Verwirrung erwünscht? Risikokommunikation im Gesundheitswesen

Gerd Gigerenzer
„Verwirrung erwünscht? Risikokommunikation im Gesundheitswesen“
Kontakt
Gerd Gigerenzer
Max-Planck-Institut für Bildungsforschung
Adaptives Verhalten und Kognition
Lentzeallee 94
14195 Berlin
Tel:
030/82406430
E-Mail: [email protected]
www.mpib-berlin.mpg.de
Gesundheit Berlin-Brandenburg (Hrsg.): Dokumentation 20. Kongress Armut und Gesundheit, Berlin 2015
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In the 19th century health was transformed by clear, clean water.
In the 21st century health will be transformed by clean, clear knowledge.
Sir Muir Gray
Verwirrung erwünscht?
Risikokommunikation im Gesundheitswesen
Gerd Gigerenzer
Max-Planck-Institut
für Bildungsforschung
Wie gut sind Bürger über den Nutzen
der Krebsfrüherkennung informiert?
Gigerenzer et al. 2009. Journal of the National Cancer Institute.
Informierte Entscheidung Braucht Informierte Ärzte und
Patienten.
Problem:
•
Die meisten Ärzte verstehen Gesundheitsstatistiken nicht.
•
Irreführende Information.
Lösung:
1. Ausbildung von Ärzten in Risikokompetenz durch
medizinische Fakultäten und Fortbildung.
2. Verständliche Faktenboxen in jeder Broschüre/Website.
Gigerenzer & Muir Gray 2013 Bessere Ärzte, bessere Patienten, bessere Medizin. MWV
Lead Time Bias
Gigerenzer, Gaissmaier, Kurz-Milcke, Schwartz, & Woloshin 2007. Psychological Science in the Public Interest.
Verstehen deutsche Ärzte
5-Jahre-Überlebensraten?
Teilnehmer: 65 Internisten
1. Beurteilen Sie das Krebs-Screening als nützlich?
Mortalitätsraten:
5% “ja”
Überlebensraten: 79% “ja”
2. Lead-time-bias?
3. Overdiagnosis?
2 von 65 Ärzten
0 von 65 Ärzten
Wegwarth, Gaissmaier & Gigerenzer. Medical Decision Making 2011
FAKTEN BOX
Brustkrebs-Früherkennung durch Mammographie über 10 Jahre
je 1.000 Frauen 50+
OHNE
Screening
MIT
Screening
Brustkrebssterblichkeit
5
4
Krebssterblichkeit
21
21
--
100
--
5
Nutzen?
Schaden?
Falsch-Positive/Biopsie
Unnötige Behandlung
Quellen:
Gøtzsche PC & Jørgensen KJ 2013. Cochrane Database Systematic Review
Woloshin S & Schwarz LM 2009. Journal of the National Cancer Institute
www.harding-center.de
Irreführende Information am Beispiel der
Blauen Ratgeber der Deutschen Krebshilfe (vor 2009)
Nutzen?
Brustkrebssterblichkeit
bis zu 30%“
98% Überlebensrate nach OP
Krebssterblichkeit
KEINE INFORMATION
Schaden?
Falscher Alarm
KEINE INFORMATION
Nicht-progressiver Krebs KEINE INFORMATION
Krebs durch Strahlen
praktisch bedeutungslos“
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Was bedeutet positiv?
1 in 10 hat Krebs
(bis 2004 keine Information)
2007
Seit 2009: Keine irreführenden Statistiken mehr! Aber …
Keine Zahlen über Nutzen
Deutsche Krebshilfe/ Krebsgesellschaft
Kompromiss-Zahl: 1 in 200
Kooperationsgemeinschaft Mammographie/
DKFZ/ Deutsche Krebshilfe
www.harding-center.de
GESUNDHEIT IST EIN BILDUNGSPROBLEM
Wenn wir informierte Entscheidungen
möchten, dann sollten wir folgendes tun:
1. Medizinische Fakultäten und Fortbildung
sollten Ärzte systematisch in Risikokompetenz
ausbilden.
2. Verständliche Faktenboxen in jeder
Broschüre/Website und für jede Behandlung.