Christopher Bollas (Los Angeles) Psychoanalyse im Zeitalter der Verwirrung. Über die Wiederkehr des Unterdrückten*1 Psychoanalysis in The Age of Bewilderment: On the Return of the Oppressed »Ich kam in diese Welt getränkt mit dem Willen, einen Sinn in den Dingen zu finden, mein Geist war erfüllt von dem Wunsch, die Quelle des Lebens zu erreichen, und dann entdeckte ich, daß ich ein Objekt inmitten anderer Objekte war …. Versiegelt in dieser erdrückenden Obekthaftigkeit wandte ich mich flehentlich an die Anderen.« Frantz Fanon2 »Unsere eigene Zeit ist in ihrem Wesen eine Zeit der Verzweiflung. Was ich sage, heißt, daß dies eine Periode der Desorientierung ist, nichts sonst.« José Ortega y Gasset3 Vielleicht ist es passend, daß dieser Kongress hier in der »Stadt auf dem Hügel« stattfindet. Die puritanischen Väter des frühen 17. Jahrhunderts suchten nicht nur Rettung vor den religiösen Verfolgungen in Europa, sondern glaubten, daß sie, indem sie ein »Neues Israel« gründen, Europa als in Sünde lebend bloßstellen konnten. Sie stellten an sich selbst und ihre Kinder unfaßbar hohe Ansprüche und innerhalb der ersten Generation wurden sie von sich selbst und ihren Sünden erschüttert. In Über die Pflanzungen in Plymouth spricht Governor Bradford (der auf der Mayflower gekommen war) über die Folgen eines seltsamen Prozesses, bei dem sich der Angeklagte – Thomas Granger – wegen mehrfacher Sodomie verantworten mußte. Bei dem Prozeß wurden verschiedene Tiere in den Gerichtssaal gebracht und er mußte angeben, mit welchen er diese »schmutzigen« Dinge getan hatte. Granger wurde für schuldig befunden und im September 1642 hingerichtet. »Es war ein sehr trauriges Schauspiel«, schreibt Bradford, denn »zuerst * 1 2 3 Hauptvortrag, gehalten auf dem 49. IPA Kongress, Boston, 22.-25. Juli 2015. Bei der Redaktion eingegangen am 3. Februar 2015 Die verständlichen zeitlichen Beschränkungen und Auflagen der IPA bringen mit sich, dass dieser Text als Diskussionsgrundlage gedacht ist. Es ist kein abgeschlossener Essay. Fanon, F. (2008): The Fact of Blackness. In: Black, L., Solomos, J. (ed): Theories of Race and Racism. London and New York: Routledge, S. 257. Ortega y Gasset, J. (1958): Man and Crisis. New York: WW Norton, S. 140. Christopher Bollas Psychoanalyse im Zeitalter der Verwirrung 135 wurde gemäß dem Gesetz, Leviticus, XX.15 der Gaul und dann die Kuh und dann die geringeren Tiere vor seinen Augen getötet; und dann wurde er selbst hingerichtet.« Die Tiere wurden in einer großen Grube beerdigt. Bradford versucht zu verstehen, warum Glaubensmänner eine solche Tat begehen können. Zunächst erwägt er, daß sich vielleicht »Ungläubige« unter die pilgrim fathers gemischt haben könnten, läßt dies aber fallen und versucht eine psychologische Erklärung. Eine anderer Grund mag sein, daß dieser Fall wie ein Gewässer ist, dessen Fluß angehalten oder aufgestaut ist. Wenn sie einen Durchlaß finden, fließen sie mit größerer Gewalt und verursachen mehr Lärm und Turbulenzen, als wenn sie in ihrem eigenen Bett still dahinfließen müssen. Also ist die Lasterhaftigkeit hier stärker durch strenge Gesetze aufgehalten, sodaß es ihr verboten ist, »in der gewöhnlichen Straße der Freiheit« zu laufen und sie einen Ausweg sucht, wo sie schließlich dort ausbricht, wo sie eine Entlastung findet. (a.a.O., S. 352, Übers.: B. R.) Die puritanische Mentalität – das idealisierte Selbst, das sich zum Ziel gesetzt hat, die Welt durch das eigene exemplarische Leben zu retten – hat Axiome aufgestellt, die im Laufe der Zeit ein Teil der amerikanischen Maserung geworden sind: ein Land und seine Bürger, hingegeben an ihre eigene Unschuld, darauf bestehend, daß sie das Land der Freien und die Heimat der Tapferen (»the land of the Free and the home of the Brave«) sind, das dazu bestimmt ist, die Welt in die Zukunft zu führen. Der bedeutende amerikanische Historiker Douglas Hofstaedter nennt diese Mentalität den »paranoiden Stil in der amerikanischen Politik« (Hofstaedter, 1952). Bradford war von dem unmittelbaren Ausbruch abweichenden Verhaltens unter seinen puritanischen Brüdern erschüttert. Einige hundert Jahre später zerstörte der Erste Weltkrieg Freuds Ansichten über die Menschheit. Im November 1914 schreibt er an Lou Andreas-Salome: »(…) ich weiß sicher, daß ich und meine Altersgenossen die Welt nicht mehr froh sehen werden. Es ist zu garstig (…) aber die Humanität scheint wirkich tot zu sein.« (Freud & Salomé, 1966, S.22f.) 4 Fünf Monate später schreibt er den ersten Entwurf zu Zeitgemäßes über Krieg und Tod (Freud, 1915b). Er beginnt den Essay mit einem Caveat: Er ist zu nah am Krieg, um seine eigenen Ansichten für 4 Es ist faszinierend und vorausschauend, daß sowohl Anna Freud als auch Heinz Hartmann – auf dem Höhepunkt des Zweiten Weltkrieges – den Krieg und seine Auswirkungen auf das Selbst metaphorisch in ihre Ausarbeitung der Ich-Psychologie hereinnehmen. (Japan hatte bereits 1931 die Mandschurei erobert und war im Begriff, in China einzumarschieren. Die »Atmosphäre« von Krieg war spürbar, als diese beiden Autoren ihre wichtigen Texte verfassten). Anna Freud: »Wenn die Beziehungen zwischen den benachbarten Mächten – dem Ich und dem Es – friedlich sind« dann ist alles gut und »im glücklichen Fall hat das Ich gegen den Eindringling nichts einzuwenden« (A. Freud, 1936, S. 10), aber manchmal ist »die Situation des friedlichen Grenzverkehrs zu Ende« und Triebimpulse »unternehmen feindliche Einfälle ins Ich. (…) Andererseits unternimmt das mißtrauisch gewordene Ich Gegenaktionen, Vorstöße nach dem Gebiet des Es hin.« (a.a.O., S. 12) 136 ZEITSCHRIFT für psychoanalytische Theorie und Praxis, Jahrgang XXX, 2015, 2 objektiv zu halten. Dann schreibt er: »(…) ohne Distanz von den großen Veränderungen, die sich bereits vollzogen haben oder zu vollziehen beginnen, und ohne Witterung der sich gestaltenden Zukunft, werden wir selbst irre an der Bedeutung der Eindrücke, die sich uns aufdrängen, und an dem Wert der Urteile, die wir bilden.« (a.a.O., S. 324) Freuds bemerkenswerter Essay kann als Kommentar gelesen werden, nicht nur zum Krieg, sondern auch zu den atemberaubenden Veränderungen, die die industrielle Revolution in Gang gesetzt hatte. In gerade einmal hundert Jahren hatte sich auf der ganzen Welt das Leben vollständig verändert. Freud betont in seinem Aufsatz den Fortschritt im 19. Jahrhundert, aber er ist vom Krieg und seiner impliziten Außerkraftsetzung aller Annahmen der Aufklärung, die ihm so wichtig waren, überwältigt. Er schreibt, daß der Nicht-Kämpfer »ein Partikelchen der Kriegsmaschinerie geworden ist, [er] fühlt sich in seiner Orientierung verwirrt und in seiner Leistungsfähigkeit gehemmt.« (a.a.O., S. 325) Er sucht Trost in der Konzentration auf zwei Themen – Enttäuschung und Tod – aber er räumt ein, daß er auf der Suche nach Erkenntnis ist, um eine Perspektive zu gewinnen: »Ich meine, ihm [dem Leser] wird jeder kleine Wink willkommen sein, der es ihm erleichtert, sich wenigstens in seinem eigenen Innern zurechtzufinden.« (a.a.O., S. 325) Das »Partikelchen der riesigen Kriegsmaschinerie« könnte als Metapher für die Zehntausenden von Fabrikarbeitern durchgehen, aus denen sich die Arbeiterklasse zusammensetzte. Wenn Charles Dickens im Angesicht der Auswirkungen der industriellen Revolution noch schreiben konnte: »es ist die beste aller Zeiten, es ist die schlechteste aller Zeiten«, und etwas Erlösendes in der guten Seite der Menschheit sehen, so wäre es zur Zeit des Ersten Weltkriegs schwieriger gewesen, an den guten Seiten des sozialen Fortschritts festzuhalten. Heinz Hartmann: »So wie es – wenn ein Gleichnis erlaubt ist – zur Beschreibung eines Landes, einer Nation, eines Staates gehört, daß man seine Grenzen angibt und die kriegerischen Verwicklungen mit den Nachbarvölkern oder -staaten darstellt. Man kann aber auch die friedliche Entwicklung der Bevölkerung, ihre Wirtschaft, ihre soziale Struktur, ihre Verwaltung usw. zum Gegenstand nehmen und und auch den friedlichen Grenzverkehr.« (Hartmann, 1939, S. 68) Und als er »das Grenzland des Ich« beschreibt, hält er fest: »Maßgebend für die Widerstandskraft der Armeen an der Grenze ist – um zu unserem Vergleich zurückzukehren – auch die Untertützung oder der Mangel an Unterstützung, die vom Hinterland ausgehen.