Der Markt ist aufnahmefÌhig

B˛rsen-Zeitung
Zeitung fˇr die Finanzmärkte
Ausgabe
135 vom 16.07.2016, Seite 8
EUROBÖRSENTAG 2016
,,Der Markt ist aufnahmefähig‘‘
Finanzierung aus Expertensicht trotz Brexit und turbulentem Umfeld kein Engpass –
Unternehmen sitzen auf hohen Cash-Polstern
Von Sabine Wadewitz, Frankfurt
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B˛rsen-Zeitung, 16.7.2016
Politische Unwägbarkeiten und hohe Volatilitäten sorgen fˇr Risiken
im Markt, doch die Mehrzahl der Unternehmen wird in ihren Investitionsplänen nicht gestoppt. ,,Finanzierung ist auch heute kein Engpass‘‘, unterstreicht Investmentbanker Christian Zorn, Vorstandsmitglied der Morgan Stanley Bank, in einer Podiumsdiskussion auf dem von
B˛rsen-Zeitung und PwC veranstalteten Eurob˛rsentag in Frankfurt.
,,Der Markt ist aufnahmefähig‘‘, so
Zorn.
Wie sich der Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union
längerfristig auswirken wird, bleibt
unklar. ,,Die Auswirkungen des Brexit kann man ˇberhaupt noch nicht
einschätzen‘‘, räumt Zorn ein. Zunächst aber habe der Markt funktioniert. Sein Haus habe eine Woche
nach dem Votum der Briten eine
Transaktion durchgefˇhrt, in der
alle vorstellbaren Unsicherheiten
aus dem Brexit gesteckt hätten, und
sie sei deutlich ˇberzeichnet gewesen. Längerfristig mˇsse man mit
der Abspaltung Großbritanniens Abschwunggefahren einkalkulieren.
Der Finanzierungsbedarf k˛nnte dadurch abnehmen.
Im Zuge der Finanzkrise waren die
meisten Unternehmen darum bemˇht, ihre Innenfinanzierungskraft
zu stärken, um sich weniger abhängig von Banken und Kapitalmarkt zu
machen. Somit sitzen vielen Firmen
auf hohen Cash-Polstern. Traditionell war das bereits eine Strategie
von Familienunternehmen. Diese
Gesellschaften haben sich im Cashflow-Management viel professioneller aufgestellt, meint Peter Bartels,
Vorstandsmitglied und Leiter Familienunternehmen und Mittelstand
bei der Prˇfungs- und Beratungsgesellschaft PwC. Somit hätten diese
Firmen eine hohe Eigenfinanzierungskraft ausgebildet. Die Kapitalmarktfreudigkeit sei im großen
deutschen Mittelstand indes nach
wie vor begrenzt. Sofern keine große Übernahme anstehe, bleibe man
in dem Kreis lieber bei Eigen- und
klassischer Kreditfinanzierung.
Beliebter Schuldschein
Weniger ˇppig gepolstert sind kleine
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mittelständische Firmen, deren Eigenkapitalquote oftmals deutlich
unter dem Niveau von gr˛ßeren Un-
tumsperspektiven zu bepreisen‘‘, unterstreicht Zorn. Auch bei diesen Unternehmen werde es einen Lebens-
ternehmen liegt. Dieser Gruppe bescheinigt Bartels Optimierungsbedarf in der Innenfinanzierung.
Junge Firmen haben vielerorts
noch Schwierigkeiten, an die Quellen zu kommen. ,,Im Bereich der
Wachstumsfinanzierung fehlt in
Deutschland Geld‘‘, sagt Henning
Gebhardt, Globaler Leiter Aktien
und Mitglied der Geschäftsfˇhrung
der Deutschen Asset Management
Investment.
Zur Frage, welche Finanzierungsinstrumente sich fˇr junge Firmen
eignen, sagt Bartels, dass die klassische Fremdfinanzierung ˇber die
Hausbank derzeit so gˇnstig sei, dass
Unternehmen nicht ˇber Alternativen nachdenken mˇssten. Zur Annäherung an den Kapitalmarkt sei zum
Üben das Schuldscheindarlehen ein
vernˇnftiger Schritt. Laut Bartels
mˇssten dann aber schon mindestens zweistellige Millionenvolumina erreicht werden. Kleinere Mittelständler bräuchten fˇr ihre Investitionspläne aber in der Regel nur
3 Mill. bis 5 Mill. Euro.
zyklus geben. Der Investmentbanker
fordert aber ein, dass Umsatz und Ertrag irgendwann greifbar und härtere Fakten Bestandteil der Story werden mˇssen.
Fantasie allein reicht nicht
Schwierig kann es fˇr Investoren
werden, wenn Unternehmen aus
der digitalen Welt Kapital einsammeln wollen, die keine klassischen
Assets in der Bilanz haben und oft
noch nicht in der Gewinnzone sind.
,,Investoren sind bereit, auch Wachs-
Vergleichswerte gesucht
Eine gewisse Reife sei auch fˇr einen
B˛rsengang notwendig, ergänzt
Fondsmanager Gebhardt. Die Bewertung gestalte sich zudem schwierig, wenn es keine Vergleichsunternehmen gebe. Start-up-Fonds von
Industrieunternehmen hält er deshalb fˇr durchaus hilfreich, damit
junge Wachstumsfirmen einen gewissen Reifegrad erlangen k˛nnten.
PwC-Experte Bartels räumt ein, dass
noch viel Know-how angesammelt
werden muss, um Geschäftsmodelle
der Industrie 4.0 zu bewerten.
Eine gr˛ßere Zahl an b˛rsennotierten Unternehmen hierzulande
wäre bei Investoren erwˇnscht,
doch es wird eingeräumt, dass Regulierung und Corporate-GovernanceAnforderungen dazu beitragen, dass
ein IPO nur fˇr die Firmen der richtige Weg ist, die regelmäßig am Kapitalmarkt aktiv sein wollen. ,,Wir
wˇrden natˇrlich auch gerne aus einem gr˛ßeren Pool deutscher Aktien
auswählen‘‘, sagt Gebhardt. Doch
Fonds hätten stets genug Investitionsm˛glichkeiten international gehabt.
Ein deutsches B˛rsenparkett hält
Gebhardt weiterhin fˇr essenziell.
Gerade fˇr kleine Unternehmen seien der Heimatmarkt und die Nähe zu
Investoren wichtig. Frank Lutz, Finanzvorstand des von Bayer ˇber
ein IPO abgespaltenen Kunststoffunternehmens Covestro, erläutert, dass
die Wahl des B˛rsenplatzes fˇr seine
Firma als deutsches Unternehmen
kein großes Thema gewesen sei. Ein
Zweitlisting habe man schnell ver-
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worfen, weil man auch mit einer Notierung allein in Deutschland die relevanten Investoren erreiche.
Plädoyer fˇr starke B˛rse
Mit Blick auf die geplante Fusion der
Deutschen B˛rse mit der London
Stock Exchange betont Lutz, ,,der Finanzplatz braucht eine starke deut-
sche B˛rse.‘‘ Gebhardt kann sich vorstellen, dass es in Zukunft auf eine
europäische B˛rse hinauslaufen
k˛nnte. Immerhin hätten sich in
Konkurrenz schon vielfältige Handelssysteme etabliert. ,,Besser eine
europäische B˛rse als eine deutsche
B˛rse, aus New York heraus gefˇhrt‘‘, so sein Resˇmee.