Dr. Cornelia Zierau / Martina Kofer Interkulturelles, sprachliches und

DR. CORNELIA ZIERAU
E-Mail: [email protected]
MARTINA KOFER
E-Mail: [email protected]
Institut für Germanistik und Vergleichende Literaturwissenschaft
Fakultät für Kulturwissenschaften
plaz.upb.de/vielfalt-staerken
ZIELE
FÖRDERUNG EINES SUKZESSIVEN KOMPETENZAUFBAUS IM BEREICH INTERKULTURALITÄT, DAZ UND MEHRSPRACHIGKEIT IN DER LEHRERAUSBILDUNG
Sprachliche und kulturelle Heterogenität in der Lehrerausbildung nutzen lernen
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Sprachförderung von Kindern mit Migrationshintergrund
Curriculare Verankerung des Sprachförderangebots in den neuen Praxisphasen des Lehramts, BA und MA:
Orientierungspraktikum, Berufsfeldpraktikum, Praxissemester
Entwicklung von Lehr-/Lernmodulen zu Interkulturalität, DaZ und Mehrsprachigkeit
Entwicklung eines fächerübergreifenden und schultypen-spezifischen DaZ-Angebots in Zusammenarbeit mit den
Fachdidaktiken
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Studentische Förderlehrkräfte aller Fächer unterrichten an 10 Schulen in Stadt und Kreis Paderborn/Kreis Höxter
Sensibilisierung der Studierenden für die Themen DaZ, Mehrsprachigkeit, Interkulturalität
Schulung der Förderlehrkräfte über das reguläre DaZ-Angebot hinaus
Etablierung sprachsensiblen und schultypenspezifischen Fachunterrichts
Erprobung von sprachsensiblen Materialien im Fach naturwissenschaftlicher Sachunterricht im Förderunterricht
AUFGABEN
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Zusammenarbeit von PLAZ und Fachdidaktiken zur Schaffung von Praxisangeboten im Bereich Interkulturalität, DaZ
und Mehrsprachigkeit
Entwicklung von Leitfäden unter dem Aspekt Interkulturalität, DaZ und Mehrsprachigkeit für die Portfolioarbeit in den
Praxisphasen
Zusammenarbeit mit Fachdidaktiken zur Schaffung und Etablierung eines schultypenspezifischen und
fächerübergreifenden Lehrangebots zu Interkulturalität, DaZ und Mehrsprachigkeit
Entwicklung und Erprobung von Lehr-/Lernformaten
Kooperation mit dem ZfsL zur Harmonisierung der DaZ-Ausbildung in beiden Phasen der LA-Ausbildung im Sinne
eines sukzessiven Kompetenzaufbaus
Pilotierung eines sprachsensiblen naturwissenschaftlichen Sachunterrichts in der Grundschule in Zusammenarbeit
mit der Fachdidaktik naturwissenschaftlicher Sachunterricht: Entwicklung, Erprobung und Evaluierung von
Unterrichtsmaterialien
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Förderlehrkräfte auswählen und qualifizieren
Zusammenarbeit mit den Schulen zur Etablierung einer fächerübergreifenden Sprachförderung und zur Adaption des
Förderunterrichts an die Praxisphasen des Lehramtes, BA und MA
Eingangsworkshops und Begleitseminare zum Förderunterricht sowie zu den Praxisphasen unter dem Aspekt
Interkulturalität, DaZ und Mehrsprachigkeit entwickeln und durchführen
Förderlehrkräfte durch Hospitationen und Unterrichtswerkstätten begleiten
Regelmäßige Reflexionstreffen mit allen Projektbeteiligten durchführen
Evaluation von Begleitveranstaltungen und Unterricht
Sinnvolle Förderpläne erstellen
SPRACHFÖRDERUNG UND (INTERKULTURELLER) LITERATURUNTERRICHT
„[D]ie TEILHABE AN DER ‚SCHULISCHEN
BILDUNGSSPRACHE’“ ist „die zentrale didaktische
Herausforderung in der Unterrichtung sprachlichkulturell
heterogener
Schülergruppen[…].“
(Schründer-Lenzen 2009: 122) Dazu gehört vor
allem der Erwerb solider Schriftsprache, wozu
eine spezifische Grammatik und fundierte
Textsortenkenntnisse
in
Rezeption
und
Produktion zählen.
 Literarische Texte können als Vorbilder einer
soliden Schriftsprache dienen.