« (a.a.O., S. 72) Es ist bezeichnend und bewegend, daß die Ich-Psycholgie der beiden Autoren in gewisser Weise selbst eine Anstrengung des Ich ist, mit dem Horror ihrer Zeit zurechtzukommen. Anna Freuds und Heinz Hartmanns Arbeiten wurden innerhalb eines Jahres nacheinander veröffentlicht. Die beste psychoanalytische Studie über den Krieg ist Franco Fornaris The Psychoanalysis of War (1966). Ein brillianter Essay über den Einfluß der Ereignisse des Zweiten Weltkriegs auf Freuds Theorien ist Ilse Grubrich-Simitis’ Freud’s Moses Studie als Tagtraum: Ein Biographischer Essay. (1997) Christopher Bollas Psychoanalyse im Zeitalter der Verwirrung 137 Die Fortschritte in den Wissenschaften werden die eine, allerdings hervorstechende Ausnahme beweisen, die alle Säkularisten dazu veranlaßte, diese neue Form von Hoffnung freudig zu begrüßen.5 Sonst konnten die Menschen im frühen 20. Jahrhundert nur durch Abspaltung der die Vorstellung sprengenden destruktiven Kräfte einen Glauben an den Fortschritt behalten, während der Webfaden der Weltgemeinschaft gerade zerrissen wurde. Wir halten fest: In den letzten 35 Jahren des 19. Jahrhunderts wurden 80 % von Afrika erobert und von europäischen Mächten kolonisiert, von denen sich viele ein Stück von dem holten, was König Leopold von Belgien »diesen großartigen Afrikanischen Kuchen« nannte. 6 Wenn Goethes Faust (1808) als ein unheimliches Manifest der Gier und Herzlosigkeit gelesen werden kann, die sich im Namen der Industrie und des Fortschrittes über die Menschheit ergießen sollten, so scheint Joseph Conrads Heart of Darkness einen Bericht vom Ende des Jahrhunderts her über die gründliche Unterdrückung zu geben, die eine bewaffnete Gier lostritt. Kolonialismus hat vieles bedeutet, aber der vielleicht wichtigste Zug ist, wie ein Marsch vollkommener Ignoranz das menschliche Universum erobert, anstatt es zu verstehen. Die Worte des sterbenden Kurtz »Der Horror, der Horror« markieren sowohl ein Epitaph auf das 19. als auch eine unheimliche Weissagung des kommenden 20. Jahrhunderts. In seiner Autobiographie bemerkt Yeats die »wachsende Mordlust der Welt«. (vgl. Ross, 2009, S. 221) 1919 schreibt er, über den Großen Krieg nachdenkend, in dem vielleicht visionärsten Gedicht, das je geschrieben wurde (Das Zweite Kommen, in: Yeats, 2005, S. 212): Die Flut, bluttrüb, ist los, und überall Ertränkt der Unschuld feierlicher Brauch Zwischen Conrad und Yeats – in den zwanzig Jahren, die zwischen diesen beiden Passagen liegen – sehen wir, wie die Unschuld in Blut ertrinkt.7 Wenn Freud bemerkt, seine Mitmenschen hätten nicht einmal »einen Schimmer von der Zukunft«, registriert er wohl den Schock seiner Zeit, aber 5 6 7 Peter Watson, der vielleicht das beste Buch über das westliche Denken seit Beginn des 21. Jahrhunderts geschrieben hat (The Modern Mind: An Intellectual History of the 20 th Century), begeistert sich für die Wissenschaft als die einzige lohnenswerte Errungenschaft des 20. Jahrhunderts. Dem mag man gewiß die bemerkenswerten Entwicklungen in der Kunst, der Musik, der Literatur etc. hinzufügen. Der Punkt hier ist nicht, daß die Welt aufgehört hätte, sich weiterzuentwickeln, sondern daß in der Balance die schwergewichtige Figur der menschlichen Gier, Destruktivität und Gleichgültigkeitdie menschliche Kreativität an den Rand drängt. Aktive Destruktion zu identifizieren ist nicht schwierig, wie etwa in einem Genozid. Die wesentlich häufigere Form von Destruktivität ist jedoch die passive Zerstörung; also wenn Einzelne, Gruppen oder Staaten inaktiv bleiben, wenn eine Intervention den destruktiven Prozess stoppen könnte. Wer hätte den »unblutigen« Mord nur 25 Jahre später – den Holocaust – voraussehen können, die erste Industrialisierung des Mordes? Es war jenseits der Vorstellungskraft. 138 ZEITSCHRIFT für psychoanalytische Theorie und Praxis, Jahrgang XXX, 2015, 2 er identifiziert auch einen entstehenden psychischen Verlust. Wie können wir uns eine Zukunft vorstellen, wenn die unmittelbare Vergangenheit und die Gegenwart die menschliche Vorstellungskraft außer Kraft setzen? An die Zukunft zu denken bedeutet, eine entscheidende mentale Struktur auszubilden, die unbewußte Vorstellungen über mögliche Zukunftsentwicklungen sammelt und das Selbst in die zeitliche Ordnung einer Lebensspanne verortet. Sich die Zukunft vorzustellen heißt, eine wichtige mentale Struktur zu benutzen, die für das Überleben sowohl des Selbst als auch der Spezies notwendig ist.8 Frantz Fanon: »Die Struktur der Gegenwart ist in der Zeitlichkeit begründet. Jedes menschliche Problem schreit danach, auf der Grundlage der Zeitlichkeit betrachtet zu werden, idealerweise so, daß die Gegenwart immer dazu dient, die Zukunft zu schaffen … Die Zukunft muß eine Konstruktion sein, die von den Menschen der Gegenwart getragen wird. Dieses zukünftige Gebäude ist mit der Gegenwart insofern verbunden, als ich die Gegenwart als etwas betrachte, das man überholen muß.« (Fanon, 1952, S. 41 f., Übers.: B. R.) In unseren Tagen müssen wir einen stärker werdenden Pessimismus über die Zukunft feststellen. Selbst eine Diskussion des Pessimismus scheint am zentralen Punkt des zeitgenössischen Lebens vorbeizugehen, da wir schrittweise von der Verhandlung unserer Wirklichkeit abzugleiten und eine selektive Wahrnehmung der Welt zu akzeptieren scheinen, die negative Halluzinationen zu einer Kunstform macht.9 Wir können Zuflucht und Trost in den nährenden Aspekten des Lebens finden – sich verlieben, den Freuden von Beziehungen, die Bedeutung der Familie, die Kreativität der Arbeit – aber könnte es sein, daß diese menschliche Resilienz jetzt ein Hindernis für das Überleben geworden ist? Verraten wir die Zukunft, wenn wir Zuflucht in der Gegenwart suchen? Freud interessierte sich vor allem für die Zensur, die zum verdrängten Unbewußten führt. Abkömmlinge der Verdrängung kamen in den Sitzungen in den wandelbaren Schleiern der Sprache zutage, die hoch komplexe, vergrabene Phantasien oder Erinnerungen vor dem zensierenden Bewußtsein verbergen konnten. Zur gleichen Zeit – eigentlich vom Jahrhundert davor – nahm eine andere Art von Zensur an Masse und Struktur zu. Diese Zensur organisierte sich nicht etwa gegen unakzeptable sexuelle oder aggressive Inhalte, sondern gegen das Recht des Selbst zu sein. Die Unterdückung kam in zahllosen Formen und Geschichten – den Lebensbedingungen der Arbeiterklasse, der 8 9 Für Heinz Hartmann bezieht Anpassung immer die Zukunft mit ein. »Angepaßtsei kann auf Gegenwart und Zukunft bezogen werden. Im Anpassungsvorgang ist immer die Beziehung auf einen zukünftigen Zustand mitgedacht.« (Hartmann, 1939, S. 78) Damit meine ich, daß, weil wir uns von der bloßen Anzahl scheinbar unlösbarer Probleme überwältigt fühlen, es eine eindeutige Versuchung für uns darstellt, eine soziale Schutzblindheit zu entwickeln. Christopher Bollas Psychoanalyse im Zeitalter der Verwirrung 139 Unterdrückung von Frauen und Kindern, der Beherrschung von Ländern durch terroristische Diktatoren, diesen Führern, die Millionen in den Tod schickten, das »kumulative Trauma«10 von Krieg auf Krieg auf Krieg, die Anpassung menschlicher Wesen in das kapitalistische System, so sehr, daß seine »Kräfte« die Rechte der Menschen überrennen. Freuds Zensor generierte, ironisch genug, aus der fruchtbaren Kreativität des Unbewußten eine bemerkenswert intelligente Antwort – in der Tat zugespitzt bis zu dem Punkt, daß man meinen könnte, es handle sich um das Fundament der sprachlichen Freiheit, die von dem Drang zur Wunscherfüllung kommt – der Unterdrücker schärft dem Unterdrückten ein anderes Set von Reaktionen ein. In seiner Untersuchung der Effekte der Sklaverei auf das menschliche Subjekt argumentiert der bedeutende Historiker Kenneth Stampp, daß Sklaven verschiedentlich Dummheit simulierten, die in Wirlichkeit eine Art von Widerstand war. (vgl. Stampp, 1956) Ob sie nun »zufällig« Maschinen kaputtmachten oder sich zu dumm stellten, Befehlen zu folgen, Stampp hält fest, daß Sklaven nicht nur Widerstand leisteten, sondern Taten