B˛rsen-Zeitung Zeitung fˇr die Finanzmärkte Ausgabe 21 vom 02.02.2016, Seite 2 FINANZEN UND TECHNIK – GASTBEITRAG Geistiges Eigentum strategisch wichtig fˇr Fintechs B˛rsen-Zeitung, 2.2.2016 Fˇr jedes Fintech-Unternehmen stellt sich die Frage, wie es seine geistigen Leistungen optimal schˇtzen und verwerten kann. Start-ups neigen dazu, dieses Thema zurˇckzustellen. Als Grund wird häufig genannt, dass das Budget fˇr externe Beratung begrenzt und man selbst mit dem Immaterialgˇtersystem nicht vertraut sei. Dabei ist geistiges Eigentum (Intellectual Property, IP) kein Selbstzweck, sondern ein ,,Business-Tool‘‘, mit dem wesentliche Unternehmensziele realisiert werden k˛nnen. Der systematische Aufbau einer IP-Strategie und der souveräne Umgang mit IP-Rechten Dritter (IP-Compliance) sollten integrale Bestandteile der Gesamtstrategie eines Fintech-Start-ups bilden, die fˇr Investoren genauso relevant sein dˇrften wie etwa regulatorische oder datenschutzrechtliche Fragen. Eine IP-Strategie ist nur von Wert, wenn sie dazu beiträgt, Unternehmensziele zu erreichen. Wer eine IPStrategie entwickeln m˛chte, muss sich daher ˇberlegen, wo die Ziele und Stärken seines Unternehmens liegen, wie das wettbewerbliche Umfeld beschaffen ist und welche rechtlichen und finanziellen M˛glichkeiten zur Verfˇgung stehen. Am Anfang steht eine Bestandsaufnahme der Schutzrechte, die bereits vorhanden sind. Hierbei wird es sich in der Regel um nicht eingetragene Rechte (z. B. Urheber- und Leistungsschutzrechte) handeln. Ob es darˇber hinaus sinnvoll ist, gewerbliche Schutzrechte wie Patente, Gebrauchsmuster, Marken oder Designs bei den zuständigen Registern anzumelden, kann nur im Lichte der Gesamtstrategie entschieden werden. Ein Übermaß an eingetragenen Rechten kann mit Blick auf die Kosten, die mit Anmeldung, Aufrechterhaltung und Verteidigung dieser Rechte verbunden sind, zu erheblichen finanziellen Belastungen fˇhren. Umgekehrt ist es wichtig, Schutzlˇcken in essenziellen Unternehmensbereichen zu vermeiden, die sich mitunter erst nach Jahren nachteilig auf die Unternehmensentwick- ID: 2016021008 lung auswirken k˛nnen, nämlich etwa dann, wenn ein Mitbewerber auf den Plan tritt, der ˇber ältere Rechte verfˇgt oder dessen Handeln nicht unterbunden werden kann. So sind Marken und Unternehmenskennzeichen etwa territorial begrenzt. Start-ups, die in andere Länder expandieren, mˇssen mitunter feststellen, dass ihr Firmenoder Produktname in dem jeweiligen Land bereits anderweitig besetzt ist. Gelangt man dann nicht zu einer einvernehmlichen L˛sung mit dem Rechteinhaber, ist eine Umbenennung erforderlich. Bei innovativen Technologien stellt sich die Frage, ob es vorzugswˇrdig ist, diese geheim zu halten, um zu verhindern, dass Dritte an innovationsrelevante Informationen gelangen. Start-ups, die sich unter diesem Aspekt gegen die Anmeldung technischer Schutzrechte (wie Patente und Gebrauchsmuster) entscheiden, sollten Compliance-Regeln dafˇr entwickeln, wie Geheimnisschutz im Unternehmen bestm˛glich sichergestellt werden kann. Auch die zeitliche Ausrichtung des Geschäftsmodells ist entscheidend: Wer seine unternehmerische Tätigkeit langfristig anlegt, wird sich auf den Schutz des Produkts und ein starkes Markenimage konzentrieren. Auch Start-ups, die auf die Unterstˇtzung von Business Angels oder externen Investoren angewiesen sind, werden daran interessiert sein, mit der Anmeldung von Schutzrechten den Unternehmenswert zu steigern, um fˇr externe Investments attraktiv zu sein. Rechte Dritter im Blick haben Das Thema IP-Compliance ist eng mit demjenigen der IP-Strategie verwoben, denn IP-Rechte sind nur insoweit rechtsbeständig, als sie nicht mit prioritätsälteren Rechten Dritter kollidieren. Das eigentliche Risiko der Verletzung von Rechten Dritter liegt aber nicht nur in dem Verlust eigener Rechte, sondern darin, dass der Betroffene eine Beschränkung seiner geschäftlichen Aktivitäten befˇrchten muss. Dieses Risiko besteht in beson- derem Maße, wenn die eigene Technologie fremde Schutzrechte verletzt, die Technologie fˇr das eigene Geschäftsmodell aber zentral ist. Erwirkt der Dritte dann ein gerichtliches Verbot in Form einer einstweiligen Verfˇgung, kann dies schlimmstenfalls dazu fˇhren, dass einem Geschäftsmodell buchstäblich von heute auf morgen die Grundlage entzogen wird. Wegen Benutzungshandlungen in der Vergangenheit k˛nnen hohe Schadenersatzforderungen drohen. Da viele Fintech-Start-ups auf Open Source setzen, rˇcken insbesondere auch die Risiken, die mit der Verletzung von solchen Lizenzen verbunden sind, immer mehr in den Vordergrund. Hierfˇr sollte frˇhzeitig ein Open-Source-Lizenz-Management im Unternehmen etabliert werden. Angesichts des hohen Risikopotenzials von Schutzrechtsverletzungen werden bei einer Due-Diligence-Prˇfung (etwa im Falle einer Finanzierung) regelmäßig auch die IP-Rechte des Unternehmens bzw. etwaige Verletzungen Dritter ˇberprˇft. Werden hierbei Schwächen festgestellt, kann allein dies dazu fˇhren, dass ein Investor Abstand nimmt. Eine IP-Strategie und die IP-Compliance sollten daher von Anfang an als feste Bestandteile der Gesamtstrategie eines FintechStart-ups etabliert werden. Nur so lässt sich vermeiden, dass Risiken entstehen, die sich zu einer Gefahr fˇr das gesamte Geschäftsmodell auswachsen k˛nnen. Beim Aufbau einer IP-Strategie sollte stets berˇcksichtigt werden, welche Bedeutung dem jeweiligen Schutzrecht bei der Verwirklichung konkreter Unternehmensziele zukommt. Fˇr den Investor bildet der souveräne Umgang mit IP-Rechten einen wichtigen Indikator fˇr die Fähigkeit eines Start-up, den eigenen Geschäftserfolg auf durchdachten Strategien aufzubauen. ....................................................... Sandra Mˇller, Rechtsanwältin bei Heuking Kˇhn Lˇer Wojtek in Frankfurt am Main
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