Insbesondere im Kontext interkultureller Literatur
gibt es Aspekte von MEHRSPRACHIGKEIT, „die den
Gebrauch mehrerer Sprachen oder Sprachvarietäten innerhalb einer Sprache nicht nur
dokumentieren, sondern ihn auch kommentieren,
reflektieren oder überhaupt erst neu schaffen“
(Rösch 2011: 97f.).
 Teilbereiche der Deutsch-Curricula lassen sich
verbinden, indem über den Umgang mit
literarischen Texten Sprachaufmerksamkeit
und Sprachreflexion gefördert werden.
 Formen von Mehrsprachigkeit laden zu
Sprachvergleichen und der Auseinandersetzung mit Sprachen ein.
 Eine Sensibilisierung für (alltägliche) Mehrsprachigkeit findet statt.
In einer „DIDAKTIK DER LITERARIZITÄT“
(Dobstadt/Riedner 2013) verbindet sich literarisches und sprachliches Lernen (vgl. auch Belke
2011, Schmölzer-Eibinger 2011, Rösch 2006).
Statt reiner Inhaltsanalyse wird das Augenmerk
auch auf die sprachliche Ausgestaltung in
literarischen Texten gelenkt.
 Literarische Texte helfen, Schülerinnen und
Schülern für die Nutzung verschiedener
Sprachvarietäten sowie für Merkmale und
Funktionen von konzeptioneller Schriftlichkeit
und Mündlichkeit zu sensibilisieren.
Defizitursachen im Lesen sind nicht nur auf mangelnde
Sprachkompetenz, sondern auch auf monokulturelle
Unterrichtsinhalte zurückzuführen (vgl. Edele/Stanat/Radmann/Segeritz 2013: 107) Gezielte Literaturauswahl in
einem interkulturellen Deutschunterricht kann „VERSCHIEDENE SUBJEKTPOSITIONEN ERMÖGLICHE[N]“ (Dirim/Eder/Springsits 2013: 121), zur MOTIVATIONSFÖRDERUNG, zur Erzeugung subjektiver Betroffenheit und Beteiligung und mittelfristig zur Verbesserung von Lese- und Textkompetenz
beitragen.
 Mit literarischen Texten können „Kategorien des
Andersseins und Anders-gemacht-werdens“ aufgegriffen, kritisch diskutiert und reflektiert werden (Fürstenau/
Gomolla 2009: 14; vgl. Rösch 2006 und 2013;
Dirim/Eder/Springsits 2013)
 Schülerinnen und Schüler können die eigene Verortung
und multiple Identität wiedererkennen und reflektieren.
LITERATUR kann IM FACHUNTERRICHT eingesetzt
werden.
 Über geeignete literarische Texte bzw.
Textstellen lässt sich ein subjektiver Zugang
und somit Motivationssteigerung und höhere
Beteiligung an spezifischen Sachthemen des
Fachunterrichts initiieren.
 Sachthemen werden vorentlastet und in ihrer
Alltagsnähe und ihrem Subjektbezug
verdeutlicht.
SPRACHLICHES UND LITERARISCHES
LERNEN IM DEUTSCHUNTERRICHT
Curriculare Verortung/Unterrichtspraktische Überlegungen
Durch Fokussierung der im literarischen Text funktional eingesetzten narrativen
Strategien der konzeptionellen Mündlichkeit und Schriftlichkeit lassen sich die
Teilbereiche „Umgang mit literarischen Texten“ und „Sprachreflexion“ der DeutschKerncurricula der Sek. I verbinden. Sprachreflexion im Sinne von ‚language awareness‘
beruht maßgeblich darauf, Formaspekte einer Sprache bewusst zu beobachten (vgl. A.
Knapp 2010: 296; Schweiger 2014: 4ff.) Die Schülerinnen und Schüler werden
angeregt, die unterschiedlichen Sprachvarietäten wahrzunehmen und in ihrer
Gestaltung zu untersuchen. Durch handlungsorientierte und produktive Verfahren
können die Schülerinnen und Schüler weitergehend selber Sprachvarietäten gestalten,
indem sie Rollenbiographien verfassen, Figuren im Rollenspiel darstellen oder die
Dialoge umschreiben: Wie würde Maik die Geschichte z.B. seinen Eltern oder seinem
Lehrer erzählen?
Wird der Textauszug unter dem Aspekt „Sprache als Mittel der Verständigung“
betrachtet, können Schülerinnen und Schüler den Dialog auf seine Ge- bzw.