setzten, die ich einer Wiederkehr des Unterdrückten zuschreibe. Ihre »verpfuschten Aktionen« waren nicht Beweise für die Wiederkehr des Verdrängten, sondern Formen von Widerstand gegen die Unterdrückung. Wir können diese Abwehr als Pseudo-Dummheit auffassen.11 Frantz Fanon schrieb, daß er »vom Außen überdeterminiert« sei und er benutzte Freuds Konzept der Überdeterminiertheit zur Fokussierung mehr auf die Auswirkungen der Unterdrückung durch den anderen als auf die Selbstzensur.12 Wie erkennen wir die Unterdrückung als eine spezifische Kategorie für die Psychoanalyse? Schließlich ist das Leben selbst unterdrückerisch und zu verschiedenen Zeiten fühlen wir uns alle unterdrückt. Was meine ich mit Unterdrückung und der Wiederkehr des Unterdrückten innerhalb des Fachgebiets der Psychoanalyse? Das Verdrängte bezieht sich auf die Beseitigung spezifischer mentaler Inhalte aus dem Bewußtsein. Das Unterdrückte verweist auf die Außerkraftsetzung oder Verdrehung des menschlichen Denkens. Das Verdrängte kehrt 10 Masud Khans Konzept des »kumulativen Traumas« kann als theoretisches Konstrukt dienen, die Überlagerung der Unterdrückung im modernen Selbst zu identifizieren. (vgl. Khan, 1963) 11 Es gibt mehrere psychoanalytische Aufsätze zur Pseudo-Dummheit. Ich halte Margaret Mahlers Text über Pseudoimbezillität für ein Meisterwerk. (vgl. Mahler, 1942) 12 Eine psychoanalytische Studie »mentaler Sklaverei« ist Barbara Fletchman Smith’s Buch Mental Slavery: Psychoanalytic Studies of Carribean People. London, Rebus, 2000. Vgl. auch Nancy Hollander: Uprooted Minds: Surviving the Politics of Terror in the Americas. New York, London: Routledge, 2010. Hollanders Buch ist eine genaue Studie vieler Faktoren, die zu dem weitverbreiteten psychischen Elend in großen Teilen der Welt beitragen. 140 ZEITSCHRIFT für psychoanalytische Theorie und Praxis, Jahrgang XXX, 2015, 2 mittels des Wiederfindes von Gedanken zurück. Das Unterdrückte bezieht sich auf eine Veränderung nicht der Inhalte, sondern der Funktion der Psyche – der Art und Weise, wie wir Gedanken bilden. Wenn wir den Verlauf der Unterdrückung diskutieren, bemerken wir eine graduelle Degradierung der Formen der Wahrnehmung, des Denkens und der Kommunikation. Während sich die Verdrängung auf die zeitweise Beseitigung eines Gedankens aus dem Bewußtsein bezieht, bezieht sich das Unterdrückte darauf, den mentalen Prozeß selbst zu stören, der erst den Gedanken produziert hätte. Das Verdrängte befindet sich im System UBW – tatsächlich definiert es für Freud das Unbewußte selbst. Das Unterdrückte ist im Unbewußten, aber als ein fehlgeschlagener Versuch, dessen Spuren ideell geschaffen wurden (selbst wenn er verbannt wird) und sich mit anderen solchen Fehlschlägen verbindet. Der kumulative Effekt von tausenden und abertausenden solcher fehlgeschlagener Möglichkeiten bildet das mentale (psychische) Netzwerk des Entstellten – von halb geformten, aber unbrauchbar gebliebenen Gedanken. Die Geschichte dieser traurigen Entwicklung hinterläßt das Selbst ratlos, in einem Zustand unbewußten Schmerzes, einer Trauer, die, wird sie nicht erkannt, endlos sein kann.13 Im Extremfall würde ein deformiertes Selbst zurückbleiben das – wenn es seine Inhalte ausdrücken müßte – weiter von der Unmöglichkeit beladen wird, das Aggregat der Inhalte in sinnstiftende Gedanken überzuführen. Von Anfang an haben Anteile der psychoanalytischen Methode – die Freiheit, Gedanken in Sprache zu fassen, die das Ungedachte wissen – das Unterdrückte mäßigen können, das Analysanden erleiden. Die Beschäftigung mit dem sprachlosen Selbst, wie sie sich in den Werken von Ferenczi, Balint, Winnicott, Khan, Coltart (und in letzter Zeit ind den Arbeiten von Michael Parsosn und Jonathan Sklar) darstellt, anerkennt implizit die Realität dessen, daß manchmal das Selbst an der »Überdeterminiertheit von außen« leidet. Der Weg zur Heilung – sei es durch die Linderung des Schmerzes über quälende Inhalte oder durch die Form, die der Artikulation des eigenen Seins zur Verfügung gestellt werden – ist in einer Freudianischen Analyse derselbe. Die Kur findet durch die Transformation von beidem in eine fühlende Sprache statt, gehalten und aufrechterhalten durch die aufmerksame Fürsorge eines zuhörenden Analytikers. Wenn das Unterdrückte durch die Psychoanalyse zurückkehrt, wird es von den zerstörten Formen der Wahrnehmung, des Denkens und der Kommunikation in die gewöhnlichen Formen transformiert, von denen wir leben. Einige Aspekte dessen, wie wir miteinander kommunizieren und wie wir im 21. Jahrhundert denken, können als eine Art von psychischer Flucht vor 13 Ich befasse mich mit der Transformation von Trauer in Melancholie, die sich in den westlichen Populationen von der Mitte des 20. bis zum frühen 21. Jahrhundert eingenistet hat, in meinem Buch Meaning and Melancholia (in Vorbereitung, erscheint 2016). Christopher Bollas Psychoanalyse im Zeitalter der Verwirrung 141 der überwältigenden Last des Erbes einer Welt betrachtet werden, die von der dumpfen Gedankenlosigkeit zerschmettert wurde, deren Wurzeln in den letzten zwei Jahrhunderten zu finden sind. Das Internet ermöglicht eine systeminhärente psychische Flucht vor dem Aktuellen,14 wenn wir in einer virtuellen Realität mit verschiedenen Avataren des Selbst leben. Wir sind zugleich und zugleich nicht verstrickt darin, unsere Ansichten über verschiedene Themen des Tages mitzuteilen. Avatare lassen uns durch andere Persönlichkeiten sprechen, die einen Dialog miteinander online ermöglichen, aber, auch wenn Facebook ein Beispiel des transparenten Selbst zu sein scheint, sind doch sogar dort unsere Ansichten mehr so etwas wie Fotoschnappschüsse unserer Beziehungen in der wirklichen Welt. Danah Boyd schreibt, daß die Nutzung von Texting etc. bei Teenagern nicht von Wünschen, sondern von Unterdrückung motiviert wird. Ängstliche Eltern wollen nicht, daß ihre Kinder auf den Straßen Amerikas spielen (die Autorin bemerkt, daß Kinder heute – im Gegensatz zum 20. Jahrhundert – nicht miteinander spielen).15 Statt dessen organisieren die Eltern unzählige Aktivitäten für die Kinder, sodaß sie ohnehin selten die Gelegenheit haben, anders als über das Internet in Kontakt zu kommen. Vielleicht ist also die Ausbildung eines virtuellen Selbst, das sich einer schnellen und flachen Sprache bedient (Tweets erlauben nur 140 Zeichen) eine Kompromißbildung zwischen Transparenz und völliger Stille. Eine kryptische Sprache hält die Menschen in Kontakt, aber nicht nah zueinander. Es wird wenig über das Selbst preisgegeben, vom anderen wird wenig angeboten. Statt der Tiefe der Kommunikation miteinander haben wir Spektakel der mentalen Untiefen. Wir wollen einen Moment dabei verweilen, den signifikanten Unterschied zwischen den Individuen festzuhalten, die Freud sah und denen, die wir jetzt im 21. Jahrhundert sehen. Vom 17. bis ins späte 19. Jahrhundert sorgte der Wanderer, und dann der Flaneur für einen Gesichtspunkt des Selbst. (Rousseaus berühmter Ausspruch: »Ich muß gehen, damit ich denken kann!«); die Betrachtung der Objektwelt (sei es ein Fluß, ein Buch über Botanik usw.) brachte die Versenkung des Selbst in eine relativ unveränderte Realität. Dies war die Matrix des »Vécu« (der gelebten Erfahrung), und Freuds Aufassung war es, daß die »psychischen Werte«, die Traumgedanken hevorbrachten, von den privaten täglichen Erfahrungen des Selbst geweckt werden. Was er für seine Technik umsichtig ausbeutete, war das Wissen, daß das unbewußte Leben von 14 Es ist »systemisch für die Psyche«, wenn Menschen sich, ohne zu denken, ins Internet hängen und es viele Stunden am Tag nutzen, so daß es jetzt schon ein Teil des Stoffes ist, aus dem das eigene Sein besteht. 15 Vgl. Boyd, D.: It’s Complicated. The Social Life of Networked Teens. New Haven: Yale, 2014. Das Buch ist eine unschätzbare Quelle für das Verständnis der vielen Mythen über die Nutzung von Social Media bei den heutigen Jugendlichen. 