1. Der Begriff des Rechts – eine erste zarte Annäherung

Key – Facts zur Vorlesung „Politik und Recht“
Freitags von 15:00 – 16:30
Hörsaal 3 – 2.OG UZA II – Geozentrum (Althanstraße 14, 1090 Wien)
Keine Vorlesungseinheit am 29.5.2015
Foliensatz downloadbar unter http://staatswissenschaft.univie.ac.at/mitarbeiterinnen/stefan‐
gschiegl/
• Studienbuch „Politik und Recht“, Wien 2015
• Prüfungstermine
– 26. Juni 2015 oder 3. Juli 2015
– Bitte nur für einen Termin anmelden
– Anmeldung über das univis‐System (Voraussetzung)
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VO Politik und Recht – Vorbesprechung
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1. Der Begriff des Rechts – eine erste zarte Annäherung
Über die Schwierigkeiten, Recht zu definieren
Immanuel Kant´s Antwort auf die Frage „Was ist Recht?“:
„Diese Frage möchte wohl den Rechtsgelehrten, wenn er nicht in Tautologie verfallen, oder, statt einer allgemeinen Auflösung, auf das, was in irgend einem Lande die Gesetze zu irgend einer Zeit wollen, verweisen will, eben so in Verlegenheit setzen, als die berufene Aufforderung: Was ist Wahrheit? den Logiker, Was Rechtens sei (quid sit iuris), d.i. was die Gesetze an einem gewissen Ort und zu einer gewissen Zeit sagen oder gesagt haben, kann er noch wohl angeben; aber, ob das, was sie wollten, auch recht sei, und das allgemeine Kriterium, woran man überhaupt Recht sowohl als Unrecht (iustum et iniustum) erkennen könne, bleibt ihm wohl verborgen, wenn er nicht eine Zeitlang jene empirischen Prinzipien verläßt, die Quellen jener Urteile in der bloßen Vernunft sucht (wiewohl ihm dazu jene Gesetze vortrefflich zum Leitfaden dienen können), um zu einer möglichen positiven Gesetzgebung die Grundlage zu errichten. Eine bloß empirische Rechtslehre ist (wie der hölzerne Kopf in Phädrus' Fabel) ein Kopf, der schön sein mag, nur schade! daß er kein Gehirn hat. […] Das Recht ist also der Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des andern nach einem allgemeinen Gesetze der Freiheit zusammen vereinigt werden kann.“
I. Kant, Metaphysik der Sitten, 1977, 336f. VO Politik und Recht – Der Begriff des Rechts
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Drei mögliche Definitionsversuche von Recht
„Recht ist der Inbegriff der vom Staat garantierten allgemeinen Normen zur Regelung des menschlichen Zusammenlebens und zur Beilegung zwischenmenschlicher Konflikte durch Entscheidungen.“ Horn, Einführung, 2004, 4 f. „Recht ist (1) eine zwangsfähige Ordnung sozialer Regeln, die (2) von autorisierten Personen aufgrund entsprechender Befugnisse erzeugt wurden, wobei (3) die Ordnung insgesamt dem Vorteil aller Betroffenen dienen muss.“ Höffe, Politische Gerechtigkeit, 1987, 168f.
„Recht ist in seinem wesentlichen Kern eine Menge von sozialen Normen, (1) deren Wirksamkeit zumindest im Großen und Ganzen durch organisierten Zwang garantiert wird, (2) deren Anwendung und Erzeugung auf Ermächtigung beruht und (3) deren Anspruch auf Verbindlichkeit die Überzeugung ihrer Legitimität voraussetzt.“ Koller, Theorie des Rechts, 1997, 40f.