Misslingensbedingungen hin untersuchen. Sie können Ursachen für die
Kommunikationsstörungen herausarbeiten sowie eigene Dialoge verfassen, in denen
die Kommunikation aufgrund veränderter Gesprächsführungen gelingt
Tschick fragte ihn, wo denn hier der Norma wäre, und der
Junge lächelte entweder sehr verwegen oder sehr ahnungslos.
Er hatte unglaublich viel Zahnfleisch. „Wir kaufen nicht im Supermarkt“,
erklärte er bestimmt. „Interessant. Und wo ist er?“ „Wir kaufen immer bei
Froehlich.“„Ah, bei Froehlich.“ Tschick nickte dem Jungen zu wie ein Cowboy,
der dem anderen Cowboy nicht wehtun will. „Aber uns würde interessieren,
wo es hier zum Norma geht.“ [...] „Da ist Froehlich! Da kaufen wir immer ein.“
„Phantastisch“, sagte Tschick. „Und jetzt nochmal ungefähr der Supermarkt?“
[...] „Was wollt ihr denn da?“ „Was wollen wir denn da? Maik, Maiki, was wollten
wir nochmal im Supermarkt?“ „Wollt ihr einholen? Oder nur gucken?“, fragte
der Junge. „Gucken? Gehst du in den Supermarkt, um zu gucken oder was?“
„Komm, lass uns weiter“, sagte ich, „wir finden den auch so.
Wir wollten Essen kaufen.“
(Tschick: 127/128)
Die Dialoge weisen viele Merkmale des mündlichen
Sprachgebrauchs auf:
 umgangssprachliche Wendungen, Wiederholungen, Ellipsen,
parataktischen Satzbau, einfacher, wenig elaborierter Wortschatz, …
 wird der Textauszug unter pragmatischen Gesichtspunkten betrachtet,
werden Kommunikationsstörungen sichtbar.
FÄCHERÜBERGREIFENDES LERNEN
Curriculare Verortung/
Unterrichtspraktische Überlegungen:
Überschneidungspunkte in den Curricula können dazu
genutzt werden, einen maximalen Lernerfolg im Fachwissen
wie in der sprachlichen Förderung zu erzielen. Fachinhalte
und Lernstrategien sollten in der Praxis ergänzend didaktisch
vermittelt werden. Das bedeutet in der Konsequenz, dass
sich der Deutschunterricht für ein fächerübergreifendes,
sprach-intensives Lernen öffnen muss. Konkrete
Anknüpfungspunkte an die Curricula:
Fach Physik:
Das „Gesetz der kommunizierenden Röhren“ ist Teil der
naturwissenschaftlichen
Curricula
verschiedener
Schulformen der Sek. I.
Im
Fach
Physik
könnte
die
paradigmatische
Herangehensweise an das Thema durch einen Sachtext
und/oder einen Versuch um einen alltagsweltlichen und –
sprachlichen Bezug erweitert und so Spracharbeit vertieft
werden.
Fach Deutsch:
Förderung der Sprachreflexion: „Sprachen in der Sprache“
kennen und in ihrer Funktion unterscheiden: z. B.
Standardsprache, Umgangssprache, Dialekt; Gruppensprachen, Fachsprachen; gesprochene und geschriebene
Sprache, Mehrsprachigkeit.
Im Sinne eines handlungsorientierten Unterrichts könnte im
Fach Deutsch ein physikalischer Versuch durchgeführt
werden. Anhand einer sachlichen Beschreibung könnten
zudem Fachvokabular und –wissen aus dem Bereich Physik
vertieft und wiederholt werden.
In dem Topf war Wasser, und über den Rand vom Topf floss
das Wasser über einen Schlauch glatt raus. Das beruhte
auf irgendeiner physikalischen Kraft.
„Was willst du mir erzählen?
Dass das Wasser von unten nach oben läuft?“ „Du musst
ansaugen.“
„Noch nie was von Erdanziehung gehört? Das läuft nicht
nach oben.“ […]
„Das ist ein physikalisches Gesetz. Das hat auch
einen Namen, irgendwas mit
Kräfte. Und Röhren. Kräfte-irgendwas-Gesetz.“
(Tschick: 146 f.)
Die Situationsbeschreibungen aber sind Beispiele literar-ästhetischer Sprache:
 Der „Junge“ wird mit Hilfe elaborierter Adjektive als entweder „sehr
verwegen“ oder „sehr ahnungslos“ beschrieben.
 Über Beschreibungen werden Bilder evoziert: Der Junge ist jemand, der
„unglaublich viel Zahnfleisch“ hat. Der metonymische Verweis auf
gesunde Ernährung muss von den Schülerinnen und Schülern
erst entschlüsselt werden,
 Ebenso muss der Vergleich: „Tschick nickte dem
Jungen zu wie ein Cowboy, der dem anderen Cowboy
nicht wehtun will“ erst erschlossen werden.
Didaktisch-methodische Überlegungen:
Eine zu starke Verwissenschaftlichung der Themen und fehlender
Alltagsbezug kann zum Motivationsverlust der Lernenden führen. Der
nicht-narrative und sprachlich verallgemeinernde Charakter der Texte
verhindert eine Orientierung an der konkreten Lebenswelt der
Schülerinnen und Schüler. Der fehlende Alltagsbezug könnte gerade
durch die Verbindung mit literarischen Texten initiiert und dadurch die
Lernmotivation gesteigert werden. Vor allem Texte der
Adoleszenzliteratur die mit umgangssprachlichen Ausdrucksformen und
damit konzeptioneller Mündlichkeit arbeiten, eignen sich für den Einstieg
in die Sachthemen. Im nächsten Schritt kann dann auf die Fachbegriffe
übergeleitet werden, um die notwendigen „kognitiv-akademischen
Sprachfähigkeiten“ (Cummins 1979) zu trainieren. Der literarische Text
kann hier als Brücke zur Welt dienen, indem man nicht zuvordererst
fachsprachliche Diskurse dazu nutzt, um auf Alltag und Lebenswelt zu
verweisen, sondern gerade umgekehrt von der alltäglichen Lebenswelt
auf die Fachsprache überleitet. Der literarische Text könnte so Teil einer
„narrativen Didaktik“ (Schmölzer-Eibinger et. al. 2013: 78) sein, die in
allen Fächern für einen sprachsensiblen Unterricht genutzt werden
könnte.
Didaktisch-methodische Überlegungen
Im Roman Tschick spielt Sprache insofern eine große Rolle, als die Erlebnisse und
Erfahrungen der beiden Protagonisten in Dialogen und Monologen der Figuren reflektiert
werden:
 Über die Dialogizität erhält der Roman viele Merkmale von Jugendsprache und wirkt
lebendig und authentisch (Merkmale der Face-to-Face-Kommunikation)
 Aber auch sprachliche Bilder und Wortspiele sind zentral (Merkmale gehobener
Schriftsprachlichkeit)
 Damit weist der Text neben der funktional eingesetzten Mündlichkeit in den Dialogen im
Erzählen ebenso Aspekte von Schriftlichkeit auf, die den Schülerinnen und Schülern in
ihrer Elaboriertheit und Literarizität nahe gebracht werden müssen.
 Schülerinnen und Schüler erkennen und erfahren die Unterschiede verschiedener
sprachlicher Varietäten, was einen wesentlichen Aspekt von Textkompetenz
ausmacht.
 Schülerinnen und Schüler lernen Sprachvarietäten nicht als höher- oder
minderwertig kennen, sondern kommen zur Erkenntnis der funktionalen
Unterschiede von Schriftlichkeit und Mündlichkeit (vgl. auch Dohrn 2007: 131).
 Die Dialogizität und konzeptionelle Mündlichkeit des Textes bietet auch die
Möglichkeit des „Scaffolding“ (Gibbons 2010), indem ausgehend von der den DaZSchülerinnen und Schülern vertrauten verschriftlichten Mündlichkeit andere
Formen der Schriftsprache eingeführt und geübt werden.
 Das Beispiel zeigt, dass der Einsatz von Literatur im DaZ-Unterricht sowohl
Alltagssprache als auch literarische Sprache aufgreifen kann und somit die „ästhetische
Dimension der Literatur“ nicht ausgeklammert wird (vgl. Rösch 2006: 94 und 2011: 102ff.,
Dobstadt/Riedner 2013: 238ff.).
MEHRSPRACHIGKEIT IM LITERATURUNTERRICHT
Curriculare Verortung/Unterrichtspraktische Überlegungen
Die Einarbeitung der Nachrichtenzettel auf Türkisch regt vielfältige
Unterrichtsmöglichkeiten zur Entwicklung von Sprachbewusstsein an. Die auf kleinen
Zetteln abgedruckten Nachrichten im Buch können isoliert im Unterricht eingesetzt
werden. Schülerinnen und Schüler diskutieren, was die Nachrichten bedeuten könnten.