142 ZEITSCHRIFT für psychoanalytische Theorie und Praxis, Jahrgang XXX, 2015, 2 der Verwicklung des Selbst mit evokativen Objekten16 abhängt und daß das wandernde Selbst – dauernd von den unbewußten Verwicklungen mit der Objektwelt in Bewegung gehalten – ein gut gefüllter Lagerraum von Erinnerungen war, der sich in der Ruhe des analytischen Behandlungszimmers öffnen ließ. (Oder der hysterische Analysand hatte, indem er diese lebhaften Momente erinnerte, eine solide Basis dafür, das Imaginäre und das Aktuelle zu vermischen und damit eine Behinderung in eine Kunstform zu transformieren). Die psychischen Werte des zeitgenössischen Analysanden sind weniger von unvermittelten Erfahrungen und mehr von indirekten Wahrnehmungen gespeist, die die digitale Revolution mit sich gebracht hat. Es ist, als ob die zeitgenössischen Psychen einige Schritte entfernt von Engagements in der Wirklichkeit leben würden – sich aus dem Unveränderten zurückziehen, weil sie Angst vor der Welt außerhalb ihrer »gated communities« haben – und eine ironische Zuflucht in der Technologie der Vermittlung suchen. In einem anderen Aufsatz17 habe ich die Rolle des Selbst als einem Informationstransmitter via Facebook und Twitter diskutiert. Der Arabische Frühling hat gezeigt, wie die Menschen die Nachrichten übertragen und sich selbst für die Übertragung essentiell halten. IPhones und andere technischen Geräte dieser Art sind übertragende Objekte, Prothesen des heutigen Selbst. Die Arbeiter am Fließband im 19. Jahrhundert waren ihrer Positionen entfremdet, aber das Selbst des 21. Jahrhundert sieht sich selbst als Teil der Kommunikationsmaschinerie, nicht einfach als eine Figur, die das Objekt zusammenbaut und daran arbeitet. Wenige Autoren des späten 20. und des 21. Jahrhunderts fangen unseren Zeitgeist so gut ein wie der nordamerikanische Romancier Don DeLillo. In Cosmopolis schreibt DeLillo: »Um die Geschwindigkeit geht es doch gerade. (…) Wir verfolgen den Informationsfluss nicht so sehr als reines Spektakel oder als geheiligte, rituell unlesbare Information.« (DeLillo, 2003, S. 85) In seinem brillianten, wenn auch verstörenden Werk Mindless: Why Smarter Machines are Making Dumber Humans spürt Simon Head, Senior Fellow am Instititue for Public Knowledge der New York University und Senior Member am St. Anthony College in Oxford, den disseminativen Einfluß der »Computer Business Systems« (CBSs) auf die Arbeiter in nahezu allen Bereichen der »managed« Welt nach: Herstellungsindustrie, Service Industrie, Finanzwelt und anderswo. Da CBSs Arbeiter darauf programmieren, ihre Arbeitsgeschwindigkeit zu erhöhen – mittels nahezu minütlicher Anweisungen, wie sie über den ganzen Tag arbeiten sollen – werden persönliche 16 Zu einer Erörterung der psychischen Nahrung, die aus der Begegnung des Selbst mit evokativen Objekten zu beziehen ist und zum Konzept des rezeptiven Unbewußten vgl. Bollas (1992): Being a Character. London: Routledge und The Evocative Object World. London: Routledge, 2009 17 Bollas, Ch.: »The Transmissive Self and Transmissive Objects« in Fear And Fantasy in A Global World. (in Vorbereitung) Christopher Bollas Psychoanalyse im Zeitalter der Verwirrung 143 Einschätzungen systematisch durch Manuals (Handbücher) ersetzt, die den Leuten ganz genau erklären, wie sie sich zu benehmen haben und was sie sagen sollen. (vgl. Head, 2014) »Es gibt eine unerbittliche Betonung auf der Notwendigkeit, bei der Ausführung von Prozessen schnell zu sein«, schreibt Head. (a.a.O., S.25) »Das menschliche Element«, so argumentiert er, »ist in diesem Perfektionsprozeß vollkommen abwesend.« (a.a.O., S. 26, Übers.: B. R.) DeLillo: »Die Menschen in freien Gesellschaften brauchen die Pathologie des Staates nicht zu fürchten. Wir schaffen uns unseren eigenen Wahnsinn, unsere eigenen Massenverkrampfungen, angetrieben von Denkmaschinen, über die wir letztlich keine Macht haben.« (DeLillo, 2003, S. 90) Und so ist das Selbst des 21. Jahrhunderts in eine Fastnet-Welt18 programmiert, die auf Kosten der Reflexion Tempo verlangt; genauer gesagt auf Kosten des Urteils selbst. Ein Teil des Arguments von Head ist, daß, während Prozesse effizienter, die Menschen dumpfer werden, weil das menschliche Denken die Effizienz der Prozesse verlangsamt. Wir können die Effekte der CBS auf die psychoanalytische Praxis bereits in den Rufen nach evidenzbasierten Handbüchern sehen, die die Psychoanalyse effizienter machen. Aber auch abgesehen von diesen Bemühungen: Die Mentalität, die CBS hervorbringt, verspricht der Bevölkerung rasche, ready-made, bereits existente Lösungen. Die Nachfrage nach schnellen Versicherungen hat die Leute in der Welt der psychischen Krankheiten (»mental health«) noch nicht erreicht. Jahrzehntelang haben Versicherungsunternehmen, private Gesundheitsagenturen, staatliche Gesundheitsbehörden und andere »Anbieter« nach kürzeren Formen von Psychotherapie als die von der Psychoanalyse angebotenen gesucht. Bis zu einem gewissen Ausmaß haben sich Psychoanalytiker dem angepaßt, aber die Entwicklung hin zur schnellen Lösung hat die Grundannahme gefördert, daß die Dinge des psychischen Lebens (ob es nun die Form eines Symptoms betrifft, den dichten Dschungel der Stimmungen oder die Probleme, die die eigene Persönlichkeit mitbringen können) durch die Einnahme eines Produktes, das die störenden Probleme wegnehmen soll, geheilt werden sollen. Nun gibt es ein neues Axiom: Die Lösung der psychischen Probleme soll einem Programm folgen, das Handlungsanweisungen gibt. In der gegenwärtigen Gesellschaft gibt es eine Verlagerung hin zu erwiesenermaßen effizienten Behandlungsformen, die funktionieren. Welche Botschaft kann der Patient aus dem Behandlungszimmer mitnehmen, die ihm hilft, sein Leben zu verbessern? Welche Bemerkungen des Analytikers stellen sich als operativ effizient heraus? Versicherungsunternehmen wollen das wissen, Regierungen, die Geld in psychische Gesundheit investieren, wollen das wissen, und Patienten, die in 18 Fastnet: ein Neologismus, der die Fusion von Geschwindigkeit, des Internet und des sozialen Netzwerkens fassen soll. 144 ZEITSCHRIFT für psychoanalytische Theorie und Praxis, Jahrgang XXX, 2015, 2 das Rennen nach Problemlösungen verwickelt sind, erwarten, das zu wissen – und zwar rasch. Auf subtile Weise können wir eine Verlagerung auch bei unseren Patienten beobachten, und zwar weg von den nicht zu wissenden Vorzügen des unbewußten Denkens hin zum Wert von wißbaren Heilmitteln, die sofort in Effekt gebracht werden können. Diese Art von operationalisiertem Denken sucht nach kognitiven Analogien zu der Einnahme von Medikamenten, die unmittelbar effektiv sein sollen. Diese Art von Analysanden wird eine Deutung weniger als Teil einer Serie und bewußten Diskontinuitäten ansehen, die von unbewußten Prozessen zusammengehalten wird, sondern sie mehr als »für sich stehenden« oder »einzigartigen« markanten Spruch hören, der als eine Art Programm zur Änderung des Verhaltens dienen kann. Wie oft bekommen wir heutzutage zu hören: »Okay, ich hab’s. Also muß ich nur …«19 Einer der Effekte des Operationalismus ist die Tendenz, Handlungsanweisungen die Priorität über die Reflexion zu geben.20 Ein klinisches Beispiel. »Ich merke, daß Sie das, was ich sage, als implizite Handlungsanweisungen dafür auffassen, wie Sie sich selbst verbessern können«, was eventuell zur Reaktion hat (Patient): »Geht’s nicht genau darum?« Weil man eine gewissen Sympathie für diese Lesart hat, könnte man antworten »Naja, so mag es schon scheinen, aber wenn Sie das unmittelbar in Aktion bringen, frage ich mich, ob Sie sich selbst wirklich genug Zeit gegeben haben, um darüber nachzudenken?«� Wenn einmal diese Deutung des formalen Aspekts der Analyse verstanden ist, ist es möglich, die Nebenbedingungen zu diskutieren: die Gefühle des Analysanden, daß er keine Zeit hat, über die Dinge nachzudenken, die Sorge, daß er selbst die Lösung finden muß, die unbewußte Phantasie, daß die Psyche ein Problemding ist, das formelhafte Strukturgebung braucht, damit es von einem androiden Implantat geupdated werden kann. Sich darauf zu konzertrieren, was funktioniert, scheint ja schlau zu sein, aber wir können in diesem neuen Utilitarismus einen auftauchenden sanften Nihilismus ausmachen, in dem das menschliche Subjekt – und die komplexen Denkprozesse – implizit als ein Hindernis dafür gesehen werden, erfolgreich personenabhängige Programme zu implementieren. In der inneren Welt sind 19 Die klinischen Beispiele dieses Vortrages stammen aus Analysen mit Angloamerikanern. Psychoanalytiker aus anderen Kulturen fühlen sich daher vielleicht ein wenig irritiert von diesen Beispielen, und wenn dem so ist, möchten sie sie vielleicht selbst durch neue Ausdrucksformen ersetzen, die sich in ihren jeweiligen Kulturen herausbilden. 