Predigt zum Heiligen Abend 24.12.2016

Heiliger Abend 2016
LG
Wenn ich in der Zeit vor Weihnachten unterwegs bin und durch verschiedene
Orte komme, dann fällt mir seit einigen Jahren immer mehr auf, dass
verschiedene Restaurants massiv Werbung dafür gemacht wird, den Heiligen
Abend nicht zuhause, sondern in eben diesen Gaststätten und Lokalen zu
verbringen.
Scheinbar ist die Nachfrage da, dass Menschen gerade für diesen Abend etwas
suchen, wo sie sich ablenken können, wo sie unterhalten werden oder einfach
nur den Frust ertrinken. Ein Stück weit einfach die Sinnlosigkeit, die
hochkommt, im Herzen betäuben.
LG
Der einzige Weg, um dieser Sinnlosigkeit zu entrinnen, ist die Rückbesinnung
auf das Wesentliche, die Rückbesinnung auf den Sinn dieses Festes das wir
feiern. Kurz zusammengefasst lautet es: Et verbum caro factum est: Das Wort ist
Fleisch geworden. Ho logos sarx egeneto.
Gott hat unsere menschliche Natur angenommen. Gott ist uns in allem gleich
geworden, außer in der Sünde, so sagt es der Völkerapostel Paulus einmal.
Gott ist Mensch geworden, LG, da müsste uns die Gänsehaut kommen, und das
nicht nur wegen der Kälte, sondern dann, wenn wir versuchen, immer wieder
neu zu erfassen, was das bedeutet. All die anderen Heilsversprecher, sei es die
Esoterik, sei es der Glaube an die Wiedergeburt, müssen angesichts dessen
erblassen. Wir werden nicht gerettet, weil wir uns das Heil verdienen oder
indem wir uns selber einbilden, Gott zu sein, sondern einzig und alleine
dadurch, dass Gott Mensch geworden ist und uns dieses Heil anbietet. Das Kind
in der Krippe kann niemanden zwingen, das Kind in der Krippe bietet an. Das
Kind in der Krippe wartet auf unser ja, damit dieses Kind uns von Grund auf
erneuern kann.
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Heiliger Abend 2016
Weihnachten lässt die Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies des Lebens
wieder wach werden. Die Liturgie des Weihnachtsfestes lenkt aber den Blick in
Bewunderung von uns Menschen weg und hin auf die Größe und Macht Gottes.
Wir Menschen brauchen diese Erfahrung des großen Gottes, der sich
Weihnachten klein gemacht hat, aber groß geblieben ist. Wir Menschen heute
sind weithin innerlich, d.h. seelisch-psychisch, schwach und anfechtbar
geworden. Es bleibt ein eigenartiger Kontrast in uns. Im Äußeren suchen wir
immer das Unerhörte, das noch nie Dagewesene, den Weltrekord. Und dabei
werden wir innerlich immer schwächer, seelisch blasser und haltloser.
LG
Ich wünsche uns immer wieder neu die Fähigkeit des Staunen könnens. Es ist
das Staunen können der Hirten und das Staunen können der Kinder.
Wer Gott in aller Frische begegnen will, der muss innerlich arm sein vor Gott,
der darf sich nicht groß dünken oder mächtig, stolz auf seine Erfolge und seinen
Besitz. In einer Gesellschaft, der es vor allem um Reichtum, persönlichen
Wohlstand und politische Machtausübung zu tun ist, findet Gott kaum Raum.
Wenn der Mensch viel besitzt, kann es geschehen, dass er von seinem Eigentum
besessen wird: ständig denkt er daran, was er wie und wo erhalten muss, was er
wie und wo verbessern und vermehren kann, was er wie und wo vor dem Zugriff
der anderen verteidigen muss. Da ist das Hirn und das Herz voll von den Dingen
dieser Welt...aber Jesus findet dort keinen Platz in der Herberge.
Liebe Brüder und Schwestern! Das heißt nicht, dass wir ärmlich leben sollen.
Gewiss nicht. Diese Armut leben heißt nicht Armseligkeit. Diese Armut leben
heißt nicht, die Dinge, die wir haben, verkommen zu lassen, mit Löchern in den
Hosen und ungewaschenen Haaren herumzulaufen.