Türkisch sprechende Schülerinnen und Schüler, die den eigentlichen Sinn der Nachricht
verstehen, halten sich zunächst zurück. Ihnen kann vermittelt werden, dass sie das
Geheimnis hüten müssen und es ggf. später auflösen dürfen. Mehrsprachigkeit wird als
Bonus empfunden.
 Die Schülerinnen und Schüler kontrastieren Eriks deutsche lautmalerische
Interpretation mit der schriftlichen türkischen Version an der Tafel. Dabei sollten die
Nachrichten in beiden Sprachen so visualisiert werden, dass sie die Unterschiede
sehen und analysieren können:
Bsp.:
Bellek aynı karpuz inan
Belle kaynı karpuzin an
Belle keine Kapuzen an
 Übungen/Wiederholungen zu grammatikalischen und orthographischen Phänomenen:

Auf morphologischer Ebene: Wiederholung der Imperativform

Wiederholung Pluralbildung: Erik überträgt die Lautstruktur „karpuzin“ als
„Kapuzen“, Eine Pluralbildung mit „in“ am Ende gibt es im Deutschen
jedoch nicht, weshalb hier keine regelkonforme Bildung vorliegen kann.

Orthografie/Phonologie: die gleiche Aussprache mit unterschiedlicher
Semantisierung im Türkischen und Deutschen wird verglichen: ei – ay. Die
Schülerinnen und Schüler erkennen, dass es ein ay in der deutschen
Schriftsprache so nicht gibt.

Wiederholung der Großschreibung von Nomen.
Mit Hilfe der einmal entwickelten Systematik können die Schülerinnen und Schüler die
Nachrichten analysieren bzw. entschlüsseln. Jede Nachricht hat dabei neues
orthografisches bzw. grammatikalisches Potential (Vgl. ausführlicher Zierau/Kofer 2012).
Das Kinderbuch Geheimnisvolle
Nachrichten von Aygen-Sibel Çelik verarbeitet
Elemente der türkischen Sprache so funktional,
dass die Lesenden in die Auseinandersetzung mit dieser
Sprache hineingezogen werden:
Der Protagonist Erik findet auf dem Heimweg kleine Zettel mit kurzen
Notizen auf Türkisch, die er aber wegen seiner Leseschwäche nicht als
„fremde“ Wörter erkennt, sondern versucht, sie in der deutschen
Sprache zu semantisieren. Ein Beispiel:
Eriks Defizit – die Leseschwäche – in Verbindung mit einer „deutschen“
Aussprache der Notiz bewirken eine fantasievolle Decodierung der
türkischen Wörter:
Aus „bellek aynı karpuz inan“ (dt. „das Gedächtnis eine
Melone“, Çelik 2008: 102), wird so „Belle keine Kapuzen an!“
(Çelik 2008: 17) ein kurzer Befehl, den Erik als
direkte Aufforderung
an sich versteht.
Didaktisch-methodische Überlegungen
Leseangebote, die mit Mehrsprachigkeit operieren, laden auf
der linguistischen Ebene zur Sprachreflexion ein. Durch
Sprachvergleiche nehmen Schülerinnen und Schüler die
Besonderheiten des Deutschen wie der anderen Sprachen
klarer wahr. „Sie stolpern über Missverständnisse oder falsch
verwendete Begriffe, werden aufmerksam auf Unterschiede
und Ähnlichkeiten zwischen den Sprachen […] und entwickeln
Hypothesen über Sprachen und Sprachenlernen […]“
(Budde/Riegler/Wiprächtiger-Geppert 2012: 33).
Auf der Persönlichkeitsebene werden Anstöße zur
Identitätsbildung und –stärkung gegeben. Insbesondere
Schüler und Schülerinnen mit Zuwanderungsgeschichte
können dabei in ihrem Selbstbewusstsein so gestärkt werden,
dass sie ihre Mehrsprachigkeit und Mehrkulturalität als
Gewinn für ihre Persönlichkeitsentwicklung sehen und nicht
als Hindernis im Zweitspracherwerb.