20 »Action thought« ist ein wichtiger Gedanke von Heinz Kohut, der auf meinem Terminus Operationalismus aufbaut. Vgl. Kohut, H., 1977, S. 36-48. Vgl. Auch Lawrence Hedges »organizing personality« in Hedges, L., 1983, S. 225-264 Christopher Bollas Psychoanalyse im Zeitalter der Verwirrung 145 unbewußte Konflikte und reflexives Denken natürlich zu langsam und ein Hindernis in dem sich selbst präsentierenden Problemlösungszeitalter, das aber tatsächlich ein Zeitalter der zunehmenden Beschneidung der menschlichen Dimension ist. Wenn unsere Spezies auch immer, obwohl in verschiedener Weise – den Wert jeder vorgefaßten Weltsicht angezweifelt hat, hat es dennoch nichts destoweniger immer auch eine Form von vertikaler (oder hierarchischer) Kosmologie gegeben, die ein Ding wichtiger als ein anderes macht. Gottesglaube zum Beispiel würde in dieser Liste an einem höheren Platz stehen als – sagen wir, der Glaube daran, wie das Wetter der nächsten Woche sein wird. Ob sie nun in ihren Glaubenskontexten recht oder unrecht hatten, die Menschen hatten seit tausenden von Jahren keine Probleme, vertikale Denkstrukturen aufzubauen. Im 21. Jahrhundert aber sehen wir eine neue Art von Denken heraufkommen: Horizontalismus, die Ausrottung der Prioritäten des Denkens zugunsten von Äquivalenzen, die alle Ideen gleichwertig machen.21 Eine Auswahl von Horizontalismus: Stellen Sie sich vor, ich sage zu einem Patienten: »Sie scheinen mit dem Neid auf Ihren Freund so umzugehen, daß Sie sich für ihn unersetzlich machen« und die Antwort darauf ist »Uh, oh, JAAA! Und ich fahre auch viel zu viel Rad und solche Sachen! Und jetzt, wo Sie das sagen, ich mache auch … ja genau, viel zu viel Radfahren.« Worauf ich sagen könnte: »Glauben Sie, daß Unterstützung, die durch Neid entsteht und Radfahren das Gleiche sind?« Horizontalismus anerkennt keine hierarchische Ordnung. Alle Dinge sind gleich und nichts ist intrinsisch wichtiger als anderes. Das Fastnet und die durchlässigen Individuen registrieren nicht notwendigerweise das Gewicht der Bedeutung irgendeines Objekts der Kommunikation. In den Fernsehnachrichten kann man das zum Beispiel sehen, wenn einer Serie von Feuern im Westen der USA oder ein nahender Hurrikan dieselbe Sendezeit bekommt wie die Revolution in der Ukraine oder ein Genozid in Afrika. Der anerkannte Wert von Meinungen sehr erfahrener Journalisten, Wissenschaftler und Schriftsteller nimmt nun laufend ab, während die soziale Demokratie das Internet jeden zum Experten auf allen Gebieten macht. Während diese Demokratisierung in vielerlei Hinsicht unglaublich vorteilhaft ist, ist doch der Nachteil die unwillkürliche Förderung der Macht des uninfomierten Selbst. Wenn das vertikale Denken zerstört wird und das horizontale Denken vorherrscht, wird der Unterschied zwischen dem einen und dem anderen Gegenstand bedeutungslos. Tatsächlich basiert Differenzierung ja auf der Fähigkeit, Objekte einzuschätzen und zu unterscheiden; in der Andersheit 21 Eine interessante Diskussion der Grenzen des horizontalen Denkens findet sich in Klein, G.S. (1970), S. 130 f. 146 ZEITSCHRIFT für psychoanalytische Theorie und Praxis, Jahrgang XXX, 2015, 2 eine spannende Kreativität zu finden, weil der Unterschied Gegensätze generiert, die dann geschätzt werden können, wenn Heterogenität einen Wert darstellt. Aber der Prozeß der Globalisierung fördert ein Global-Selbst, eine einförmiges Wesen, das, selbst wenn es Fiktion bleibt (es könnte ja niemals Realität werden), dennoch als ein psychisches Schlafmittel für homogenisierte menschliche Wesen dienen kann. Also fügen wir zum Operativen und zum Horizontalismus noch die Homogenisierung hinzu: Die Forcierung der Homogenisierung zielt auf die Reduktion von Differenzen, die Herabsetzung von Spannungen und den angenommenen Zuwachs des kreativen Potentials des Menschen. In der psychoanalytischen Situation nimmt die Homogenisierung die Form der Angst des Analysanden an, als verschieden wahrgenommen zu werden (»denkt nicht jeder das, was ich eben gesagt habe?«). Das Fastnet macht die Identifizierung und Verschmelzung mit anderen so leicht herstellbar, daß täglich Millionen von Menschen »auf derselben Seite« sind und oft dieselben Spektakel teilen, was das Gefühl befördert, Teil einer kollektiven Norm zu sein. (40% der Weltbevölkerung haben derzeit Internetzugang). Was mich zur Unterscheidung zwischen Sicht und Einsicht bringt. Viele Beobachter betrachten unsere Zeit als eine Ära des Spektakels.22 Wir scheinen zu Lebensansichten hingezogen zu sein, wie sie sich oft in medialen Universen finden. Es mag sein, daß wir ansichtsmäßig infromiert sind (d.h. daß wir uns daran erinnern, was wir gesehen haben), aber relativ wenig Einsicht haben. Einsicht ist nicht möglich, ohne daß das Bewußtsein sich auf die innere Welt richtet, oder ohne Interesse für die Psychodynamik unseres eigenen Seins. Das bedeutet nicht, daß zeitgenössische Individuen nicht interessiert daran sind, wie die anderen sie sehen. Das Posten von Bildern der Ego AGs bittet um »feedback«: ›Was siehst Du, wenn Du mich siehst?‹ Der Analysand kann vielleicht in das Selbst durch die Deutung des Analytikers sehen, aber er nimmt dann auch an, daß das in der Tat auch die Aufgabe des Analytikers ist. Und obwohl der Analysand nicht die Absicht hat, ein intellektuelles Produkt herzustellen, dem wir den Namen »Einsicht« geben können,23 kauft der Patient – den wir, denke ich, vielleicht in »Konsument« umbenennen sollten – doch das ein, was gesagt wird. »Aber ich kann mich erinnern, was Sie vor ein paar Wochen gesagt haben«, mag ein Patient sagen und damit beweisen, daß das, was als Einsicht genommen wurde, in Wirklichkeit nichts dergleichen war. Statt dessen war es »eine Sichtweise des Selbst«, die durch die Deutung des Analytikers geschaffen wird. Sie wird zwar vom Patienten erinnert, hat aber keinen andauernden Effekt. Es kann sein, daß wir eine neue Herausforderung für 22 Es gibt eine beträchtliche Ansammlung von Literatur zum »Spektakel«, beginnend mit dem Werk von Guy Debord und den »Situationisten« in der Mitte des 20. Jahrhunderts. 23 Zu einer unschätzbar wichtigen Untersuchung der Rolle der Einsicht in der Psychoanalyse vgl. Etchegoyen, H.R. (1991), S.653-688. Christopher Bollas Psychoanalyse im Zeitalter der Verwirrung 147 das Herz der Analyse erleben: das Selbst wird ein Spektakel im Universum der beobachtbaren Objekte. Auf die Analyse der Psyche und ihrer Inhalte gerichtete Aufmerksamkeit ist in sich selbst schon News und hat ihren Wert als eine Sehenswürdigkeit, die man wahrscheinlich nicht missen will. Sehen mag Glauben sein, aber ist es Wissen? Wir wollen die Phänomene, die das Sehen benutzen, um Einsicht zu vermeiden, die Ansichtophilie nennen. Jemand, der ungewöhnlich stark zum Sehen hingezogen wird (mehr als zum Denken) ist ein Ansichtophiler. Ein Kennzeichen der Ansichtophilie ist das refraktäre Denken. Ein Objekt refraktären Denkens führt zu einer unmittelbaren Ausstoßung einer Idee (oder einer Linie von Gedanken) nach außen – weg vom Subjekt – in den Raum. Refraktion wirft zwar Denken auf Objekte, aber diese dienen nicht als Container für Gedanken (die von der Erinnerung wiedergefunden werden können), sondern nur als Oberflächenleitungen für das Abladen von Resten von Beleuchtung, bis endlich ein Gedanke vernichtet ist. Refraktäres Geschick sucht ein unbedeutendes Kennzeichen einer Kommunikation und betont sie und schickt so den Hauptteil der Kommunikation ins Vergessen. Ich sage zu einem Patienten »Ich denke, daß Sie sich dadurch insgeheim an Ihre Freundin binden, indem Sie sich unersetzlich machen.« Er antwortet: »Sie haben es erfaßt. Ich bin unersetzlich, und ich sollte darauf aufpassen, daß es nicht zuviel wird. Das ist super, vielen Dank.