalanlagesetzbuch (KAGB) vorzunehmen, um VC
hierzulande zu stärken. Hierbei geht
es um eine Harmonisierung an die
europäische
Venture-Capital-Verordnung. Umgekehrt sollte auf neue
Restriktionen fˇr die Vergabe von
Gesellschafterdarlehen, wie in dem
im September verabschiedeten Regierungsentwurf vorgesehen, verzichtet werden. Diese sind weder
aufsichtsrechtlich geboten noch europarechtlich erforderlich, sondern
schaffen vor allem eins: unn˛tige
Bˇrokratie. Das eine tun und das andere lassen, sollte daher das Gebot
fˇr das im Dezember beginnende
parlamentarische Gesetzgebungsverfahren werden. Dann k˛nnte das
OGAW-V-Umsetzungsgesetz
im
ˇbertragenen Sinne zumindest zum
kleinen Bruder des herbeigesehnten
Godots werden.
Es bleibt weiterhin viel zu tun, um
Wagniskapital in Deutschland zu f˛rdern: Keine Umsatzbesteuerung auf
die sogenannten Management Fees,
die Einfˇhrung der gesetzlichen
Steuertransparenz oder Änderungen
bei den geltenden Regelungen zum
Verlustvortrag (8c KStG) sind hier
einige Stichworte der Diskussion.
All diese Vorschläge verbindet dabei
eins: Sie sind keine Privilegierung einer einzelnen Anlageklasse, sondern
vielmehr eine erforderliche Anpassung an die im europäischen Ausland längst geltenden Regeln. Deswegen sollte das Argument ,,Europa‘‘
auch nicht als Vorwand fˇr den aktuellen Stillstand missbraucht werden.
Deutsche Gesetze sind selbstverständlich europarechtskonform auszugestalten und die geltenden Regelungen in anderen Mitgliedstaaten
zeigen, dass die genannten Maßnahmen m˛glich sind.
Hoffen aufs Gesetz
Kurz nach dem IT-Gipfel beginnt die
Adventszeit, bekanntlich die Zeit der
Ankunft. Fˇr die deutsche Grˇndungslandschaft ist zu hoffen, dass
auch die Ankunft eines Venture-Capital-Gesetzes nicht allzu lange auf
sich warten lässt und das Drama um
ein Venture-Capital-Gesetz einen anderen Verlauf nimmt als Becketts
Stˇck. Keinesfalls sollte das VC-Gesetz als alleiniger Heilsbringer verklärt werden. Aber fest steht, dass
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es ein wichtiger Schritt auf dem
Weg zur postulierten ,,Grˇndungsrepublik‘‘ Deutschland wäre. Im April
2016 jährt sich der Geburtstag Becketts zum 110. Mal, bis dahin sollte
die Große Koalition liefern. Damit
sich das Warten auch gelohnt hat:
Fˇr die Grˇnderinnen und Grˇnder,
Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit
und unser aller Zukunft! Auf zu einem neuen Akt!
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Peter Gˇllmann, Sprecher des Vorstands des Bundesverbandes Deutscher
Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK)