Die Angst der Psychotherapeuten

Die Angst der Psychotherapeuten
Therapie von Angstpatienten
Auszüge aus dem Buch von:
Dr. med. Egon Fabian, Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapeutische
Medizin, Psychoanalytiker und Lehranalytiker und Chefarzt der DynamischPsychiatrischen Klinik Menterschwaige in München, „ANATOMIE DER ANGST.
Ängste annehmen und an ihnen wachsen.“ Mit einem Vorwort von Raymond
Battegay. Klett-Cotta, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-608-94796-0, Euro 22,95.
Die Unsicherheit oder vielmehr die nicht bearbeitete eigene Angst des Therapeuten
(im Sinne der Einsicht in die eigenen Mechanismen der Angst und ihrer
Abwehrformen) kann negative Folgen für die Therapie haben.
S. 298
Frieda Fromm-Reichmann, die deutsch-US-amerikanische Ärztin, Psychoanalytikerin und Psychotherapeutin befand, dass:
„Der unsichere Psychotherapeut sich vor den Ängsten seiner Patienten fürchtet.
D.h., er möchte nichts über ihre Angst und ihre Angst verursachenden Erlebnisse
hören. So vereitelt der Psychotherapeut etwa die Absicht des Patienten, diese seine
Erlebnisse psychotherapeutisch zu betrachten; er glaubt, den Patienten beruhigen zu
müssen, während in Wirklichkeit er selber Beruhigung nötig hat. Dadurch hindert er
den Patienten aber daran, wichtiges affektives Material in Worte zu kleiden und
durchzuarbeiten.“
S. 298
Welche menschlichen und beruflichen Eigenschaften werden von Therapeuten
welche mit Angstpatienten arbeiten erwartet?
„Vor allem die Fähigkeit, haltende, tragende Funktion zu gewähren, ferner
Empathiefähigkeit, flexible Abgrenzung, geistige Tiefe, Verspieltheit, eigene
Authentizität, Kreativität und Identität. Viel Lebenserfahrung ist von Vorteil. Er muss
eine vertiefte Kenntnis seiner eigenen Angst besitzen und nachreflektieren können,
welche Manifestations- und Abwehrformen er selber benutzt, um mit der eigenen
existenziellen Angst fertig zu werden, d.h. nicht seine Angst, wohl aber seine Angst
vor der Angst überwunden zu haben. Erst dann ist er imstande, die vielfältigen
Angstvarianten im Patienten wieder zu erkennen und bearbeiten zu können. Vor
allem muss der Therapeut mit der eigenen Person zeigen, dass Angst Teil des
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menschlichen Schicksals und nicht nur des Schicksals des Patienten ist und dass
auch er, der Therapeut selbst, Wege gefunden hat, mit dieser Angst zu leben, ja
durch sie zu wachsen und menschliche Tiefe zu bekommen. Sein Lebensstil als
gruppenfähiger Mensch kann dem Patienten verdeutlichen, dass auch er die anderen
braucht, um aus seiner Einsamkeit herauszufinden und seine Angst mit ihnen zu
teilen. Der Therapeut, der Angst- und Furchtlosigkeit vortäuscht, wird bei
sogenannten Angstpatienten keinen Erfolg haben, denn sie durchschauen, dass es
sich lediglich um Fassade handelt. Technisches Know-how, Geschick, Erfahrung
helfen nur dann, wenn sie von einer entsprechenden Persönlichkeit getragen
werden.
Patienten, die unter vermehrter Angst leiden, sind traumatisierte, verlassene oder
missbrauchte Menschen, deren Misstrauen gross ist und die aufgrund gerade dieses
Misstrauens einsam sind auch angesichts ihrer Angst. Der Verlust an Vertrauen und
Selbstsicherheit führt oft zu chronischen Ängsten. Der therapeutische Prozess des
Angstpatienten ist ein Vertrauensbildungsprozess eines grundsätzlich enttäuschten
und misstrauischen Menschen.
Es muss hier nochmals betont werden, dass die in unserer Zeit sehr verbreitete
Manualisierung von Therapeuten die Illusion nährt, dass Therapie nach einem
Schema erlernbar ist, quasi unabhängig von der Person des Therapeuten. Sogar die
Behandlung von Panik, bei der es besonders auf die menschliche Empathie, die
Tragfähigkeit und das Mitgefühl dem angstgeplagten Menschen gegenüber
ankommt, wird manualisiert. Allein die erlernte Technik verfehlt die tiefe Angst des
Patienten.
Übermässige, unkontrollierte Angst kann immer auf die Einsamkeit des verlassenen,
vernachlässigten, missbrauchten und misshandelten oder in seinem Menschsein
nicht beachteten und manipulierten Kindes zurückgeführt werden. Deshalb ist
Angsttherapie Kontakttherapie. Mit dem Therapeuten kann der Patient die wieder
gutmachende und heilende Erfahrung machen, dass der Weg aus dem Leid der
Angst mit dem Weg aus der Einsamkeit identisch ist.
S. 299/300
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Positive Therapie von und mit Angstpatienten
Die Therapie der Angstkrankheiten besteht nicht darin, die Angst zu nehmen,
sondern, im Gegenteil, die Quelle (Ursprung) der Angst als Urangst erst richtig
bewusst zu machen, um dann nach Wegen aus der Einsamkeit der Angst
gemeinsam mit dem Therapeuten zu suchen.
Für den angstgeplagten Menschen gilt: Jedes empathische Zuhören, jedes Zeichen
des Verstehens, das dem Patienten signalisiert, dass er mit seiner Angst nicht allein
ist, ist bereits Therapie.
Therapie ist der Ort, an dem der Patient jemanden findet, der im Rahmen einer
tragenden und empathischen Beziehung seine Angst versteht und bereit ist, mit zu
tragen, wenn auch nur für eine begrenzte Zeit. Die Erfahrung, dass dies möglich ist,
d.h. dass die Einsamkeit kein Schicksal ist und bleiben muss, ist wichtig, weil der
Patient sie auch nach der Therapie wiederholen und aktiv mit gestalten
kann.
S. 302/303
Eine Therapie ist dann erfolgreich, wenn der Mensch weniger Angst vor seiner
Angst hat, seine Grundängste begriffen hat und bereit ist, sie anzunehmen und an
ihnen zu wachsen.
S. 304
Zusammenfassung von U. Margot 11/2012
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