Predigt Pfr. Prader zur Weihnachtsmette 24.12.2015

Predigt von Pfr. BV Dr. Helmut Prader bei der Christmette am 24.12.2015
Liebe Gläubige!
Wer hat Jesus zuerst gesehen? Nach Maria und
Joseph waren es natürlich die Hirten. Das ist nicht
ohne Bedeutung für uns.
Die Hirten waren damals keine angesehenen
Menschen, sie waren eher gering geachtet. Ihr
Platz war außerhalb der schützenden Stadtmauern
Bethlehems. Dort lagerten sie in der Nähe ihrer
Tiere bei den Stallungen, die sich in Grotten
befanden.
Gerade dort kommt Gott zur Welt, außerhalb, bei
den nicht angesehenen, fast schon ausgestoßenen
Menschen jener Tage. Hätte er es nicht besser
verdient gehabt?
Der Evangelist Lukas weiß zu berichten, dass in der Herberge kein Platz für
ihn war. Der Evangelist Johannes greift dieses in seinem Prolog auf, wenn
er schreibt: Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.
Gott kommt nicht dort an, wo wir es vermuten würden oder wo wir es gerne
hätten. Der Herrscher der Welt kommt nicht in einem Palast zur Welt,
sondern in einem ärmlichen Krippenstall. Im Königspalast von Jerusalem
haben ihn die Weisen aus dem Morgenland gesucht, aber eben nicht
gefunden, ja nicht finden können. Denn Gott setzt in der Geburt Jesu andere
Maßstäbe, als die unsrigen.
Papst Benedikt XVI. bringt das einmal so zum Ausdruck:
„Von Geburt an gehört er (Jesus) nicht dem Bereich dessen zu, was weltlich
wichtig und mächtig ist. Aber gerade dieser Unwichtige und Ohnmächtige
erweist sich als der wahrhaft Mächtige, als der, auf den letztlich alles
ankommt.
So gehört zur Christwerdung das Hinausgehen aus dem, was alle denken
und wollen, aus den herrschenden Maßstäben, um ins Licht der Wahrheit
unseres Seins zu finden und mit ihm auf den rechten Weg zu kommen.“
Gott kommt zur Welt, wo er den Armen und Ausgegrenzten rein körperlich
nahe ist. Er will unter ihnen, ja, bei ihnen sein. So sind die Hirten nahe dran
am wirklichen Geschehen der Erlösung.
„Natürlich kann man den Gedanken sofort weiterführen:“ – so Papst
Benedikt – „Sie haben vielleicht nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich
näher an dem Ereignis gelebt als die zufrieden schlafenden Bürger. Sie
hatten es auch innerlich nicht weit zum Kind gewordenen Gott. Damit fügt
sich zusammen, dass sie zu den Armen gehörten, zu den einfachen Seelen,
1 die Jesus gepriesen hat, weil vor allem ihnen der Zugang zu Gottes
Geheimnis gegeben ist.“
Wer Gott in aller Frische begegnen will, der muss innerlich arm sein vor
Gott, der darf sich nicht groß dünken oder mächtig, stolz auf seine Erfolge
und seinen Besitz. In einer Gesellschaft, der es vor allem um Reichtum,
persönlichen Wohlstand und politische Machtausübung geht, findet Gott
kaum Raum.
Wenn der Mensch viel besitzt, kann es geschehen, dass er von seinem
Eigentum besessen wird: Ständig denkt er daran, was er wie und wo
erhalten muss, was er wie und wo verbessern und vermehren kann, was er
wie und wo vor dem Zugriff der anderen verteidigen muss. Da ist das Hirn
und das Herz voll von den Dingen dieser Welt...aber Jesus findet dort keinen
Platz in der Herberge.
Liebe Brüder und Schwestern, das heißt nicht, dass wir ärmlich leben sollen.
Gewiss nicht. Diese Armut leben heißt nicht Armseligkeit.
Diese Armut leben heißt nicht, die Dinge, die wir haben, verkommen zu
lassen, mit Löchern in den Hosen und ungewaschenen Haaren
herumzulaufen.
Diese Armut leben heißt eher, nichts verkommen zu lassen, Weniges zu
haben, das aber gut zu pflegen und damit letztlich zufrieden zu sein, nicht
dem neuesten Schrei hinterher zu rennen. Zur Armut gehört es auch
manchmal, den Ratschlag zu befolgen, dass superbillig einzukaufen oft sehr
teuer kommt – abgesehen davon, dass wir ungewollt Ausbeutung in der
Ferne oder hierzulande stützen. Diese Form der Armut zu leben ist in
unserer konsumorientierten Gesellschaft oft schwer umzusetzen. Das weiß
wohl jeder aus eigener Erfahrung.
Jesus selbst hat aber diese Armut vorgelebt. Er lässt die übrig geblieben
Brotstücke nach der Speisung der Fünftausend nicht verkommen, sondern
einsammeln. Er trug ein für damalige Verhältnisse gutes, an einem Stück
durchgewebtes Gewand, um das die Soldaten ja bei seiner Kreuzigung
würfelten. Er wird dieses eine besessen und gut gepflegt haben.
Die Hirten eilten – sicher auch aus menschlicher Neugier. Aber sicherlich
auch in Bewegung gesetzt durch die Freude über das Gehörte und darüber,
dass sie davon Zeugen sein dürfen. Sie sehen – wie es ihnen gesagt wurde
– ein Kind, das in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt. Mit ihren wachen
inneren Augen sehen sie darin den Neuanfang, den Gott für die Menschheit
setzt. Sie sehen: Er ist der Messias, der Herr.
Die Hirten sind geeilt – und sie sind nicht enttäuscht worden.
Sie wurden mit Freude erfüllt. Übernatürlicher Freude! Sie haben das Heil
der Welt gesehen!
2 Liebe Gläubige!
Auch uns wünsche ich diese Freude im Herzen! Ich wünsche uns allen, dass
uns dieses Weihnachtsfest wieder neu hilft, eine persönliche
Gottesbeziehung zur Entfaltung zu bringen. Ich wünsche uns allen, dass wir
zu Christus eine so innige Beziehung aufbauen können, dass wir Du sagen
können. Ich wünsche uns allen, dass wir diese Entlastung spüren, dass nicht
alles von mir abhängt, dass ich auch etwas abgeben kann. Ich brauche nicht
perfekt zu sein, ich brauche mich nicht zu verstellen, sondern ich darf mir
von Gott selber helfen lassen, ich muss dies aber auch zulassen können.
Dann wird auch unser Leben eine ganz andere Dimension erhalten.
Amen.
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