von pilzen und vögeln im herbst 22. – 25. Oktober 2015 Reiseleitung: Chris und Andrea Engelhardt Begleitender Pilzberater: Reinhold Krakow Teilnehmerzahl: 7 Unterkunft: in einem Hotel in Rehna Mit dieser „Pilzreise“ tauchen wir ein in die vielfältige herbstliche Natur im landschaftlich schönen Nordwestmecklenburg. Unsere Exkursionen haben dabei zwei Schwerpunkte: In naturnahen Wäldern lernen wir eine Vielzahl unterschiedlichster Pilze kennen, und auf Wiesen und Gewässern beobachten wir die bereits eingetroffenen gefiederten Wintergäste aus dem hohen Norden. Pilze bilden – neben den Tieren und Pflanzen – das dritte große Reich der Natur. Während Fauna und Flora jedem ein Begriff ist, wird die Pilzwelt meistens unterschätzt. Leben auf unserem Planeten, wie wir es kennen, wäre ohne Pilze nicht möglich. Auf unserer Reise geht es nicht um das Sammeln von Pilzen für Kochtopf oder Pfanne, sondern um das Kennenlernen von Pilzen in ihrem Lebensraum. Bei geschätzten über 6000 Großpilzarten allein in Mitteleuropa (die Zahl der kleinen, nicht weniger wichtigen Pilze geht in die Zehntausende) tut sich bei näherem Hinsehen eine unglaubliche Vielfalt an Farben, Formen und Lebenswelten auf: Lamellenpilze und Porlinge, Ständerpilze und Schlauchpilze, Hutträger, Becher, Keulen und Krusten sorgen alle für den Kreislauf des Lebens im Wald. Auf unseren Exkursionen werden wir uns – meist unter Anleitung eines lokalen Pilzexperten - mit dem Kennenlernen und Bestimmen der Pilze beschäftigen. Nach dem Abendessen nehmen wir uns noch Zeit, unsere Funde zu besprechen, einmal Sporenfarbe zu bestimmen und einige der - oft bestimmungsrelevanten Mikromerkmale durch ein Mikroskop zu betrachten. 1.Tag - Anreisetag Nach einem reichhaltigen Begrüßungsimbiß, Vorstellung der Leiter und Teilnehmer sowie der Reiseziele starten wir am Nachmittag zu unserer ersten Exkursion in den acht Kilometer entfernten Botelsdorfer Wald. Das Gebiet ist für ein vielfältiges Pilzaufkommen bekannt. Insgesamt kommen wir nur wenige hundert Meter weit - immer wieder bleiben wir stehen, weil jemand einen neuen Pilz entdeckt hat, zu dem es von unserem lokalen Pilzexperten Reinhold Krakow jedes Mal eine Fülle an interessanten Informationen gibt: wie heißt der Pilz, woran erkennt man ihn, warum wächst er hier, was ist seine Aufgabe im Wald. Anhand mehrerer Exemplare des Gemeinen Safranschirmlings (Chlorophyllum rhacodes) lernen wir einiges über die großen und kleineren Schirmpilze, ein Stubben voller Gemeiner Stockschwämmchen (Kuehneromyces mutabilis) - eines begehrten Speisepilzes - regt uns an, uns die Unterschiede zu dem sehr ähnlichen, aber hochgiftigen Gifthäubling genau anzusehen. Der Hut eines kleinen Helmlings trägt ein Gewirr abstehender weißer Fäden - er ist von einem anderen Pilz, dem auf diese Gattung spezialisierten Helmlingsschimmel (Spinellus fusiger) befallen. Faulende Rotfüßchen (Xerocomellus chrysenteron) dagegen werden oft vom Goldschimmel (Hypomyces chrysospermus) überzogen. Wir finden reichlich Dunkle Hallimasch (Armillaria solidipes) und Nebelkappen (Clitocybe nebularis), am Beispiel des Graugrünen Milchlings (Lactarius blennius) lernen wir ein wichtiges Kennzeichen der Gattung kennen: sie sondern ein besondere "Milch" ab. Das tut auch der an dieser Eigenschaft leicht kenntliche Gelborangemilchende Helmling (Mycena crocata), während andere Vertreter der großen Helmlingsfamilie weit weniger leicht zu bestimmen sind. Für große Begeisterung sorgen schön gestaltete Judasohren (Hirneola auricula-judae), die typischerweise an einem Holunder wachsen. Mit der am Wegesrand mehrfach stehenden Herbstlorchel (Helvella crispa) mit ihrem eigentümlichen Wuchs lernen wir einen häufigen Ascomyzeten dieser Jahreszeit kennen und warum diese Pilze so heißen. Als es dämmrig wird und wir zu unseren Autos zurückkehren, haben wir immerhin 47 verschiedene Pilzarten aufschreiben können. Abends nach dem Abendessen vertiefen wir das Thema Pilze noch etwas. Ein mitgenommener Rehbrauner Dachpilz wird zum Aussporen abgelegt, um später die Sporenfarbe ermitteln zu können. Wir schauen ein wenig Pilz-Literatur an, die der Reiseleiter mitgebracht hat, und anhand von Fotos typischer Vertreter verschiedener Pilzgattungen lassen wir uns mitnehmen in die Vielfalt der Pilzwelt, in der es so unterschiedliche Formen gibt wie Röhrlinge und Blätterpilze, Bauch- und Leistenpilze, Schichtpilze, Krusten, Keulen, Korallen und Becher ... 