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Heiliger Abend 2016
Diese Armut leben heißt eher, nichts verkommen zu lassen, Weniges zu haben,
das aber gut zu pflegen und damit letztlich zufrieden zu sein, nicht dem neuesten
Schrei hinterher zu rennen. Zur Armut gehört es auch manchmal, den Ratschlag
zu befolgen, dass superbillig einzukaufen oft sehr teuer kommt, abgesehen
davon, dass wir ungewollt Ausbeutung in der Ferne oder hierzulande stützen.
Diese Form der Armut zu leben, ist in unserer konsumorientierten Gesellschaft
umzusetzen ist oft schwer. Das weiß ich aus eigener Erfahrung.
Jesus selbst hat aber diese Armut vorgelebt. Er lässt die übrig geblieben
Brotstücke nach der Speisung der Fünftausend nicht verkommen, sondern
einsammeln. Er trug ein für damalige Verhältnisse gutes, an einem Stück
durchgewebtes Gewand, um das die Soldaten ja bei seiner Kreuzigung
würfelten. Er wird dieses eine besessen und gut gepflegt haben.
In jener Gegend lagerten Hirten auf freiem Feld und hielten Nachtwache bei
ihrer Herde.
Die Hirten wachten. Wer meint, es sich mit seinem Besitz, seinem Ansehen, mit
seinen Fähigkeiten bequem machen zu können, wer nichts mehr von anderen,
sondern nur von sich und dieser Welt etwas erwartet, der wird schläfrig, träge.
Er genügt sich selbst.
Die Hirten hörten und sahen den Chor der Engel, die Bürger in ihren Häusern
und Schlafkammern nicht. Und so verpassten sie das Große, das Gott mit den
Menschen vorhat: selbst Mensch zu werden und uns zu erlösen.
Die Hirten hören die Botschaft, sie freuen sich über sie und - ganz wichtig : So
eilten sie hin und fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag.
Die Hirten eilten sicher auch aus menschlicher Neugier. Aber sicherlich auch in
Bewegung gesetzt durch die Freude über das Gehörte und darüber, dass sie
davon Zeugen sein durfen. Sie sehen - wie es ihnen gesagt wurde - ein Kind, das
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Heiliger Abend 2016
in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt. Mit ihren wachen inneren Augen,
sehen sie darin den Neuanfang den Gott für die Menschheit setzt. Sie sehen: Er
ist der Messias, der Herr.
Welche Menschen eilen heute, wenn es um die Dinge Gottes geht? Wenn etwas
Eile verdient - so will uns der Evangelist wohl im Stillen auch sagen - dann sind
es die Dinge Gottes.
In mir selber und auch viele andere spüren wohl eine gewisse Müdigkeit und
Trägheit, den Dingen Gottes die nötige Eile zu schenken. Wir finden auch
Entschuldigungen dafür: die viele Arbeit im Büro, der Stress in der Schule, die
Sorgen dieser Welt.
Die Hirten hätten auch Entschuldigungen gehabt: Wir können nicht los, die
Tiere müssen bewacht bleiben! Es ist dunkel! Wir sind müde! Am Feuer ist es
jetzt so schön warm! Das mit den Engeln haben wir uns nur eingebildet! Wir
könnten erst einmal einen anderen hinschicken und dann gucken wir weiter! Die
Hirten sind aber geeilt - und sie sind nicht enttäuscht worden. Sie wurden mit
Freude erfüllt. Mit übernatürlicher Freude! Sie haben das Heil der Welt gesehen!
Liebe Brüder und Schwestern!
Die Hirten können uns einen Weg weisen: Losgelöst vom Besitz, arm vor Gott
aber nicht armselig zu leben. Uns nicht nur in dieser Welt einzurichten, sondern
wachend das Größere zu erwarten. Den Dingen Gottes die nötige Eile zu geben.
Dieser Weg führt uns zur Krippe, fhrt uns dahin, wo Jesus ist:
Zu Jesus, der uns mit offenen Armen empfangen will, egal wie es um uns steht.
Zu Jesus, der uns in den Armen begegnet, die unsere Hilfe brauchen. Zu Jesus,
der uns in den Sakramenten der Kirche das Heil zuspricht, das wir uns nicht
selber zusprechen können. Amen.
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