Schwieriges Thema gut inszeniert

Villingen-Schwenningen
Schwieriges Thema gut inszeniert
Schwarzwälder-Bote, 17.11.2015 03:32 Uhr
Hervorragend arbeiten die acht Schauspieler die verschiedenen Typen und deren Schicksale
heraus des Stücks "Blütenträume" im Theater am Turm heraus. Foto: Heinig Foto:
Schwarzwälder-Bote
Weit mehr als eine Komödie ist Lutz Hübners von Verena Müller-Möck im
Villinger Theater am Turm inszeniertes Stück ​"Blütenträume".
Von Wolfgang Tribukait
VS-Villingen. Das Stück zeigt verschiedene Formen von Einsamkeit, in der die
Menschen unserer Gesellschaft leben und der sie zu entkommen versuchen –
was manchmal komisch wirkt, manchmal tragisch misslingt und selten glückt.
Hervorragend arbeiten die acht Schauspieler die verschiedenen Typen und
deren Schicksale heraus. In einem Volkshochschulkurs möchten alle lernen,
Kontakte zu gewinnen – zum Lachen komisch, wie die Konzepte des Kursleiters
an den individuellen Reaktionen scheitern: der selbstherrliche aufgeblasene
Gockel, der pensionierte Schulrektor Friedrich (Bernhard Limberger), eine
rheinische Frohnatur, die der zurückhaltenden Bibliothekarin Britta (Anne
Giusa) herzlich unsympathisch ist.
Julia (Alexandra Ben) ist frustriert, weil all ihre bisherigen Versuche, einen
Mann zu erobern, scheiterten, und indem sie es mit übergroßem Eifer von
neuem versucht, provoziert sie erneutes Misslingen. Hektische Aktivität und
allzu große Gier nach Lust zeigt Gila (Ursula Koch). Der Lackierer Heinz
(Hermann Hummel) und der in seine Hölzer verliebte Schreiner Ulf (Werner
Bornholdt) ringen mühsam nach Worten, um sich vorzustellen. Und die stille
verwitwete Frieda (Connie Burkart) lässt erst im späteren Spielverlauf
erkennen, wie sehr die langjährige Pflege eines dementen Ehemanns sie
verstörte.
Allen gelingt es hervorragend, die verschiedenen Menschentypen zu
verkörpern. Nachdem sie sich des lächerlich inkompetenten Kursleiters Jan
(Marvin Polomski) – der klebt an seinem Konzept, berücksichtigt nicht die
Lebenserfahrung der Menschen, stört immer wieder sich anbahnende Kontakte
– durch einen Faustschlag entledigt haben, treffen sich die Kontaktsucher
privat in einer Wohnung. Tanz und Alkohol haben ihre Zungen gelöst, jetzt
können sie einander ihre geheimen Wünsche offenbaren.
Erschütternd, wie Frieda ihre Einsamkeit an der Seite ihres dementen Mannes
schildert. Und wie unbefriedigend bleiben sexuelle Abenteuer der Männer. In
ihrer gemeinsamen Sehnsucht, die Einsamkeit zu überwinden, erwägen sie
eine Wohngemeinschaft zu bilden. Auch wenn sie keine Studenten mehr sind –
auch ältere Menschen könnten in einer WG Nähe und Wärme finden.
Aber bei nüchterner Betrachtung zeigt sich, dass die Individualisten Friedrich
und Britta ihre Eigenheiten nicht einer Gemeinschaft opfern können. Heinz will
die Nöte einer bevorstehenden Operation nicht den anderen aufhalsen und
geht – Julia eilt ihm nach; ob sie als Pflegerin bei ihm Erfüllung findet? Gila will
auf eigene Faust Lebensfreude suchen. Aber Frieda und Ulf wollen ein Stück
Weg gemeinsam gehen, jeder in Freiheit und in Respekt vor dem anderen.
Der Inszenierung von Verena Müller-Möck gelingt es, das schwierige Problem
der Einsamkeit moderner Menschen so auf die Bühne zu bringen, dass seine
heiteren und tragischen Facetten überzeugend dargestellt werden. Ein Stück,
das ein wesentliches Problem unserer Zeit behandelt.
Das Premieren-Publikum im ausverkauften Theater am Turm dankte mit
reichem ​Applaus.