Entdeckend lernen oder in schlau: Förderung des Kompetenzzuwachs durch praktisches Lernen mit Lebensweltbezug von StR’ Julia Knobelspies Sankt Ursula Schulen Villingen Unterricht endlich mal da wo sich das Leben abspielt? Am besten mit Tieren in ihrem natürlichen Lebensraum? Echten Forschern bei der Arbeit zuschauen und sogar mitmachen? Auch so kann Biologie-Unterricht aussehen! Im Rahmen des Referendariats am Gymnasium fertigen Studienreferendare eine Dokumentation über eine Unterrichtseinheit mit möglichst innovativen Elementen an – in meinem Falle hatte diese den etwas komplizierten Titel „Schule trifft Wissenschaft! Wie kann die Zusammenarbeit mit außerschulischen Kooperationspartnern sinnvoll in den Unterricht integriert werden? Eine Einheit zum Thema Vögel in Klasse 6“. Hört sich erst mal sehr theoretisch an, aber wenn man die theorielastigen, fachdidaktischen Abhandlungen mal überliest, steckt dahinter eine sehr spannende und praxisnahe Unterrichtseinheit! Mit meiner damals noch 6. Klasse nahm ich an einem Kooperationsprojekt von MaxCine teil. Im Rahmen der Unterrichtseinheit Vögel stellten sich die Schülerinnen und Schüler allerhand spannende Fragen rund um das Thema Stockente: Was machen Stockenten eigentlich nachts? Bleiben sie immer bei ihrem Partner oder sind sie Einzelgänger? Wieso sollte man Enten nicht füttern? Fliegen Stockenten wie Störche im Winter in den Süden oder bleiben sie bei uns am Bodensee? ... Letzteres ist eine der spannendsten Fragen – selbst der derzeitige Forschungsstand kann keine befriedigende Auskunft geben! Diese galt es in den kommenden Monaten mit Hilfe eigener Forschungen und der Hilfe von Experten zu erforschen! Nachdem die Stockenten in Gaienhofen mehrere Wochen täglich gefüttert wurden, um sie an den Menschen zu gewöhnen, sollten sie gefangen und mit einem Peilsender versehen werden. Dieser sollte der Klasse dann tägliche GPS-Koordinaten senden, um die Wanderungsbewegung der Enten das ganze Jahr über zu verfolgen. Leider wollten die Enten nicht so wie wir – sie weigerten sich hartnäckig sich von uns fangen zu lassen! Trotz diesem Rückschlag bei unserem Enten-Fang-Versuch ließen wir nicht von unserem Projekt ab und beschäftigten uns weiter mit dem Thema. Das Team von MaxCine stand uns das dabei ganze Jahr über mit Rat und Tat zur Seite. Als erst mal die Idee mit Gabi, Babette und ihrem Team abgesprochen war, ging es für mich als Lehrerin daran, die Themen, die Aktivitäten am MPI und die Besuche der Experten im Unterricht sinnvoll in den normalen Unterrichtsalltag zu integrieren. Leichter gesagt, als getan – es müssen ja nicht nur das Interesse der Schüler, sondern auch Bildungspläne, zu erwerbende Kompetenzen und zu erreichende Lernziele berücksichtigt werden. Aber nichts leichter als das – denn ein solches Projekt erfüllt alle derzeit von der Bildungspolitik geforderten Punkte: Die Einheit kommt der Forderung nach einer Öffnung der Schule für ihr wissenschaftliches Umfeld nach und dessen sinnvoller Integration in das Schulleben. Die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Schule ist nicht unmöglich, sondern interessant, enorm gewinnbringend und für alle Seiten spannend! Der Sprichwörtliche Blick über den Tellerrand lohnt sich für alle Beteiligten! Diese Kooperation bietet den Schülern eine einzigartige, authentische Möglichkeit sich direkt an der Arbeit des MPI zu beteiligen und faszinierende Einblicke in die Welt der Wissenschaft zu erhalten. Die Schüler werden zu Nachwuchs-Wissenschaftlern, die ihr eigenes Projekt betreuen, vorbereiten, durchführen und auswerten und diese Daten dann der internationalen Wissenschafts-Community zur Verfügung stellen. Erfahrungen aus erster Hand und Überschreitung der Grenzen des normalen Biologieunterrichts: Echte GPS-Sender im Biounterricht? Normalerweise schon aus Kostengründen undenkbar - durch die Kooperation mit dem MPI für diese Klasse allerdings nicht! Handlungsorientierung, praktisches Lernen, Schüleraktivierung, Selbstständigkeit und Förderung des Verantwortungsbewusstseins: die Enten müssen über Wochen täglich zuverlässig angefüttert werden, Peilsender müssen entwickelt, Prototypen gebaut und verbessert werden, Enten werden gefangen, mit Sendern versehen und die Daten online in einer Datenbank ausgewertet werden. Außerdem wird die Stockente und ihre Anpassungen an das Leben am Wasser mit Experimenten untersucht und ihre Verhaltensweisen im natürlichen Lebensraum beobachtet und ausgewertet. Lebensweltbezug: Durch die Lage der Schule am Bodenseeufer wurden Stockenten gewählt, da die Schüler diese aus täglichen Begegnungen kennen. Warum also mit Büchern lernen, wenn sich solch spannende Tieren direkt vor der Tür befinden? Anwendungsbezug und Verknüpfung von Theorie und Praxis: Die Stockente wird nicht einfach „unterrichtet“, sondern mit einer authentischen Forschungsfrage verknüpft. Spannend ist der ungewisse Ausgang – selbst das MPI weiss nicht, was uns die Datenauswertung als Ergebnis liefern wird! Präsentation der Ergebnisse: Immer wieder müssen die Schüler den Forschern am MPI über den derzeitigen Stand ihrer Forschung berichten – am Schuljahresende gab es außerdem Präsentationen an der Schule sowie auf der MaxCine-Konferenz. Wenn man sich die Projekt-Portfolios anschaut, die die Schüler über das Jahr hinweg über ihr Projekt anfertigen, wenn man die Schüler voller Stolz von ihrem Projekt erzählen hörte oder sie begeistert und stolz bei ihrer Präsentation bei der MaxCine-Konferenz beobachtete, war nur allzu leicht zu sehen, dass dieses Projekt trotz der Rückschläge ein voller Erfolg war! Welcher Schüler kann schon behaupten, schon mal mit echten Ornithologen Enten aufgelauert zu haben? Dieses und noch weitere Erlebnisse bleiben den Schülern – und auch mir – sicherlich ein Leben lang im Gedächtnis. Nachhaltiger kann Biologie-Unterricht nicht sein! Vielen Dank also nochmals an das Team von MaxCine für ihren Einsatz und dafür, dass sie uns immer mit Rat und Tat zur Seite standen!
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