2.Tag Unser Hotel liegt mitten in der Kleinstadt Rehna, direkt gegenüber der historischen Kloster-Anlage. Was liegt da näher, als uns auch dieses interessante Bauwerk einmal näher anzuschauen? Eine etwa einstündige Klosterführung bringt uns nicht nur die Geschichte des Klosters nahe, sondern erzählt auch einiges über den Werdegang der Stadt, in der wir uns befinden. Danach geht es auf zum Röggeliner See! Schon gleich bei der Ankunft entdecken wir zwei adulte Seeadler, die über lange Zeit hin- und herfliegen und offenbar Beute zu machen versuchen. Auf dem See selbst schwimmen Tausende von Wasservögeln, darunter sieben Enten-Arten, von denen Gruppen von Dutzenden bis Hunderten immer wieder auffliegen, um an anderer Stelle wieder zu landen. Ein herrliches Schauspiel an diesem sonnigen Oktobertag! Als beste Beobachtung des Vormittags können die ersten Zwergsäger der nahenden Wintersaison gelten - mindestens zwei Weibchen dieser nordosteuropäischen Art lassen sich in dem Getümmel der anderen Enten durch das Spektiv entdecken. Nach der Mittagspause in einem nahegelegenen Gasthof starten wir zu unserer Pilzexkursion. Der Woitendorfer Wald ist ein großes, abwechslungsreiches Waldgebiet, in dem schon über 1000 Pilzarten nachgewiesen wurden. Wieder lassen wir uns viel Zeit, die verschiedenen Pilzarten eingehend zu studieren, und unser Pilzexperte Reinhold Krakow erweist sich einmal mehr als geduldiger Erklärer und kompetenter Kenner auch vieler eher unscheinbarer Pilze. Am Ende des Nachmittags werden wir auf wenigen hundert Metern mehr als 70 verschiedene Pilzarten notiert haben! Einige zeichnen sich durch besondere Gerüche aus: etwa der knallrot behütete Heringstäubling (Russula xerampelina) mit seinem intensiven Fischgeruch, oder der Marzipanfälbling (Hebeloma radicosum), der nach eben dieser Lübecker Spezialität duftet. Als Höhepunkt sei eine Gruppe der beeindruckenden Halskrausen-Erdsterne (Geastrum triplex) genannt - die meisten aus unserer Gruppe haben damit zum ersten Mal Erdsterne gesehen! Und auch Korallen sind für viele neu, von denen können wir heute drei leicht kenntliche Arten notieren. Begeisterung löst auch ein kleiner Rasen nicht näher bestimmbarer Schleimpilze aus: winzige Kügelchen thronen auf kaum millimeterhohen Stielchen und muten an wie Wesen aus einem Science-Fiction-Film - und das mitten im mecklenburgischen Wald! Nach dem Abendessen bleiben wir wieder zusammen, um Pilze diesmal von einer besonderen Seite kennen zu lernen, nämlich einigen Mikro-Merkmalen. Der Reiseleiter hat ein Mikroskop samt Mikroskopkamera mitgebracht, und über Laptop und Beamer können wir zum Beispiel die Sporen des gestern gefundenen Rehbraunen Dachpilzes (Pluteus cervinus) einmal in Ruhe auf der Leinwand betrachten und mit einem Aufmaßprogramm ausmessen. Von einer heute gefundenen Herbstlorchel (Helvella crispa) schauen wir uns ein klitzekleines Stückchen Fruchtschicht an - sofort sind die für Ascomyzeten typischen Schläuche zu sehen, in denen sich jeweils acht Sporen befinden. Jetzt sieht man endlich einmal live und ganz plastisch, warum diese Abteilung des Pilzreiches Schlauchpilze genannt wird! Ein mitgenommener Beringter Edrritterling (Tricholoma cingulatum) dagegen zählt zu den Basidiomyzeten, den Ständerpilzen: seine Sporen reifen auf Ständerzellen, den sogenannten Basidien, von denen wir unter dem Mikroskop einige an einem Stück Lamellenschneide betrachten können. Neben dem Mikroskop hat sich inzwischen unser moosgepolstertes Pilztablett mit etlichen der bisherigen Funde gefüllt, die wir noch einmal in die Hand nehmen und in Ruhe betrachten können - in der Hoffnung, den einen oder anderen Pilz später wiederzuerkennen und mit dem richtigen Namen ansprechen zu können! 