fb-vermverw-kindsachwrecht.book Seite 2 Mittwoch, 21. Oktober 2015 9:32 09 I. Vertretung von Minderjährigen und erwachsenen geschäftsunfähigen Personen jedoch hinsichtlich ihrer vermögensrechtlichen Angelegenheiten – einer volljährigen Person gleichgestellt (§ 1 Abs 2 EheG iVm § 174 ABGB);6 mündige Minderjährige, die das 14. Lebensjahr vollendet haben (§ 21 Abs 2 ABGB); erwachsene geschäftsunfähige Personen, die aus einem anderen Grund als dem ihrer Minderjährigkeit alle oder einzelne ihrer Angelegenheiten nicht selbst hinreichend wahrnehmen können und somit nicht ohne Gefahr eines Nachteils Rechtsgeschäfte für sich selbst schließen können (§ 21 Abs 1 iVm § 268 ABGB), aber auch vorübergehend in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkte Personen.7 Um den Schutz dieser Personen zu gewährleisten, aber auch um sie nicht von Rechtsgeschäften auszuschließen, sieht die Rechtsordnung einerseits vor, dass Betroffene von einem gesetzlichen Vertreter unterstützt werden. Andererseits regelt das Gesetz, dass diese Personen bei entsprechender Einsichts- und Urteilsfähigkeit auch selbständig „handeln“ können, wie etwa bei der Bestimmung ihres Wohnortes, der Einwilligung in oder Ablehnung von medizinischen Behandlungen, vereinzelt auch bei der Verwaltung ihres Vermögens. Der Vermögensverwaltung werden Rechtsgeschäfte zugeordnet, die die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Mündels betreffen. Die im ABGB enthaltenen Schutzbestimmungen (zB §§ 21, 865 iVm §§ 170, 167, 215 bis 224, 268 ABGB) regeln die Voraussetzungen für das wirksame Zustandekommen eines Rechtsgeschäfts zwischen dem Betroffenen und einem Dritten. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist das konkrete Rechtsgeschäft entweder absolut nichtig oder schwebend unwirksam. Um die Vermögensverwaltung im Interesse des Betroffenen zu gewährleisten, finden sich im ABGB und in der Rsp Leitlinien, die den gesetzlichen Vertreter anhalten, seine Vertretungshandlungen stets zum Wohl des Betroffenen zu setzen (vgl § 138 Z 11 iVm § 164 ABGB im Kindschaftsrecht und § 281 ABGB im Sachwalterrecht). Der Schutz des Betroffenen dient nicht nur der Gewährleistung, dass Rechtsgeschäfte zu seinem bestmöglichen Wohl für die Zeit während der Geschäftsunfähigkeit geschlossen werden. Schutzgesetze zugunsten eines Mündels sollen dieses auch davor bewahren, mit Eintritt der Eigenberechtigung mit Nachteilen konfrontiert zu sein. Das wäre etwa dann der Fall, wenn die Eltern eines Kindes für dieses nach den Bestimmungen über die Anlegung von Mündelgeld gesetzeskonform Aktien erworben haben, das Kind aber mit Eintritt der Volljährigkeit nicht darüber aufklären, dass Aktien als eine riskante Veranlagung auch an Kurswert verlieren können, dass sogar ein Totalverlust möglich ist. Ein automatisches „Herausfallen“ aus dem Schutz würde somit dazu führen, dass das nunmehr eigenberechtigte Kind den Schaden selbst trägt.8 Bereits die Bestimmungen über 6 7 8 OGH 20.6.1990, 1 Ob 565/90, EFSlg 62.863; 7.2.1991, 6 Ob 511/91, ÖA 1991, 143; dies gilt nicht für gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften: § 4 Abs 1 EPG regelt, dass eine eingetragene Partnerschaft nicht begründen kann, wer minderjährig