« Ich sage: »Sie haben diese Idee so schnell aufgenommen, daß ich nicht sicher bin, ob wir schon eine Chance hatten, sie überhaupt zu denken, und Sie scheinen sie auch sofort in Aktion gebracht zu haben, einfach so. Was meinen Sie?« »Oh, ich denke, es war einfach sehr gut. Soll ich – soll ich darüber nachdenken?«� Schließlich kann sich der Analytiker zu den besten Zeiten in einen Weisen verwandeln, der auf eine ähnliche Art geschätzt wird und dem man auf eine ähnliche Weise dankbar sein kann wie einem guten Automechaniker oder Computerexperten. Anstelle der Einsicht haben wir Ansicht, wenn auch analytisch gebildete Ansicht. Auf dem Platz des reflexiven Denkens haben wir refraktäres Denken oder operative Anweisungen. Anstelle von sorgfältig konstruierten Bedeutungsebenen, die für die gelebte Geschichte eines Subjekts spezifisch sind, haben wir ein homogenisiertes Wesen, das dynamisch von horizontalen Denkobjekten eingeschmolzen (und geupdated) wird. »Denn Zeit ist jetzt Firmenvermögen«, schreibt DeLillo, »sie gehört sie zum System des freien Marktes. Die Gegenwart ist schwieriger zu finden. Sie wird aus der Welt gesaugt, um Platz zu schaffen für die Zukunft der unkontrollierten Märkte und riesigen Investitionspotenziale. Die Zukunft wird dringlich.« (a.a.O., S. 84) Sind die neuen Dimensionen des Denkens, dich ich erforscht habe, Formen von Effizienz, die bereits in die Grundannahmen über das Sein und die Beziehungen eingebettet erscheinen? Oder sind wir in einer eher unbestimmten Ära, in der diese Denktypen Zwischenanpassun- 148 ZEITSCHRIFT für psychoanalytische Theorie und Praxis, Jahrgang XXX, 2015, 2 gen an eine sich verändernde Welt sind, in der wir nun mit dem Nichtdenken denken? Wir werden uns das merken, da Operationalimus, Horizontalismus, Homogenisierung, Pseudo-Dummheit, Refraktion, Ansichtophilie (etc.) auch vorübergehende Anpassungsschritte sein können, die dazu dienen, das Verwirrende zu kontrollieren. Wenn wir Badiou, Jameson und anderen folgen,24 ist es eine angemessene Frage, ob die Außerkraftsetzung des Denkens und des Engagements – eine Art von psychischem Rückzug – die heraufkommende Evidenz des Subjektizids ist. (vgl. Steiner, 1993) Weniger als 15 Jahre trennen Heideggers Frage »Warum ist überhaupt Seiendes und nicht vielmehr Nichts?« von Camus’ Frage »Warum nicht der Selbstmord?« Der Subjektizid würde die Notwendigkeit für jeden faktischen Selbstmord beseitigen, ist man doch heuzutage mit vielen Trägermedien dafür ausgestattet, den Schmerz auszuschalten, ein Individuum zu sein. (Da ich diesen Terminus benutze: Das »Subjekt« ist der Prozeß des Denkens und des Ausdrucks des Selbst.) 25 Der Subjektizid wäre demnach die Elimination des Selbst aus der Gesamtheit des Denkens, das die Illusion des »Ich« unterstützt hat. Es ist nicht die grammatische Position, die ausgerottet wird – natürlich benutzen Menschen immer noch die erste Person – aber was ist, wenn es sich zu problematisch anfühlt, »erste Person« zu sein, in Beziehung zu treten und zu exisitieren? Und das nicht nur wegen der postmodernen Kritik, daß das Subjekt auf der ganzen Linie eine Illusion darstellt – was das postmoderne Denken zur vielleicht ersten finalen philosophischen Objektivierung des subjektiven Suizids macht – sondern weil die Ausrottung von früheren Kategorien der Existenz (Familienleben, Bürgerschaft, das Herstellen von Bedeutungen etc.) die Individuen ohne Kraft zurückgelassen hat? Was wäre wirklich, wenn diejenigen von uns, die das so erleben, in einem Zustand von Schmerz und Trauer sind, während die anderen, denen das Subjekt nie bekannt war, als Objekte in einer Objektwelt weitermachen? 24 Jameson hat mit seiner Kritik an der zeitgenössischen Kultur in seinem Buch Postmodernism: Or the Cultural Logic of Late Capitalism die Latte für alle kulturwissensschaftlichen Studien des späten 20. Jahrhunderts hoch gelegt. Obwohl ich mit vielem in seiner Argumentation nicht übereinstimme – und mit seinen idiosynkratischen Formulierungen zur psychoanalytischen Theorie – ist sein Werk dennoch brilliant und intellektuell sehr anregend. Die Werke über den Tod des Subjekts sind zu zahlreich, um sie hier anzuführen, aber ein zentraler Text des späten 20. Jahrhunderts ist Alain Badious Théorie du sujet (1982) und die wichtigste psychoanalytische Kulturkritik des 21. Jahrhunderts ist sicherlich Slavoj Žižek und sein Living in the End Times London, New York, Verso, 2010. 25 In der Philosophie finden sich ebenso viele Definitionen des »Subjekts«, wie es Philosophen gibt. Ich gebrauche den Terminus mit einigem Zögern, aber, wie ich denke, in Übereinstimmung mit der Freudschen Theorie des Unbewußten als Sitz der mensch lichen Wahrnehmung, Organisation, Tätigkeit und Kommunikation. Christopher Bollas Psychoanalyse im Zeitalter der Verwirrung 149 Ich habe diese Bewegung – vom Subjekt- zum Objektsein – »Objektheit« genannt, um damit die Flucht vor der Psyche zu identifizieren.26 Statt dessen sollte man »ein guter Kommunikator« sein – ein Transporter oder Transmitter von Ideen, die die Menschheit in eine integrierte und einigende Seinsweise bringen. In früheren Arbeiten habe ich die Frage aufgeworfen, ob wir in ein Zeitalter der Normopathie eintreten, in dem der Normopath oder der Normotic – die Person, die ein Objekt unter anderen Objekten sein will – eine Daseinsberechtigung in der Normalwelt bekommt, solange idiosynkratische Existenzweisen sichtbar eliminiert werden. (vgl. Bollas, 1987; McDougall, 1989) Der psychoanalytische Kampf, Charakterstörungen zu verstehen, zu objektivieren und zu analysieren, bleibt zwar weiterhin für die meisten psychoanalytischen Gruppen von Interesse, aber seit dem Ende des 20. Jahrhunderts gab es auch ein verstärktes Interesse am Thema des »Denkens«. Diese Präokkupation war vielleicht stark mit dem nachhaltigen Einfluß verbunden, den das Werk von W. R. Bion hatte, aber genauso gehören hier die Arbeiten von Harry Stuck Sullivan, David Rapaport, Donald Meltzer, Ignazio Matte Blanco und André Green dazu. Es entwickelt sich ein neues Lexikon von Termini, die sich der Fähigkeit (oder Unfähigkeit) widmen, Gedanken zu denken, und mit dem Auftauchen von ADHS und dem Anwachsen der kognitiven Verhaltenspsychologie scheint sich eine breitere Beschäftigung dem Probelm des Denkens zu etablieren. Ist die interessante Arbeit von Peter Fonagy und Kollegen zur »Mentalisation« ein Handbuch (Register) für das Problem, dem sich zeitgenössische Analytiker mit Analysanden gegenüber sehen, die die Fähigkeit, über sich selbst nachzudenken, verloren zu haben scheinen? Die Gefahren einer solchen Annahme sind offensichtlich: daß wir dabei sind, eine Welt zu bauen, in denen es solche gibt, die »haben« und solche, die »nicht-haben«; also jene, die über ihre innere Welt nachdenken können und jene, die das nicht können. Aber Fonagys Arbeit sagt tausenden Analytikern etwas, und obwohl wir uns immer der Möglichkeit bewußt sein müssen, daß die die analytische Bewegung zu hysterischen Reaktionen auf das Auftauchen von scheinbar neuen Phänomenen neigen kann, glaube ich doch, daß wir Zeugen einer anderen Art des Denkens im 21. Jahrhundert werden. Wenn Freud in Zeitgemäßes über Krieg und Tod von Desillusionierung schreibt, so tut er dies, nachdem er in diesem Aufsatz – in unfaßbar bewegender Sprache – das »neue Vaterland« gepriesen hat: eine Welt mit einen starken Geruch nach impliziten Idealen. Aber der Krieg »trampelt in blinder Wut alles nieder, was ihm in den Weg kommt, als gäbe es keine Zukunft« (S. 279), und obwohl er versucht, sich zu erholen, indem er zu der Position zurückkehrt, die er später Todestrieb nennen wird, bedauert er doch den Verlust der 26 Seither habe ich entdeckt, daß Frantz Fanon den Begriff »Objektheit« dafür benutzt hat, den Zustand des unterdrückten Selbst zu benennen. (vgl. Fanon, 2000) Vgl. auch Bollas, 2004, S. 39-62. 150 ZEITSCHRIFT für psychoanalytische Theorie und Praxis, Jahrgang XXX, 2015, 2 Illusionen: »Wir heißen Illusionen willkommen, weil sie uns unangenehme Gefühle ersparen und es uns ermöglichen, an ihrer statt angenehme Gefühle zu erleben.