Wirtschaftsblatt, 15.04.2016 http://wirtschaftsblatt.at/archiv/printimport/4967753/WasUSInvestoren-anlocken-konnte Was US-Investoren anlocken könnte Europa gilt aufgrund niedriger Wachstumsraten und hoher Schulden als schwieriges Pflaster für Investoren. Österreich profitiert von seinem geringen Engagement in China. NEW YORK. Geschichte und Kaffeehäuser-dafür ist Österreich in den USA bekannt, sagt Claus Raidl. Der Präsident der österreichischen Zentralbank ist Sprecher der Initiative 21st Austria, die an diesem Image arbeiten möchte. Ihre Mitgliederösterreichische Unternehmen sowie die Österreichische Zentralbank und die Wiener Börse-halten 30 Prozent des Wiener Börsenwerts. Auf einem Kongress in New York wurde-mittlerweile zum vierten Mal-über die Herausforderungen und Chancen sowie die Stärken und Schwächen Europas als Wirtschaftsstandort gesprochen. Er habe schlaflose Nächte, wenn er an Investitionen in Europa und Österreich denke, sagt Cedric Scholtes. Er war bis 2006 bei Goldmann Sachs und ist nun Head of Global Rates bei Fischer Francis Trees& Watts (FFTW).Die private Investment-Firma managt Assets im Wert von 18,6 Milliarden €.Das größte Problem, das er sieht, ist die Nachhaltigkeit der Schulden. Die europäischen Länder-auch Österreich-hätten sich über die Krise gerettet, indem sie Schulden machten. Zwar hätten auch die USA Schulden, aber im Gegensatz zu Europa gäbe es eine günstigere demografische Entwicklung. "Die USA haben noch Kapazitäten zu wachsen", sagt Scholtes. In den Euroländern gäbe es hingegen niedrige Wachstumsraten und Inflation und schlechtere demografische Entwicklungen, sprich Überalterung. Er rät Europa zu Strukturreformen und zieht als Beispiel Japan heran: "Dort herrscht derzeit die Situation, dass weder Banken noch Politik die Möglichkeit haben, die Inflation zu erhöhen. Ohne Strukturreformen kann das auch Europa passieren." Man sei in Europa derzeit geleitet von der EZB, der Europäischen Zentralbank. "Dieser Weg ist okay, solange es keinen Sturm gibt",sagt Scholtes. Österreich attraktiv Ein Vertreter eines weiteren großen US-Investors, der namentlich nicht genannt werden will, sieht die Entwicklung Europas und vor allem Österreichs weit weniger sorgenvoll: Die Schulden seien aufgrund niedriger Zinsen kein Problem, die Höhe der Verschuldung sei kein europäisches Unikum, sondern betreffe die USA im selben Ausmaß. Die US-Banken hätten sich zwar nach der Krise schneller rekapitalisiert, aber: "Langfristig erholen sich auch die europäischen. Zudem sind sie zurzeit sehr günstig bewertet." Attraktiv ist für den Investorenvertreter im europäischen Vergleich vor allem Österreich. Das Land sei "relativ günstig bewertet", sagt er, dies weise auf eine Outperformance in den kommenden Jahren hin. Das Wachstum sei durchschnittlich, internationale Investoren seien noch unterinvestiert. Was die Attraktivität Österreichs ausmache, Seite 2 sei das Verhältnis zu China: "Große Länder wie Deutschland haben starke Verbindungen zu China. Die Verschuldung Chinas ist aber hoch, das Wachstum wird unserer Einschätzung nach zurückgehen-davon werden deutsche Unternehmen mehr betroffen sein als österreichische." Einen Kritikpunkt gibt es vonseiten des Investorenvertreters. Sein Unternehmen investiert im Normalfall ab 500 Millionen € aufwärts. "Ein kleines Land wie Österreich hat nicht genug Liquidität." Das mache Investitionen in Österreich im Vergleich zu großen Finanzplätzen teurer. Eine Lösung wäre ein gemeinsamer europäischer Finanzplatz. Das sieht auch Lucio Vinhas de Souza so. Der Chef des Wirtschaftsteams des Europäischen politischen Strategiecenters (EPSC) hält es für Investoren aufgrund der verschiedenen Voraussetzungen in den EU-Ländern für schwierig, zu investieren. Die "seichten" nationalen Kapitalmärkte würden einen erfolgreichen Exit aus einem Investment erschweren. Bei einem Brexit hätte die EZB kein Interesse daran, negative Effekte für den Finanzstandort London zu verringern. Ewald Nowotny Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank Stärke kommt nicht von Erfolg, sie kommt vom Kampf. Deshalb müssen wir Herausforderungen wie die Flüchtlingskrise als Chance sehen. Claus Raidl Präsident der österreichischen Nationalbank Österreich hatte drei Jahre des Hangovers. Unser Problem sind Krisen in für uns großen Märkten wie der Ukraine oder Serbien. Karl Aiginger Wifo-Direktor Die Beziehungen zwischen Österreich und den USA sind so gut wie seit den 1980ern nicht mehr. Wir spielen nach wie vor eine wichtige Rolle als politischer Brückenbildner. Wolfgang Waldner US-Botschafter Wir entwickeln gerade eine Plattform, über die Investoren einfach in europäische Fonds investieren können und in europäische Hidden Champions, die Risikokapital benötigen. Ambroise Fayolle Vizepräsident der Europäischen Investment Bank Die Finanzmärkte in Europa sind flacher als die in den USA. Mit dem Juncker-Plan soll es zu integrierten Finanzmärkten statt nationalen kommen-ein solcher liquider europäischer Finanzmarkt macht den Exit für Investoren einfacher. Lucio Vinhas de Souza Head of Economics im European Policy Strategy Center (EPSC) Seite 3 Die Geschichte zeigt es immer wieder: Länder erholen sich. Ich glaube nach wie vor an das Wachstum, weil es der Grundstock für Innovation und ein höheres Einkommen ist. Herbert Stepic Berater von Raiffeisen Der Ratingausblick für Österreich ist stabil. Es gibt aber noch Raum für Verbesserungen. Dietmar Hornung Associate Managing Director, Moody's Investors Hintergrund 700 österreichische Unternehmen haben laut Wirtschaftskammer Standorte in den USA, 500 US-amerikanische Betriebe sitzen auch in Österreich. Die USA sind nach Deutschland der zweitwichtigste Exportpartner: die Exporte betrugen zuletzt 7,77 Milliarden €, die Importe 4,46 Milliarden €. 5,43 Milliarden € investierten Österreicher 2014 in den USA, 22.800 Menschen sind für österreichische Investoren tätig. Umgekehrt investieren Amerikaner 14,2 Milliarden € und beschäftigen 25.800 Österreicher. Die Recherchereise erfolgte auf Einladung von 21st Austria. (WirtschaftsBlatt, Print-Ausgabe, 2016-04-15)
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