oder zwar volljährig, aber geschäftsunfähig ist. Begründet wird dies in den Mat wie folgt: „Nach geltendem Recht können minderjährige Personen mit gerichtlicher Ehemündigerklärung und Einwilligung der Personen, denen die gesetzliche Vertretung und die Pflege und Erziehung zustehen, heiraten. Von dieser Möglichkeit wird in der Praxis – soweit überblickbar – nur dann Gebrauch gemacht, wenn es darum geht, eine Ehe zu schließen, bevor das gemeinsame Kind auf die Welt kommt. Aufgrund der anders gelagerten Sachlage sieht der Entwurf daher vor, dass nur volljährige Personen eine eingetragene Partnerschaft eingehen können“; vgl ErlRV 485 BlgNR 24. GP 4; fraglich ist, ob dieser Begründung ein Begründungswert zukommt und inwiefern diese Regelung verfassungskonform ist. Egger in Schwimann (Hrsg), ABGB-Taschenkommentar2, § 21 Rz 1. Vgl dazu OGH 22.10.2014, 1 Ob 169/14f, iFamZ 2015/59, 69 (Trentinaglia) = JBl 2015, 260. 2 Trentinaglia, HB Vermögensverwaltung im Kindschafts- und Sachwalterrecht fb-vermverw-kindsachwrecht.book Seite 3 Mittwoch, 21. Oktober 2015 9:32 09 A. Schutz durch die Rechtsordnung die Hemmung der Verjährung von Ansprüchen im Eltern-Kind-Verhältnis zeigen, dass die Rechtsordnung das Interesse verfolgt, Betroffene vor überraschenden Ergebnissen der Vermögensverwaltung zu schützen. Das gilt sowohl im Kindschafts- als auch im Sachwalterrecht. Wohl des Mündels „Kriterien“ für das Kindeswohl nach § 138 ABGB angemessene Versorgung, insbesondere mit Nahrung, medizinischer und sanitärer Betreuung und Wohnraum, sowie eine sorgfältige Erziehung des Kindes ( Z 1) Fürsorge, Geborgenheit und der Schutz der körperlichen und seelischen Integrität des Kindes (Z 2) Wertschätzung und Akzeptanz des Kindes durch die Eltern (Z 3) Förderung der Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes (Z 4) Berücksichtigung der Meinung des Kindes in Abhängigkeit von dessen Verständnis und der Fähigkeit zur Meinungsbildung (Z 5) Vermeidung der Beeinträchtigung, die das Kind durch die Um- und Durchsetzung einer Maßnahme gegen seinen Willen erleiden könnte (Z 6) Vermeidung der Gefahr für das Kind, Übergriffe oder Gewalt selbst zu erleiden oder an wichtigen Bezugspersonen mitzuerleben (Z 7) Vermeidung der Gefahr für das Kind, rechtswidrig verbracht oder zurückgehalten zu werden oder sonst zu Schaden zu kommen (Z 8) verlässliche Kontakte des Kindes zu beiden Elternteilen und wichtigen Bezugspersonen sowie sichere Bindungen des Kindes zu diesen Personen (Z 9) Vermeidung von Loyalitätskonflikten und Schuldgefühlen des Kindes (Z 10) Wahrung der Rechte, Ansprüche und Interessen des Kindes (Z 11) Lebensverhältnisse des Kindes, seiner Eltern und seiner sonstigen Umgebung (Z 12) Wohl der besachwalterten Person nach § 281 ABGB (1) Der Sachwalter hat danach zu trachten, dass die behinderte Person im Rahmen ihrer Fähigkeiten und Möglichkeiten ihre Lebensverhältnisse nach ihren Wünschen und Vorstellungen gestalten kann. (2) Die behinderte Person hat das Recht, von beabsichtigten, ihre Person oder ihr Vermögen betreffenden wichtigen Maßnahmen vom Sachwalter rechtzeitig verständigt zu werden und sich hiezu, wie auch zu anderen Maßnahmen, in angemessener Frist zu äußern; diese Äußerung ist