« (S. 279) Wir haben im Verlauf des 19. und des 20. Jahrhunderts genügend Beweise dafür, daß es die Menschen sogar im Angesicht der traumatischen Auswirkungen der industriellen Revolution geschafft haben, sich die Illusion eines guten Lebens zu bewahren und sich mit einem normalen idealen Selbst zu identifizieren. Wir können das ideale Selbst (und seine Projektion in eine ideale Gesellschaft oder ideale Welt) als einen unverzichtbaren Wegbegleiter betrachten. Diese intrapsychische Beziehung war ein ausschlaggebender Gegenpart zu den verdummenden Auswirkungen der unmoralischen Welt des modernen Kapitalismus.27 Vom Zweiten Weltkrieg zum Irak, vom Holocaust bis zum Genozid in Ruanda hat die menschliche Leidenschaft für den Mord, neben anderen Dingen, jede Möglichkeit für das humanistisch ideale Selbst zerstört. Freuds Vorstellung der Äquidistanz zwischen Lebens- und Todestrieben läßt sich viel schwerer aufrechterhalten, jetzt, wo die schiere Riesenhaftigkeit und prozeßhafte Unbeeinflußbarkeit des Todestriebes mehr Gewicht hat als der Lebenstrieb.28 Wir können das frühe 21. Jahrhundert als »Zeitalter der Verwirrung« betrachten. Wissenschaftliche und technologische Veränderungen gibt es weiterhin – obwohl ich dafürhalte, daß das in einem langsameren Tempo als im 19. oder dem 20. Jahrhundert geschieht – und intime menschliche Beziehungen und individuelle Schöpferkraft überleben in den härtesten Zeiten. Aber die wachsende sozialökonomische Spaltung, die alarmierende Verschlechterung des Weltklimas,29 die Assimilation des internationalen Terrorismus in multikulturellen Gesellschaften, das Versagen selbst der »fortgeschrittenen« 27 Ich schließe mich nicht der Ansicht an, daß der Kapitalismus an allen Übeln der Menschheit die Schuld trägt. Es ist nur einfach ein ökonomisches System, das inhärent unmoralisch ist – jeder moralische Imperativ würde es besiegen – und selbst, wenn es reguliert würde, würde es den Profit über die Menschen stellen. Der Kapitalismus sollte aber auch nicht mit dem »privaten Unternehmertum« durcheinandergebracht werden oder mit der Arbeit eines »Entrepreneurs«, die beide nicht unweigerlich vom Kapitalismus abhängig sind. 28 Freud stellte sich die Lebens- und Todestriebe als innerpsychische Kräfte vor, aber wenn wir den Todestrieb als den zentralen Faktor im globalen Kapitalismus auffassen (in dem die Dimension des Menschen sich in den Narzißmus des eigenen einzelnen Lebens und die Illusion eines guten Lebens zurückgezogen hat) und in psychotischen Gruppenprozessen (wie in terroristischen Bewegungen oder genozidalen Ausbrüchen), dann sollte sich die psychoanalytische Aufmerksamkeit auf diesen »Ausbruch« des Todestriebes und seinen Auswirkungen auf die moderne Zivilisation richten. 29 Während dies geschrieben wird, haben die Vereinten Nationen angekündigt, »Wetterberichte aus der Zukunft« unter Benutzung von bekannten Wetterberichten aus aller Welt zu erstellen als Versuch, die Öffentlichkeit für die alarmierende Situation zu sensibilieren, die jetzt unseren Planeten bedroht. (vgl. »United Nations predicts climate hell in 2050 with imagined weather forecasts« The Guardian, 1. September 2014) Christopher Bollas Psychoanalyse im Zeitalter der Verwirrung 151 Teile der Zivilisation, aus dem Horror der Vergangenheit zu lernen (vgl. etwa die Ukraine als mögliche Wiederholung der Krimkriege), die Degradierung des Nationalstaates und das Heraufdämmern eines neuen öffentlichen Feldes von Globalem, haben nicht so sehr ein Innehalten zum Denken ermöglicht, sondern eher nur das Innehalten, die Pause. Ist es die schiere Menge an Problemen, die unsere Welt heimsucht? Wir sind nicht destruktiver als früher, aber wir sind weitaus gefährlicher. Das hat ein Ausmaß an Angst und zugleich Hilflosigkeit hervorgebracht, das man früher nicht gekannt hat, insbesondere, wenn man sich den refraktären »Denk«prozeß der Social Media vor Augen hält, der Probleme nicht internalisiert, behält, metabolisiert und kontextualisiert, sondern Milliarden von bizarren Objekten im Schimmer des Spektakels der Gefahr auftauchen läßt. Eine säkulare Welt ohne Ideale30 oder vertikalen Bedeutungen hat die Bevölkerungen des 21. Jahrhunderts in einem Zeitalter zurückgelassen, in dem Verwirrung nicht einfach nur ein Nachhall der vergangenen zwei Jahrhunderte ist, sondern eine defensive Position.31 Wenn wir keine guten Träume für uns selbst, unsere Familien, Regionen, Nationen und die Welt entwickeln können; wenn wir infolgedessen die Welt nicht als mentales Objekt dafür benutzen können, diese Träume zu sammeln und Bürger aller Zivilisationen in einer sinnstiftenden Progression zu versammeln, dann haben wir uns als adaptionsfähige Lebewesen neuen Strategien zugewandt, um auf der Stelle zu treten. »Gott ist tot«, mag das kultige, melodramatische Mantra des späten 19. Jahrhunderts gewesen sein, aber was ist, wenn wir uns nun einem neuen Mantra gegenübersehen: »Die Menschheit ist tot«? Es mag sein, daß Yeats recht hatte mit »dem rauhen Biest, das seine Stunde endlich kommen sieht und das sich nach Bethlehem auf den Weg macht, um geboren zu werden.« Das ist vielleicht eine Vorhersage des religiösen Fundamentalismus innerhalb des Monotheismus, aber es kann sein, daß die atheistischen Anteile aller Individuen diesen Eifer mit einem kraftlosen Selbst ausgleichen, das jede Überzeugung zu verloren haben scheint. 30 Augenscheinlich würden Fundamentalisten welcher Religion auch immer behaupten, in der Tat sehr hohe Ideale zu haben. In dieser Hinsicht gibt es allerdings eine bemerkenswert zunehmende Kluft nicht nur zwischen Gläubigen und Ungläubigen, sondern auch zwischen sogenannten religiös Moderaten und Fundamentalisten. 31 Einer der großen Verluste war unser Glauben in die Funktion der Geschichte. Ohne ihn, zurückgelassen in dem bösartig disseminativen Effekt des refraktären Denkens, sind wir nicht in der Lage, schockierende Ereignisse in einen Kontext zu stellen und daher ist das Ich darin behindert, eine generativ adaptive Strategie zu entwickeln. Während ich dies schreibe, terrorisiert ISIS den Westen »jenseits von allem, was wir bisher gesehen haben«, wie der amerikanische Verteidigungsminister Chuck Hagel berichtet – oder wie Obama sagt, als »ein Krebsgeschwür« – das sich über die Welt ausbreitet. Jenseits von allem, was wir gesehen haben? Wirklich? Oder einfach nicht gesehen haben, weil wir die Weltgeschichte ausblenden? 152 ZEITSCHRIFT für psychoanalytische Theorie und Praxis, Jahrgang XXX, 2015, 2 Die Gruppe von Abwehrformen, die dieser Aufsatz identifiziert, stammt ganz offensichtlich aus der Kultur der globalen Community. Sie kommen aus dem, was Winnicott den »dritten Bereich« genannt hat: den Bereich der kulturellen Erfahrung. Anders als in der klassischen psychiatrischen Nomenklatur, die spezifische Störungen klassifiziert, die aus dem Individuum entstehen, werden Transmissionen des »dritten Bereichs« unbewußt von einer großen Gruppe verhandelt, die wir früher Nationen genannt haben oder jetzt Welt. Winnicotts Konzept des falschen Selbst beschreibt nicht eine spezielle Störung, sondern eine Persönlichkeitsfunktion, die sich mehr oder weniger stark bemerkbar machen wird, je nachdem, wie stark das wahre Selbst bedroht ist. Das Konzept des falschen Selbst wird dann für die Psychologie des Menschen brauchbar, wenn eine Störung aus der Realität das Subjekt betrifft. Die »durchschnittlich zu erwartende« Realität, von der Hartmann in seinem bahnbrechenden Text »Ich-Psychologie und das Problem der Anpassung«32 schrieb, ist nicht mehr durchschnittlich und ganz sicher nicht mehr erwartbar. In Reaktion auf die Instabilität der Wirklichkeit sehen wir Mentalitäten sich herausbilden, die das Kernselbst dadurch beschützen, daß sich eine Art von falschem Selbst herausbildet, die die Realitätswahrnehmung des Subjekts eintrübt: eigentlich es vorzieht, die Realität gar nicht zu sehen.33 Das fundamentalistische und das kraftlose Selbst vermählen sich in den Gefilden der Soziopathie. Ersteres dem Mord, letzteres dem Selbstmord geweiht. In diesem Aufsatz habe ich untersucht, wie die zeitgenössische globale Kultur eine kollektive Mentalität erschafft, die sich adaptiv zu den wahn Nicht imstande, das »Ungesehene« zu denken – wie sonst würden wir töten? – haben wir die Geschichtsarbeit bis hin zu dem Punkt verlassen, daß wir nicht realisieren, daß diese relativ kleine Bande von sunnitischen Milizen nicht Syrien und den Irak überrannt hätte, wenn es nicht das Versagen der Demokratie im Arabischen Frühling gegeben hätte, wenn es nicht die Eliminierung des Einflusses der relativ gemäßigten Moslembruderschaft in Ägypten gegeben hätte und wenn Al-Maliki die Sunniten nicht von der Partizipation in der Irakischen Regierung ausgeschlossen hätte. Mit anderen Worten, ISIS macht Sinn, wenn wir nachdenken anstatt sie einfach auszublenden. ISIS-artige Bewegungen hat es seit Tausenden von Jahren gegeben. 