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Gedenkfeier zur Erinnerung an ein Massaker der Deutschen Wehrmacht
in Borova/Südalbanien am 6. Juli 1943
Ansprache
Botschafter Hellmut Hoffmann
Botschaft der Bundesrepublik Deutschland
Borova, 5. Juli 2015
Sehr geehrte Bewohnerinnen und Bewohner von Borova,
Sehr geehrte Ehrengäste,
Sehr geehrte Damen und Herren,
für die Einladung zur Gedenkfeier in Borova möchte ich mich sehr herzlich bedanken.
Wie schon im letzten Jahr folge ich ihr gern.
An meine ausführliche Ansprache vom Vorjahr anknüpfend, will ich einige mir am Herzen
liegende Dinge sagen.
Wir kommen heute in Borova zusammen, um an das schlimmste Verbrechen der Deutschen
Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg in Albanien zu erinnern und seiner Opfer zu gedenken.
Vor 72 Jahren, am 6.Juli 1943, haben deutsche Soldaten als Vergeltung für einen kurz zuvor
erfolgen Partisanenangriff 107 Menschen in diesem idyllisch gelegenen Dorf grausam getötet,
darunter Frauen und Kinder.
Es ist richtig und notwendig, an solche schmerzlichen Geschehnisse zu erinnern.
Und es ist mir wichtig, an diesem Tag als deutscher Botschafter bei Ihnen zu sein und zu
Ihnen zu sprechen, auch wenn dies nicht leicht fällt, denn an diesem Tag und an diesem Ort
kann man als Deutscher nur Scham über das Geschehene empfinden, auch wenn wir als
Nachgeborene keine persönliche Schuld tragen.
Die Katastrophe, die die nationalsozialistische Gewaltherrschaft zuerst über die Welt und
schließlich über Deutschland selbst gebracht hat, wird Teil unserer Erinnerung bleiben.
Es ist eines der großen Wunder der europäischen Versöhnung, dass es schon seit Jahrzehnten
gute Tradition ist, dass sich Menschen betroffener Völker und Deutsche der Erinnerung an
solch schreckliche Geschehnisse gemeinsam stellen können.
Dafür sind wir sehr dankbar.
Solche Erinnerung ist auch deshalb wichtig, weil in unserer Zeit kriegerische Gewaltexzesse,
heute oft in vielfältigen Formen des Terrorismus, leider eher zu- als abzunehmen scheinen.
Ein kurzer Blick in die Zeitungen zeigt dies unmittelbar.
Kaum eine Woche vergeht, in der nicht Kunde von schlimmsten Vorfällen mit vielen Opfern
zu uns dringt.
Und je länger dies anhält, umso mehr drängt sich der Eindruck einer immer mehr um sich
greifenden Gewöhnung an diese Entwicklung auf.
Vielleicht mag mancher es für naiv oder übermäßig optimistisch halten, aber ich glaube an die
Kraft der Aufklärung in dem Sinne, dass Menschen, die um die Exzesse in der Vergangenheit
wissen, sich von Predigern des Hasses und der Gewalt weniger leicht verführen lassen.
Wer sich ein Bild davon macht, was Menschen angetan wurde, wird besser verstehen, wie
wichtig es ist, das Leben, die Rechte und die Würde aller Menschen zu achten und zu
verteidigen.
Wenn jeder diese Einsicht von einem solchen Tag der Erinnerung für sich mitnimmt, dann ist
schon etwas gewonnen.
Meine Damen und Herren,
Albanien hat über ein halbes Jahrhundert schlimme Gewaltherrschaft erleiden müssen.
Über Jahrzehnte war es von Europa und der Welt nahezu völlig abgeschlossen.
Daher hat sich Albanien erst mit großer Verspätung in das bereits in den 40er Jahren des
letzten Jahrhunderts begonnene Werk der Versöhnung und des Aufbaus eines Europas des
Friedens, der Freiheit, des Wohlstands und der Solidarität einbringen können.
Umso mehr ist es Grund zu großer Freude, dass Albanien heute, 25 Jahre nach Überwindung
der Diktatur, zu den engagierten Vorkämpfern der europäischen Integration gehört.
Denn dies ist die zentrale Lehre, die wir aus den Schrecknissen der Vergangenheit ziehen
sollten, wo immer sie sich zugetragen haben – sei es in Borova im 2.Weltkrieg oder sei es
während der blutigen Konflikte auf dem Balkan, die nur wenige Jahre zurückliegen:
Nur im vertrauensvollen Miteinander sichern wir für uns und unsere Kinder eine gute
Zukunft.
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Es ist deshalb gut, dass sich Albanien auf den Weg in die Europäische Union gemacht hat und
je energischer es die erforderlichen Reformen anpackt, umso zügiger wird es vorankommen.
Deutschland unterstützt Albanien auf seinem europäischen Weg in vielfältiger Weise, denn
Deutschland und Albanien sind seit Jahrzehnten enge und freundschaftlich verbundene
Partner.
Gerade vor diesem Hintergrund freue ich mich mit vielen Albanern sehr, dass die deutsche
Bundeskanzlerin, Angela Merkel, in wenigen Tagen Albanien besuchen wird.
Dass sie sehr freundlich empfangen wird, steht für mich außer Zweifel, so wie ich die überaus
positive Einstellung von Albanern gegenüber Deutschland und ihre besondere Wertschätzung
für die Bundeskanzlerin kennengelernt habe.
Wenn wir uns dies vergegenwärtigen, dann können wir, die wir uns heute zum Gedenken in
Borova versammelt haben, ermessen, welche große Wegstrecke Albaner und Deutsche
zurückgelegt haben – und auf diesem Weg wollen wir entschlossen weiter gemeinsam
voranschreiten!
Ich danke Ihnen.
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