zu berücksichtigen, wenn der darin ausgedrückte Wunsch dem Wohl der behinderten Person nicht weniger entspricht. (3) Ist der Sachwalter mit der Verwaltung des Vermögens oder des Einkommens der behinderten Person betraut, so hat er diese vorrangig zur Deckung der den persönlichen Lebensverhältnissen entsprechenden Bedürfnisse der behinderten Person zu verwenden. (4) Ist das Wohl der behinderten Person gefährdet, so hat das Gericht jederzeit, von wem immer es angerufen wird, die zur Sicherung ihres Wohles nötigen Verfügungen zu treffen. Abb 1: Wohl des Mündels Trentinaglia, HB Vermögensverwaltung im Kindschafts- und Sachwalterrecht 3 fb-vermverw-kindsachwrecht.book Seite 4 Mittwoch, 21. Oktober 2015 9:32 09 II. Allgemeines zur Geschäftsunfähigkeit und den vertragsrechtlichen Folgen A. Gesetzliche Verankerung II. Allgemeines zur Geschäftsunfähigkeit und den vertragsrechtlichen Folgen Die zentrale Norm, die die Geschäftsfähigkeit als Erfordernis für die Gültigkeit eines Vertrags mit einem Betroffenen regelt, ist § 865 ABGB: A. Gesetzliche Verankerung § 865. Kinder unter sieben Jahren und Personen über sieben Jahre, die den Gebrauch der Vernunft nicht haben, sind – außer in den Fällen des § 170 Abs. 3 – unfähig, ein Versprechen zu machen oder es anzunehmen. Andere Minderjährige oder Personen, denen ein Sachwalter bestellt ist, können zwar ein bloß zu ihrem Vorteil gemachtes Versprechen annehmen; wenn sie aber eine damit verknüpfte Last übernehmen oder selbst etwas versprechen, hängt – außer in den Fällen des § 170 Abs. 3 und des § 280 Abs. 2 – die Gültigkeit des Vertrages nach den in dem dritten und vierten Hauptstück des ersten Teiles gegebenen Vorschriften in der Regel von der Einwilligung des Vertreters oder zugleich des Gerichtes ab. Bis diese Einwilligung erfolgt, kann der andere Theil nicht zurücktreten, aber eine angemessene Frist zur Erklärung verlangen. Die in dieser Bestimmung verankerten Grundregeln lassen sich unter Berücksichtigung der einzelnen Regelungen im Kindschafts- und Sachwalterrecht wie folgt darstellen: Minderjährige unter Minderjährige ab sieben Jahren Personen ab 18 Jahren sieben Jahren (Kinder) und und Personen, für die in Vermögenserwachsene geschäftsunfähige angelegenheiten ein Sachwalter bestellt Personen (§ 865 S 1) wurde (§ 865 S 2) sind absolut geschäftsun sind beschränkt geschäftsfähige Personen, sind voll geschäftsfähig, fähig, sie können sie können sofern ihre geistigen Fähig– geringfügige Alltagsge– Versprechen annehmen, die für sie auskeiten ausreichen, um ihre schäfte schließen, die erst schließlich von Vorteil sind, rechtlichen Angelegenheiten mit Erfüllung der Pflich– geringfügige Alltagsgeschäfte tätigen, selbst hinreichend wahrnehten, die den Geschäftsdie mit der Erfüllung der Pflichten, die men zu können (§ 21 Abs 1 unfähigen treffen, rücksie treffen, rückwirkend rechtswirksam ABGB); sonst sind sie partiell wirkend rechtswirksam werden (§§ 170 Abs 3 und 280 Abs 2), oder voll geschäftsunfähig. werden (§ 170 Abs 3), – bestehende und fällige Verpflichtungen Die Eigenberechtigung nach Erreichen der Volljährigkeit – kleinere Schenkungen erfüllen (§ 1421), wird (bis zur Widerlegung) annehmen, die keine Be– Besitz und