32 Hartmanns Konzept der Anpassung ist höchst differenziert; Hartmann definiert sorgsam die interaktive Funktion der Anpassung zwischen Sozialpsychologie und dem Individuum. »Die Tatsache, daß die Anpassungschancen menschlicher Verhaltensweisen wenigstens teilweise durch die soziale Struktur bestimmt werden, kann man – nach Analogie des ›somatischen Entgegenkommens‹ – als soziales Entgegenkommen bezeichnen; als einen Sonderfall jenes ›Entgegenkommens‹ der Umwelt, das im Grunde schon im Anpassungsbegriff gelegen ist.« (Hartmann, 1939, S. 83) 33 Christopher Lasch hat die erste ausführliche psychoanalytische Studie verfaßt, die sich dieser Bewegung widmet, nämlich dem allmählichen Verschwinden der höheren mentalen Funktionen, um mit den zunehemend ärmer werdenden menschlichen Möglichkeiten des späten 20. Jahrhunderts zurechtzukommen. Seine visionäre Arbeit ist für die Analyse der Krise des Denkens im frühen 21. Jahrhunderts höchst relevant. (Lasch, 1984) Christopher Bollas Psychoanalyse im Zeitalter der Verwirrung 153 sinnigen Herausforderungen verhält, die sich am Rand des Chaos unseres psychischen Horizonts auftun. Während unsere Gesellschaften in Wissenschaft und Technologie kreativ bleiben – in der Tat bis hin zu deren Vergöttlichung – und während sich die Privilegierten in die Ästhetik des Materialismus zurückziehen, gefährdet unser Zerstörungspotential alle Spezies und sogar den Planeten selbst. Die Disziplinen, die für ihre Nachdenklichkeit bekannt sind (inklusive der Psychoanalyse) sind von schwindendem Interesse selbst für die am weitesten entwickelten Gesellschaften.34 Und die Welt des Mainstream Kino produziert nun standardisierte Actionfilme, weil die Übersetzung von sprachbasierten Filmen zu teuer ist und daher der Globalisierung entgegenstehen. Der ökonomische Spin off diese Homogenisierungen ist beachtlich, werden doch die Heldenfiguren dieser Filme (und ihre Welten) weltweit verkauft. Bringt uns der Schock einer Welt, die scheinbar jenseits menschlichen Einflusses funktioniert an den Rand des Undenkbaren? Identifizieren wir uns unbewußt mit der Unterdrückung, was eine Form der Identifikation mit dem Aggressor ist, die ironischerweise auf die Zerstörung der menschlichen Fähigkeiten abzielt. Sind wir im Griff eines kollektiven Todestriebs, der uns lähmt, Veränderungen in Gang zu setzen? Eine Passage von J.-B. Pontalis: »In seinem Grundvorgang des Entbindens, Fragmentierens, Dislozierens, Zerlegens, des Bruchs, aber auch der Abschließung, einem Vorgang, der keinen anderen Zweck hat als den, sich zu vollenden, und dem sein Wiederholungscharakter das Merkmal des Triebhaften aufprägt, übt sich der Todestrieb aus. Vorgang, der nichts mit der bewußten Todesangst zu tun hat, der vielmehr den Tod im eigentlichen Kern des Selbst nachahmt (…) Die Psyche ist nun nicht mehr substitutiver Repräsentant des Körpers. Sie ist Körper. Das Unbewußte gibt sich nicht mehr in ihren Bildungen zu lesen, in einer beweglichen und artikulierbaren Logik der ›Signifikanten‹; es setzt sich ins Werk und gibt seine Beweglichkeit preis in einer Logik des psychischen Körpers.« (Pontalis, 1998, S. 217 f.) Ahmen wir den Tod in den Ich-Formationen nach, die die Wiederkehr des Unterdrückten herausbilden? Der Einschuß in eine Zukunft durch die industrielle Revolution brachte sehr originelle und manische Versuche hervor, die Bedeutung des menschlichen Lebens einzufangen und darzustellen, bevor das Denken am Wegesrand verlorenging. Das 20. Jahrhundert wird vielleicht als das Zeitalter angesehen werden, in dem, über das gesamte intellektuelle Spektrum des Westens hinweg, das Versagen darin, brauchbare Ideen über ein sinnhaftes Leben zu entwickeln, eine ganze Generation nicht nur in Trauer, sondern in einer Art behindernder Melancholie zurückgelassen hat. Wenn dem so ist, dann erben 34 In den letzten dreißig Jahren kann man ein abnehmendes Interesse an den Humanwissenschaften feststellen. Der Lackmustest hier ist wohl die Welle in den USA, die Abteilungen für Englische Literatur an den Universitäten abzuschaffen. Vgl. »Pulling the plug on English departments« by David Masciotra in The Daily Beast 28th of July, 2014. 154 ZEITSCHRIFT für psychoanalytische Theorie und Praxis, Jahrgang XXX, 2015, 2 die Generationen des 21. Jahrhunderts eine Welt von psychisch Gefährdeten, obwohl immer die Hoffnung in die bemerkenswerte Widerstandsfähigkeit bleibt, die dem Menschen eingeboren ist. (Aus dem Englischen von Bettina Reiter, Wien) Zusammenfassung In einer großen kulturphilosophischen Rundschau entwickelt Bollas Gedanken über die Rolle der Unterdrückung im Gegensatz zur Verdrängung in der psychischen Abwehr der Menschen des 21. Jahrunderts. Er stellt die Frage danach, was aus der Menschheit wird, wenn sie sich selbst nicht mehr in eine gute Zukunft denken kann. Summary The author develops thoughts about the role of oppression as as opposed to repression for the psychic defense of humans in the 21st century in a wide cultural philosophical circumspection. He asks what will become of humanity if she is not able any more to think herself into a good future. Literatur Badiou, A. (1982): Theorie des Subjekts. Zürich: Diaphanes, 2014 Bollas, Chr. (1987): The Shadow of the Object. London: Free Association – (2004): Being an object, being an other. In: Dark at the End of the Tunnel. London: Free Association Bradford, W. (1981): Of Plymouth Plantation 1620-1647. New York: Modern Library De Lillo, D. (2003): Cosmopolis. Köln: Kiepenheuer & Witsch Etchegoyen, H. R. (1991): The Fundamentals of Psychoanalytic Technique. London: Karnac Fanon, F. (1952): Peau noir, masques blancs. Paris: Seuil. engl.: Black Skins, White Masks. New York: Grove, 2008 – (2000): The Fact of Blackness. In: Black, L., Solomos, J. (Hrsg.): Theories of Race and Racism. A Reader. London-New York: Routledge, 257-266 Freud, A. (1936): Das Ich und die Abwehrmechanismen. Wien: Internationale Psychoanalyse Freud, S. (1915b): Zeitgemäßes über Krieg und Tod. GW, 10, 324-355 – & Andreas-Salome, L. (1966): Briefwechsel. Frankfurt am Main: S. Fischer Hartmann, H. (1939): Ich Psychologie und Anpassungsproblem. Int. Z. Psychoanal. Auch in: Imago, 24, 62-135 Head, S. (2014): Mindless: Why Smarter Machines are Making Dumber Humans. New York: Basic Books Hedges, L. (1983): Listening Perspectives in Psychotherap. Northvale: Jason Aronson Hofstadter, R. (1952): The Paranoid Style in American Politics. New York: Vintage, 2008 Christopher Bollas Psychoanalyse im Zeitalter der Verwirrung 155 Jameson, F. (1991): Postmodernism: Or the Cultural Logic of Late Capitalism. Durham: Duke University Press Khan, M. (1963): The Privacy of the Self. London: Karnac Klein, G. S. (1970): Perception, Motives, and Personality. New York: Alfred Knopf Ortega y Gasset, J. (1958): Man and Crisis (En torno a Galileo). New York: Norton Khan, M. (1963): The concept of cumulative trauma. In: The Privacy of the Self. London: Hogarth, 1974, 42-58 Kohut, H. (1977): The Restoration of the Self. New York: IUP Lasch, Chr. (1984): The Minimal Self: Psychic Survival in Troubled Times. New York: Norton Mahler, M. (1942): Pseudoimbecility: A Magic Cap of Invisibility. In: Selected Papers of Margaret S. Mahler. Vol. I: Infantile Psychosis and Early Contributions. New York: Jason Aronson, 1979, 3-16 McDougall, J. (1989): Theater des Körpers. 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