LITERATURANGABEN Belke, Gerlind (2011): „Generatives Schreiben“ als Grundlage interkultureller sprachlicher Bildung. In: https://www.uni-due.de/imperia/md/content/prodaz/generatives_schreiben.pdf (04.09.2015) + Budde, Monika/Riegler, Susanne/Wiprächtiger-Geppert, Maja (2012): Sprachdidaktik. Berlin. + Çelik, Aygen-Sibel (2008): Geheimnisvolle Nachrichten. Wien. + Cummins, Jim (1979): Cognitive/Academic Language Proficiency, Linguistic Interdependence, the Optimum Age
Question and Some Other Matters. In: Working Papers on Bilingualism Nr. 19, 197-205. + Dirim, Inci/Eder, Ulrike/Springsits, Birgit (2013): Subjektivierungskritischer Umgang mit Literatur in migrationsbedingt multilingual-multikulturellen Klassen der Sekundarstufe. In: I. Gawlitzek/B. Kümmerling-Meibauer (Hg.): Mehrsprachigkeit und Kinderliteratur. Stuttgart: 121-141. + Dobstadt, Michael/Riedner, Renate (2013): Grundzüge einer Didaktik der Literarizität für Deutsch als Fremdsprache. In: I. OomenWelke/B. Ahrenholz (Hg.): Deutsch als Fremdsprache. Baltmannsweiler: 231-241. + Dohrn, Antje (2007): Leseförderung mit literarischen Texten im DaZ-Unterricht. Bausteine für einen integrativen Deutschunterricht. Frankfurt am Main + Edele, Aileen/Stanat, Petra/Radmann, Susanne/Segeritz, Michael (2013): Kulturelle Identität und Lesekompetenz bei Jugendlichen aus zugewanderten Familien. In: Zeitschrift für Pädagogik 59, 84-110 + Fürstenau, Sara/Gomolla, Mechthild (2009): Einführung:
Migration und schulischer Wandel – Unterricht. In: S.Fürstenau/M.Gomolla (Hg.): Migration und schulischer Wandel – Unterricht. Wiesbaden: 13-19. + Gibbons, Pauline (2010): Learning Academic Registers in Context. Challenges and Opportunities in Supporting Migrant Learners. In: C. Benholz et.al. (Hg.): Fachliche und sprachliche Förderung von Schülern mit Migrationsgeschichte. Münster: 25-37. + Herrndorf, Wolfgang (2012): Tschick. Berlin. + Knapp, Alfred (2010). Sprachaufmerksamkeit. In: H.
Barkowski/H.-J. Krumm (Hg.): Fachlexikon Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Tübingen/Basel: 296. + Rösch, Heidi (2011): Deutsch als Zweit- und Fremdsprache. Berlin. + Rösch, Heidi (2006): Was ist interkulturell wertvolle Kinder- und Jugendliteratur? In: Beiträge Jugendliteratur und Medien 58/2, 94-103. + Rösch, Heidi (2013): Migrationsliteratur von deutsch-türkischen Autoren. Entwicklung und Behandlung im Deutschunterricht. In: M. Hofmann/I. Pohlmeier (Hg.): Deutsch-türkische und
türkische Literatur. Literaturwissenschaftliche und fachdidaktische Perspektiven. Würzburg: 63-91. + Schmölzer-Eibinger, Sabine (2011): Lernen in der Zweitsprache. Grundlagen und Verfahren der Förderung von Textkompetenz in mehrsprachigen Klassen. Tübingen. + Schmölzer-Eibinger, Sabine/Dorner, Magdalena/Langer, Elisabeth/Helten-Pacher, Maria-Rita (2013): Sprachförderung im Fachunterricht in sprachlich heterogenen Klassen. Stuttgart. + Schründer-Lenzen, Agi (2009): Sprachlichkulturelle Heterogenität als Unterrichtsbedingung. In: S.Fürstenau/M.Gomolla (Hg.): Schulischer Wandel – Unterricht. Wiesbaden: 121-138. + Schweiger, Hannes (2014): Begegnungen mit Vielfalt. Sprachliches und kulturelles Lernen mit Literatur im Fremd- und Zweitsprachenunterricht. In: DaF 51/2, 76-85. + Zierau, Cornelia/Kofer, Martina (2012): „‘Da heiße ich doch lieber Pflaume!‘“ Mehrsprachige Literatur im Sprachförderunterricht. In: Chancen der Vielfalt nutzen lernen. Hg. von der landesweiten
Koordinierungsstelle Kommunale Integrationszentren. Arnsberg: 100-112.
Das Mercator-Institut ist ein
von der Stiftung Mercator
initiiertes und gefördertes
Institut der Universität zu
Köln.
Grafische Gestaltung:
SILVIA SPORKMANN
Universität Paderborn