Eigentum erwerben (§ 310). vermutet (§ 17 ABGB). lastungen auslösen (hA), Mj ab 14 Jahren (mündige Mj) können – im Rahmen des § 170 Abs 2 selbststänsonst ist das Rechtsgeschäft dig über ihr Einkommen und über Saabsolut nichtig. chen, die ihnen zur freien Verfügung überlassen worden sind, verfügen, – gem § 171 Dienstverträge (mit Ausnahme von Lehrverträgen) abschließen oder auflösen, sonst ist das Rechtsgeschäft schwebend unwirksam. Abb 2: Grundregeln 4 Trentinaglia, HB Vermögensverwaltung im Kindschafts- und Sachwalterrecht fb-vermverw-kindsachwrecht.book Seite 5 Mittwoch, 21. Oktober 2015 9:32 09 A. Gesetzliche Verankerung Diese Möglichkeiten sagen noch nichts darüber aus, ob das konkrete Rechtsgeschäft für das wirksame Zustandekommen bloß der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters oder zusätzlich (der Zustimmung des anderen Elternteils sowie) einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung bedarf. Die Zustimmungs- und Genehmigungserfordernisse lassen sich aus § 167 Abs 3 ABGB entnehmen, der aufgrund des Verweises des § 275 Abs 3 ABGB auch für unter Sachwalterschaft stehende Personen gilt. Für erwachsene geschäftsunfähige Personen, die im Rahmen der Vermögensverwaltung aufgrund einer durch sie errichteten Vorsorgevollmacht von einer durch sie bestimmten Person oder von einem nächsten Angehörigen vertreten werden, ist § 167 ABGB nicht anzuwenden. Die vertretbaren Rechtsgeschäfte sind in der Vorsorgevollmacht bzw für nächste Angehörige im Gesetz festgelegt. Ist ein Rechtsgeschäft davon nicht umfasst, wäre zu prüfen, ob die Bestellung eines Sachwalters erforderlich ist. § 167 ABGB ist eine zentrale Norm für die Wirksamkeit von Rechtsgeschäften geschäftsunfähiger Personen. Gesetzliche Vertretung des Kindes § 167. (1) Sind beide Eltern mit der Obsorge betraut, so ist jeder Elternteil für sich allein berechtigt und verpflichtet, das Kind zu vertreten; seine Vertretungshandlung ist selbst dann rechtswirksam, wenn der andere Elternteil mit ihr nicht einverstanden ist. (2) Vertretungshandlungen und Einwilligungen eines Elternteils, die die Änderung des Vornamens oder des Familiennamens, den Eintritt in eine Kirche oder Religionsgesellschaft und den Austritt aus einer solchen, die Übergabe in fremde Pflege, den Erwerb einer Staatsangehörigkeit oder den Verzicht auf eine solche, die vorzeitige Lösung eines Lehr-, Ausbildungs- oder Dienstvertrags und die Anerkennung der Vaterschaft zu einem unehelichen Kind betreffen, bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des anderen obsorgebetrauten Elternteils. Dies gilt nicht für die Entgegennahme von Willenserklärungen und Zustellstücken. (3) Vertretungshandlungen und Einwilligungen eines Elternteils in Vermögensangelegenheiten bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des anderen obsorgebetrauten Elternteils und der Genehmigung des Gerichtes, sofern die Vermögensangelegenheit nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört. Unter dieser Voraussetzung gehören dazu besonders die Veräußerung oder Belastung von Liegenschaften, die Gründung, der, auch erbrechtliche, Erwerb, die Umwandlung, Veräußerung oder Auflösung sowie die Änderung des Gegenstandes eines