Empfehlung zum Umgang mit Scheidung und

Empfehlung des Vertrauensrates der Pastorenschaft
zum Umgang mit Scheidung und Wiederverheiratung
Seelsorgerliche Hilfen
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Vorbemerkungen
1.1 In unserer Gesellschaft gilt es mehr und mehr als ,,normal“, eine Ehe im Krisenfall zu scheiden. Auch in unseren Gemeinden nehmen wir wahr, dass die gesellschaftliche Praxis mitunter stärker prägt als das biblische Verständnis der lebenslangen Ehe. In dieser Lage ist es unverzichtbar und hilfreich, letzteres neu herauszustellen.
Im Rahmen dieses biblischen Verständnisses ist ein Weg der seelsorgerlichen Aufarbeitung von ehelichen Krisensituationen einzuschlagen.
1.2 Wir halten an dem biblischen Verständnis der lebenslangen Ehe fest, beobachten aber, dass auch Ehen von
Pastorinnen und Pastoren unseres Bundes scheitern.
1.3 Deshalb muss eine Orientierung gefunden werden, die vom biblischen Eheverständnis ausgeht und mit den
aktuellen Problemen in seelsorgerlicher Weise umgeht.
2.
Scheidung
2.1 Die Ehe ist im AT und im NT die auf Lebenszeit geschlossene Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau
für ein gemeinsames Leben, das die geschlechtliche Vereinigung, die Zeugung und Erziehung von Kindern und
die wirtschaftliche Einheit mit einschließt (1. Mose 2, 24). So ist sie von Gott, dem Schöpfer, dem Menschen als
Hilfe zum Leben gegeben und gesegnet worden (1. Mose 2,18). Deshalb soll sie der Mensch nicht scheiden,
wie Jesus in Mt 19 als Antwort auf die Frage nach der Scheidung bestätigt.
2.2 Trotz der beträchtlichen Unterschiede in der Art, wie Ehen in biblischer Zeit und heute geschlossen und gelebt
werden, ist das, was die Bibel über das verbindliche Zusammenleben von Mann und Frau sagt, auf die heutige
Institution der Ehe anwendbar. Ehe ist einerseits privat, weil die Beteiligten diese Beziehung persönlich eingehen, und andererseits öffentlich, weil sie von der Gesellschaft anerkannt und geschützt werden muss.
2.3 Die Ehe als Gemeinschaft auf Lebenszeit ist eine Ordnung Gottes, die auch heute gilt. Weil Gott den Menschen
aber auch in seinem Versagen kennt, wird im AT und auch bei Jesus die Scheidung einer Ehe nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Jesus und Paulus akzeptieren sie allerdings nur als allerletzte Möglichkeit und knüpfen sie entgegen der damaligen laxen Ehemoral an bestimmte Bedingungen (Mt 19, 9 und 1. Kor 7, 12ff.).
2.4 Eine Ehe kann bei „porneia“ geschieden werden (Mt 19, 9). Jesus bezieht sich vermutlich auf die Prostitution
eines Ehepartners. Diese Bestimmung kann sinngemäß auch auf fortwährende Untreue, seelische Grausamkeit
oder Gewalt in der Ehe ausgedehnt werden. Damit sind dauerhafte Verhaltensweisen gemeint, die eine Fortsetzung der Ehe nicht zumutbar machen. Dieses Verständnis gewinnen wir, weil wir davon ausgehen, dass
schon Paulus in 1. Kor 7 die Einschränkung Jesu aus Mt 19, 9 auf eine neue Situation hin interpretiert hat.
2.5 Solche Situationen lassen sich mit dem Begriff ,,Notordnung“ umschreiben. Notordnung meint nicht die schöpfungsgemäße Struktur der Ehe, sondern regelt den Umgang mit dem Scheitern. In der Schöpfungsordnung sehen wir das Gebot Gottes, in der Notordnung den letzten Ausweg aus dem Zerbruch. Wo als äußerste Möglichkeit die Scheidung erfolgt, „wird Sünde geordnet, aber das Gebot bleibt in Kraft“ (M. Seitz).
3
Wiederheirat
3.1 Die Wiederheirat nach einer Scheidung war zur Zeit Jesu nahezu selbstverständlich, denn die verstoßene Frau
bekam den Scheidebrief deswegen, um wieder heiraten zu können.
3.2 Wenn Jesus dagegen die Scheidung einschränkt, gilt das auch für die Wiederheirat. Wo aber die Scheidung
nicht ausgeschlossen wird, gilt das für die Wiederheirat ebenso. Auch Paulus argumentiert so: „Der Bruder oder
die Schwester ist nicht gebunden in solchen Fällen“ (1. Kor 7, 15b).
3.3 Wer Scheidung und Wiederheirat im Sinne von Jesus und Paulus weder allgemein akzeptiert noch grundsätzlich ausschließt, muss prüfen, ob eine Situation vorliegt, die die Notordnung rechtfertigt. Damit wird es möglich,
eine dem biblischen Eheverständnis entsprechende Hilfe und Wegfindung anzubieten, ohne dem gesellschaftlichen Trend nachzugeben.
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Scheidung und Wiederheirat bei Pastoren und PastorInnen
4.1 Nach unserem Bibelverständnis gibt es keinen speziellen geistlichen Stand, sondern die Berufung Einzelner zu
einer Aufgabe in der Gemeinde, die eine hauptamtliche Tätigkeit notwendig macht. Deshalb kann die Scheidung und Wiederheirat bei Pastoren und Pastorin nicht grundsätzlich anders beurteilt werden als bei den anderen Mitgliedern der Gemeinde.
4.2 Mit der Berufung in einen besonderen geistlichen Dienst ist auch eine besondere Vorbildfunktion verbunden.
Deshalb ist es gerade bei einer Scheidung von Pastorinnen und Pastoren wichtig, dass Zeit und Raum gefunden werden, den Zerbruch der Ehe dementsprechend aufzuarbeiten. Dies wird in der Regel außerhalb eines
Gemeindedienstes geschehen.
4.3 Die Folgen des Zerbrechens einer Ehe werden sehr unterschiedlich sein: Es kann eine Erneuerung der gescheiterten Ehe geben, die endgültige Trennung, ein Verbleiben im Alleinleben oder eine neue Beziehung nach
Aufarbeitung der Krise. Keine dieser Folgen macht einen Pastor/eine Pastorin grundsätzlich auf Dauer dienstuntauglich; denn es geht bei der Wiederaufnahme eines Dienstes in erster Linie um die Frage, ob es zu Aufarbeitung, Vergebung und Bestätigung der Berufung gekommen ist.
Die Gemeinde 6/2000