VO Politik und Recht – Der Begriff des Rechts
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Elemente des Rechts
VO Politik und Recht – Der Begriff des Rechts
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Innere Strukturen des Rechts
Objektives Recht
Subjektives Recht
Materielles Recht
Formelles Recht
Zwingendes Recht
Dispositives Recht
Gebotsnormen
Verbotsnormen
Ermächtigungs‐
normen
Erlaubnisnormen
Öffentliches Recht
Privatrecht
VO Politik und Recht – Der Begriff des Rechts
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Das supranationale Recht der Europäischen Union
VO Politik und Recht – Der Begriff des Rechts
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Teildisziplinen der Rechtswissenschaft
Rechts‐
dogmatik
Rechts‐
soziologie
Ausgewählte Teildisziplinen der Rechtswissenschaft
Rechts‐
geschichte
Rechts‐
philosophie
VO Politik und Recht – Der Begriff des Rechts
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2. Vom Verhältnis des Rechts zu seinen sozialen Umwelten
Politik und Recht
• Wechselspiel vs. Spannungsverhältnis
– Politik ist durch die das Recht vorskizzierten Handlungsspielräume determiniert (vgl. auch Kap. 15 Verfassungsrecht)
– Die Politik ihrerseits erzeugt das Recht
• Ziel des politischen Prozesses ist die Erzeugung einer Rechtsnorm
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Antwortcharakter des Rechts auf gesellschaftliche Fragestellungen
Interdependenz von Recht und Sozialleben (Feedback)
Entlastung des politischen Systems
Dieter Grimm „Recht ist geronnene Politik“
• Sowohl Politik als auch das Recht behandeln Fragen von Macht und Herrschaft
• Anmerkungen zum ambivalenten Verhältnis von der Politik‐ zur Rechtswissenschaft
VO Politik und Recht – Das Recht in seiner sozialen Umwelt
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Recht und Gesellschaft
• Enges Verhältnis von Recht und Gesellschaft
• In der Systemtheorie Stabilisierungsfunktion der Gesellschaft durch das Treffen von verbindlichen Entscheidungen (vgl. Kap. 9)
• Legitimation des Rechts durch möglichste Transparenz im Gesetzgebungsverfahren
• Grundsätzliche Akzeptanz von gesellschaftlichen Wertvorstellungen mit den Grundidealen der Rechtsordnung
• Fragen nach der Steuerungskapazitäten des Rechts
– Das Scheitern großer gesellschaftlicher Utopien – Bewahrung von einzelnen Rechtswerten, wie Rechtsfrieden, Sicherheit, Gleichheit
• Vgl. dazu ausführlich in Kap. 3: „Die gesellschaftspolitischen Funktionen des Rechts“ (nächste Einheit)
VO Politik und Recht – Das Recht in seiner sozialen Umwelt
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Recht und Sitte bzw. Recht und Moral
• Recht und Sitte
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Gesellschaftlich anerkannte und gebilligte Verhaltensweisen und Weltanschauungen
Grundsätzlich sind Sitten unabhängig von der Rechtsausübung
Rechtlich relevante Sitte vs. rechtlich nicht relevante Sitten
Das wohl berühmteste Beispiel für rechtlich relevante Sitten in der österreichischen Rechtsordnung ist die Generalklausel der „Guten Sitten“ des § 879 Abs. 1 ABGB:
„ Ein Vertrag, der gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.“
• Recht und Moral
– Keine Rechtsverbindlichkeit
– Stark von subjektiven Einflüssen geprägt
• (Starke Quer‐)Verbindungen zum Prinzip der Gerechtigkeit
– Das Wesen der Rechts‐ und Sozialmoral
VO Politik und Recht – Das Recht in seiner sozialen Umwelt
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Recht und Ökonomie
• Ökonomische Analyse des Rechts (Law and Economics)
• Zwei konträre Zieldefinitionen innerhalb des Wirtschaftssystems
Wohl der Allgemeinheit
Beachtung der ökon. Eigengesetzlichkeit
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Adam Smith (1723 – 1790)
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Bestmögliche Allokation von Waren und Dienstleistungen über den (freien) Markt?
Theorie des Homo oeconomicus
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Empfehlungen hinsichtlich der Konzeption ökonomisch zweckentsprechender Rechtsnormen
Reallokationen von Gütern durch die Rechtsordnung
(Intervenierende) Unterstützung des Wirtschaftssystems durch die Rechtsordnung • Steuervorteile
• Subventionen
• Arbeitszeitmodelle
• Wirtschaftsaufsichtsrecht
Grundrechtliche Schranken des ökonomischen Handelns
VO Politik und Recht – Das Recht in seiner sozialen Umwelt
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