Unternehmens, der, auch erbrechtliche, Eintritt in eine oder die Umwandlung einer Gesellschaft oder Genossenschaft, der Verzicht auf ein Erbrecht, die unbedingte Annahme oder die Ausschlagung einer Erbschaft, die Annahme einer mit Belastungen verbundenen Schenkung oder die Ablehnung eines Schenkungsanbots, die Anlegung von Geld mit Ausnahme der in den §§ 216 und 217 geregelten Arten sowie die Erhebung einer Klage und alle verfahrensrechtlichen Verfügungen, die den Verfahrensgegenstand an sich betreffen. Dies gilt nicht für die Entgegennahme von Willenserklärungen und Zustellstücken. Trentinaglia, HB Vermögensverwaltung im Kindschafts- und Sachwalterrecht 5 fb-vermverw-kindsachwrecht.book Seite 6 Mittwoch, 21. Oktober 2015 9:32 09 II. Allgemeines zur Geschäftsunfähigkeit und den vertragsrechtlichen Folgen § 167 ABGB lässt sich wie folgt darstellen: Angelegenheiten, die dem ordentlichen Wirtschaftsbetrieb zugeordnet werden (Abs 1) Angelegenheiten, die die Personensorge betreffen (Abs 2) Zustimmung eines Elternteils genügt zB Eröffnung eines Girokontos lautend auf den Minderjährigen Zustimmung des zweiten Elternteils erforderlich, sofern dieser obsorgeberechtigt ist zB Bestimmung des Wohnortes Angelegenheiten, die dem außerordentlichen Wirtschaftsbetrieb zugeordnet werden (Abs 3) beispielhafte Aufzählung Zustimmung des zweiten Elternteils erforderlich, sofern auch dieser obsorgeberechtigt ist pflegschaftsgerichtliche Genehmigung ist einzuholen zB Kauf von Geschäftsanteilen einer GmbH Abb 3: § 167 ABGB B. (Partielle) Geschäftsunfähigkeit Geschäftsfähigkeit ist die (gesetzlich geregelte) Fähigkeit, sich durch eigenes rechtsgeschäftliches Handeln zu berechtigen und zu verpflichten. Das ist dann der Fall, wenn B. (Partielle) Geschäftsunfähigkeit gemäß § 170 Abs 2 und Abs 3 ABGB Minderjährige in der Lage sind, aufgrund ihres Alters und ihren im Gesetz sehr beschränkt geregelten Möglichkeiten bestimmte Rechtsgeschäfte abzuschließen; liegen diese Voraussetzungen vor, ist die Vertretungsmacht des gesetzlichen Vertreters durch die Geschäftsfähigkeit des Minderjährigen beschränkt.9 Personen über 18 Jahren geistig und psychisch gesund sind. Im Gegensatz dazu regelt die Deliktsfähigkeit die Fähigkeit einer Person, aufgrund ihres schädigenden Verhaltens für den daraus resultierenden Schaden zu haften. Dies setzt die Einsichts- und Urteilsfähigkeit dieser Person voraus. Die Handlungsfähigkeit ist der Überbegriff für die Geschäfts- und Deliktsfähigkeit und umfasst allgemein die Fähigkeit, durch eigenes Verhalten Rechte zu erwerben und Pflichten zu begründen. Geschäftsfähig sind nur jene Personen, die aufgrund ihres Alters oder ihrer körperlichen und psychischen Gesundheit die Tragweite und Auswirkungen ihres Handelns abschätzen und nach dieser Einsicht disponieren können.10 Die Geschäftsfähigkeit ist zumindest dann ausgeschlossen, wenn die Möglichkeit der Willensentschließung durch eine auch nur vorübergehende geistige Störung aufgehoben ist, und zwar auch dann, wenn die Fähigkeit, das Rechtsgeschäft verstandesgemäß zu erfassen, allgemein vorhanden sein mag.11 9 10 11 6 Vgl Thunhart in Fenyves/Kerschner/Vonkilch (Hrsg), Klang, ABGB3, § 154 Rz 3. OGH 24.5.1989, 3 Ob 535/89; 27.4.1993, 