3. Tag Heute schließen wir uns einer öffentlichen Lehrwanderung an, die durch den Forst zwischen Grevesmühlen und Börzow führt. Mehr als 20 Teilnehmer sind gekommen. Da aber die meisten hauptsächlich daran interessiert sind, ihre Sammelkörbe mit Speisepilzen zu füllen, bleibt für uns reichlich Gelegenheit, uns von den beiden Pilzexperten, die diese Tour leiten, uns alles, was wir finden, auch erklären zu lassen. In dem heutigen Waldstück stehen weit weniger verschiedene Arten als am Tag zuvor, und vieles ist Wiederholung - was sehr gut ist, weil wir uns so die bereits kennengelernten Arten noch besser einprägen können. Nach so viel Waldwandern und Pilzarten tut es gut, daß wir uns am Nachmittag an den Strand der weiten Ostseebucht Wohlenberger Wiek begeben. Wir entdecken einzelne Pfuhlschnepfen und Große Brachvögel, nicht weit entfernt schwimmt ein Trupp Pfeifenten, und immer wieder tauchen auf der Wasserfläche Haubentaucher und - in noch größerer Zahl - Ohrentaucher auf. Die sind manchmal knifflig zu beobachten, weil sie immer wieder ab- und an anderer Stelle wieder auftauchen, sodaß es eine Weile dauert, bis jeder sie gut im Spektiv gesehen hat. Ein langes Band schwarzer Punkte weit draußen erweist sich beim Näherkommen als riesiger Trupp aus Reiher- und Bergenten - wir schätzen deren Anzahl auf fünf- bis siebentausend Vögel. Und als Sahnehäubchen zeigt sich auch noch eine frühe Eisente! Hoch zufrieden kehren wir zu einem kurzen Kaffeetrinken ein. Den Abschluß des Tages bildet ein Abstecher nach Wismar, wo wir den "Steinpilz" besuchen, die wahrscheinlich deutschlandweit einzige ganzjährig geöffnete Ausstellung von Frischpilzen. Viele der dort gezeigten Exemplare kennen wir jetzt und können sie auf Anhieb mit richtigem Namen ansprechen. Bei der abendlichen Auswertung sind wir uns einig: diese Reise hat uns viel gebracht, sie hat Spaß gemacht, und wir haben eine Menge Neues und Interessantes über das Reich der Pilze gelernt! 4. Tag Nach dem Frühstück verabschieden sich die meisten Teilnehmer, denn sie haben noch einen weiten Heimweg vor sich. Der Rest bricht noch zu einer zweistündigen Exkursion in das nahegelegene Löwitzer Holz auf, das erfahrungsgemäß immer für Überraschungen gut ist. Heute geht es nicht darum, möglichst viele Arten auf die „Liste“ zu bekommen. Vielmehr nehmen wir uns Zeit, ausgiebig zu beobachten, zu genießen und noch ein paar schöne Pilzfotos zu machen. Dazu finden sich in den von der Herbstsonne durchleuchteten Wald zahlreiche Motive. Aber auch ein besonderer Fund ist noch dabei: ganz überraschend stehen da plötzlich ein paar der urtümlich anmutenden Herkuleskeulen (Clavariadelphus pistillaris) – ein Pilz, den selbst der Reiseleiter bisher nur von Ausstellungen kannte, aber noch nie zuvor in freier Natur gesehen hatte. Zu den Rufen von Kleiber und Buntspecht fotografieren wir noch junge Grünspanträuschlinge (Stropharia aeruginosa) und schön gewachsene Buckeltrameten (Trametes gibbosa), dann geht unsere erste „Pilzreise“ zu Ende. Wir haben in diesen vier Tagen 123 Pilz-Arten gefunden und 51 Vogelarten notiert. Vor allem aber sind wir eingetaucht in ein faszinierendes Stück Natur, haben uns mitnehmen lassen in die unglaublich formen- und artenreiche Welt der Pilze und die im Herbst besonders schöne nordwestmecklenburgische Landschaft genossen. Das wollen wir im nächsten Jahr gerne wiederholen! Alle Arten und Beobachtungen dieser Reise stehen wie immer auf www.naturgucker.de/birdingtours. Am besten dort filtern nach „geografie: Deutschland – Mecklenburg-Vorpommern – NWM“. Viel Spaß! Chris und Andrea Engelhardt, Lübeck
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