St. Gallen, 25.1.2016 Erziehungsrat des Kantons St. Gallen Davidstrasse 31 9001 St. Gallen Progymnasiale Klassen Sehr geehrter Herr Regierungsrat Kölliker Sehr geehrte Damen und Herren Erziehungsräte Einigermassen überrascht hat der Vorstand von Sek I SG aus der Zeitung erfahren, dass die Regierung plant, sogenannte „progymnasiale Klassen“ im Kanton St. Gallen einzuführen. Laut Zeitungsberichten im St. Galler Tagblatt vom 16. und 19. Januar soll es zudem offen sein, ob Oberstufen-‐ oder Kantonsschullehrpersonen diese Klassen unterrichten werden. Der Vorstand von Sek I SG ist nicht grundsätzlich dagegen, die Einführung von progymnasialen Klassen zu prüfen. Allerdings müssten die Auswirkungen genau überlegt werden, soll nicht die Oberstufe nachhaltig Schaden erleiden. Sek I SG zweifelt, ob durch die Einführung sogenannter progymnasialer Klassen die Maturaquote überhaupt erhöht würde, mal ganz abgesehen von der Frage, ob dies überhaupt in grösserem Umfang erwünscht ist. Hingegen würden diese leistungsstarken Schülerinnen und Schüler in den normalen Klassen fehlen, was sich auch negativ auf die Leistungen und das Niveau dieser Klassen auswirken könnte. Niveaugruppen würden zudem kaum mehr Sinn machen, wenn es quasi über der Real-‐ und der Sekundarstufe noch eine neue Stufe gäbe. Oder möchte irgendjemand vier verschiedene Niveaus? Auch ist zu befürchten, dass die Realklassen weiter ausgehöhlt und geschwächt würden, da vermehrt bessere Realschüler in die Sekundarklassen kämen. Ob das wünschenswert ist, ist zu bezweifeln. Ebenso ist damit zu rechnen, dass der Druck auf die Primarschülerinnen und –schüler massiv ansteigen würde. Zürcherische Verhältnisse, in welchen mit Nachhilfestunden auf die Aufnahmeprüfung gebüffelt würde, wären nur eine Frage der Zeit. Auch die Lehrpersonen der 6. Klassen kämen massiv unter Druck, der Leistungsgedanke, der unweigerlich in die Schulstuben Einzug halten würde, dürfte zur Überforderung vieler Schülerinnen und Schüler der Primarstufe führen. Gänzlich abwegig erscheint uns die Überlegung, die progymnasialen Klassen allenfalls durch Lehrpersonen der Kantonsschule unterrichten zu lassen. Bisher waren die Oberstufenlehrpersonen doch auch in der Lage, die Schülerinnen und Schüler auf die Kantonsschule vorzubereiten – wieso soll dies plötzlich nicht mehr möglich sein? Auch haben Oberstufenlehrpersonen jetzt schon die Berechtigung am Untergymnasium zu unterrichten. Wieso sollte das bei progymnasialen Klassen plötzlich nicht mehr möglich sein? Nicht zuletzt ist der Beziehung Lehrperson – Schüler auch in der Oberstufe grosse Bedeutung beizumessen und mit dem Einsatz reiner Fachlehrpersonen würde diese stark leiden. Abgesehen davon darf es in Oberstufenzentren doch auch nicht sein, dass zwei Kategorien von Lehrpersonen unterrichten, wobei die eine Kategorie deutlich mehr verdienen würde. Zuletzt wäre die Umsetzung von progymnasialen Klassen auch eine Aushöhlung der Idee von Oberstufenzentren. Leistungsstarke Schülerinnen und Schüler würden nicht mehr in ihrer Wohngemeinde unterrichtet, sondern in einer Zentrumsschule einer grösseren Gemeinde. Während am unteren Ende des Leistungsspektrums viel dafür getan wird, schwächere Schülerinnen und Schüler in die Regel(real)klassen zu integrieren, unter anderem auch mit dem Argument, dass diese Schülerinnen und Schüler von stärkeren Mitschülern profitieren, würde an der oberen Grenze neu separiert. Kurz: Sek I SG hat einige Bedenken, was die Einführung von progymnasialen Klassen betrifft, verschliesst sich aber einer genauen Prüfung dieser Frage keineswegs. Gänzlich abzulehnen ist hingegen der Einsatz von Kantonsschullehrpersonen auf Stufe Sek 1. Der Vorstand von Sek I SG bittet Sie, hinsichtlich einer möglichen Einführung von progymnasialen Klassen breite Abklärungen zu treffen und positive und negative Auswirkungen auf die Volksschule genau zu prüfen, bevor ein definitiver Entscheid gefällt wird. Freundliche Grüsse Sek I St. Gallen Patrick Keller Co-‐Präsident Sek I SG Nathalie Meier Co-‐Präsidentin Sek I SG
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