5 Ob 1531/93; RIS-Justiz RS0009075 (T6 bzw T8). OGH 27.4.1982, 5 Ob 578/82 uva, RIS-Justiz RS0014623. Trentinaglia, HB Vermögensverwaltung im Kindschafts- und Sachwalterrecht fb-vermverw-kindsachwrecht.book Seite 7 Mittwoch, 21. Oktober 2015 9:32 09 B. (Partielle) Geschäftsunfähigkeit Von Geschäftsunfähigkeit spricht man nicht nur bei völliger Unfähigkeit zur Willensbildung, sondern auch, wenn eine durch Geisteskrankheit oder Geistesschwäche beeinträchtigte Person teilweise zur Willensbildung unfähig ist oder die Tragweite eines konkreten Geschäfts nicht richtig abschätzen kann.12 In diesen Fällen spricht man von einer partiellen Geschäftsunfähigkeit. Die mangelnde Einsichts- und Urteilsfähigkeit ist nur in jenen Fällen beachtlich, in welchen diese auf ein krankhaftes Geistesgebrechen zurückzuführen ist.13 Für die Annahme der (partiellen) Geschäftsunfähigkeit reicht ein massiver psychischer Druck. Eine bloße Gemütsaufregung,14 die Einschränkung im Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl aufgrund depressiver Störungen und das Fehlen von Energie, um eine Unterschriftsleistung abzulehnen, reichen für die Annahme einer partiellen Geschäftsunfähigkeit nicht aus.15 Beispiel Heinrich, Gesellschafter und Geschäftsführer der G-GmbH, leidet seit Jahren an einer Krebserkrankung, die auch mit intensiven Chemotherapien behandelt wird. Darüber hinaus ist er aufgrund familiärer Vorfälle physisch und psychisch wesentlich belastet. Trotz seiner persönlichen Belastungen leitet Heinrich sein „Imperium“ weiter, er schließt unter anderem – wie auch bisher – Kreditverträge ab, unterfertigt Pfandbestellungsurkunden und geht weitere persönliche Bürgschaftsverpflichtungen ein. Der Masseverwalter der G-GmbH behauptet, diese Verträge seien nichtig, zumal Heinrich zum Zeitpunkt der Unterfertigung dieser Verträge aufgrund seines geistigen Gebrechens nicht geschäftsfähig gewesen sei. Im konkreten Fall verneint der OGH eine partielle Geschäftsunfähigkeit.16 Rechtsgeschäfte mit Minderjährigen sind idR nichtig, wenn das Rechtsgeschäft nicht unter Mitwirkung des gesetzlichen Vertreters (bzw auch des zweiten gesetzlichen Vertreters und der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung) zustande gekommen ist. Davon ausgenommen sind Rechtsgeschäfte, die per Gesetz bei Rechtsgeschäften mit Minderjährigen durch deren bloße Mitwirkung selbst wirksam geschlossen werden können (vgl § 170 Abs 2 und Abs 3 ABGB). Ähnliches gilt für erwachsene geschäftsunfähige Personen (siehe sogleich). Das ABGB regelt in § 865 ABGB nachstehende Möglichkeiten für die (Un-)Wirksamkeit eines mit einem Mündel abgeschlossenen Rechtsgeschäfts: 1. Geschäftsunfähigkeit nach Satz 1 leg cit Minderjährige unter sieben Jahren (Kinder) und erwachsene Personen, die den Gebrauch der Vernunft nicht haben, sind unfähig sich rechtsgeschäftlich zu binden. Geschäfte, die 12 13 14 15 16 OGH 15.6.1988, 1 Ob 574/88; 26.5.2000, 2 Ob 146/00k. OGH 27.2.1985, 3 Ob 565/84, RIS-Justiz RS0014615 (T1). OGH 29.3.2006, 3 Ob 183/05s. OGH 29.3.2006, 3 Ob 183/05s. Vgl OGH 28.8.2013, 6 Ob 44/13h. Trentinaglia, HB Vermögensverwaltung im Kindschafts- und Sachwalterrecht 7
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