20160103 Jahreslosung Jes 66,13

Gottesdienst zum Jahresbeginn,
3.1.2016, Kirche Ermatingen,
Pfr. Marc Mettler
Jahreslosung aus Jesaja 66,13
Liebe Mitchristen, liebe Gemeinde
Das Volk Israel, zu dem dieses Wort als
erstes gesagt wurde, brauchte Trost, weil es
darunter litt, dass ein Großteil seiner
Glaubensgeschwister noch immer in der
babylonischen Gefangenschaft saß.
Eine wirklich depressive Stimmung im Volk,
das sich einst so nah an Gott gefühlt hat, sich
von ihm geführt, geleitet und bewahrt wusste.
Und nun die grosse Trost-Losigkeit!
„Nichts Neues unter der Sonne“, könnte man
jetzt resigniert sagen, denn so erginge es
auch Jahrhunderte später in der Zeit des
Neuen Testaments.
der Apostel Paulus redet davon, wie bedrängt
und unsicher unser Leben ist. Und zwar für
alle: für Mensch und Tier, für die gesamte
Schöpfung. Sie stöhnt und seufzt. Wie von
selbst wird manches immer schlimmer.
Die Bibel nimmt diese wahrgenommene
Realität immer wieder auf.
Und in unserer Zeit? Wer heute die Welt sieht,
wie sie ist, der nimmt doch viel Trostlosigkeit
wahr.
Da verhungern Menschen, werden entwürdigt,
werden ihrer Möglichkeiten beraubt, von
einem Tumor zerfressen.
Korruption und Ausbeutung macht sich immer
schneller breit.
Alle Menschen durch alle Zeiten hindurch
haben wahrhaft immer wieder Trost nötig!
So spricht in Gottes Auftrag und in seinem
Namen der Prophet Jesaja zu den Menschen:
Ich will euch trösten, wie einen seine
Mutter tröstet. (Jesaja 66,13)
Das spricht er zu den hoffnungslosen,
scheinbar vergessenen Israeliten an den
Strömen Babylons;
Das spricht er zu den in im römischen Reich
wegen ihrem Glauben versklavten Frauen,
Männer und Kinder;
Das spricht er zu dem Mann im Mittelalter, der
wegen der Pest seine ganze Familie verliert;
Das spricht er zu der deutschen Frau, die im
dritten Reich die Nachricht erhält, dass ihr Mann
an der Front gestorben ist – genauso und
gleichzeitig wie zu dem jüdischen Mädchen, das
zuschauen muss, wie ihre Eltern deportiert
werden;
Und das spricht Jesaja auch zu jenem Mann, der
in vor Weihnachten in der Firma nicht eine „Grati“
sondern die Kündigung erhalten hat;
Und so spricht das der Prophet im Namen Gottes
genau so auch zu uns heute: Was für eine
verheissungsvolle, hoffnungsgebende
Verheissung Gottes: Ich will euch trösten, wie
einen seine Mutter tröstet.
Der Prophet Jesaja schlägt uns aber nicht
einfach ein theologisches Dogma um die Ohren,
sondern baut uns eine Brücke und erinnert uns
daran, dass Mütter besonders gut trösten
können.
So erinnert sich beim Hören dieser Worte
vielleicht ein Kind daran, wie sehr es sich an
Weihnachten auf den Besuch ihrer Tanten
gefreut hatte. Wegen starken Schneefalls musste
der Besuch abgesagt werden – jetzt gab es keine
Geschenke.
Ihre Mutter nahm es in den Arm und tröstete es
so über die ausgebliebenen Geschenke hinweg.
Jemand von uns erinnert sich vielleicht daran,
dass er seinerzeit – nach einem Streit mit der
Familie ins Gartenhaus gezogen ist – es war die
Mutter, die kam, redete und den Weg zurück
ermöglichte.
Einen Blick in unsere Vergangenheit lässt uns
vermutlich auch so Situationen erkennen, wo wir
mütterlichen (oder allenfalls auch väterlichen)
Trost erfahren haben und der damals soooooo
gut tat, obwohl in jenem Moment der
Problempunkt ja nicht aus der Welt geschafft war!
Mütter können wirklich sehr oft herrlich wohltuend
trösten - Väter, Freundinnen und Freunde auch.
Zum Schlimmsten, was wir erleben können,
gehört es wohl, ohne Trost zu sein. Etwa wenn
eine Beziehung auseinander geht und keiner da
ist, der den Schmerz mit einem teilt.
Es mag einem schlecht gehen, man mag sich
elend und bedauernswert fühlen, das ist schlimm
genug. In diesem Elend dann allein sein zu
müssen, niemanden zu haben, der es mit einem
aushält, der sich kümmert – das ist unendlich
trostlos.
Nun ist aber trösten typisch für Gott. Das ist
gut so. Weil wir erkennen, dass dann, wenn
es uns wirklich schlecht geht und wir Trost
brauchen, uns nichts hilft, was nach dem
Motto daher kommt: „Es ist doch gar nicht so
schlimm” oder „nimm‘s dir nicht so zu
Herzen.”
Gott setzt ein ABER in die Welt.
Ein ABER gegen alles Schwere, was
geschieht.
Ein ABER gegen alles Drückende, was durch
uns geschieht.
Ein ABER gegen das Dunkle, was wie von
selbst jeden Tag geschieht.
Es ist ein ABER seines Erbarmens.
Es ist das ABER der Auferstehung – das
dürfen wir mit dem Blick auf Ostern nie
vergessen – es gibt das ABER des Sieges
Jesu am Kreuz!
Wir haben das Versprechen Gottes, dass er
alles drehen wird. Was diese Welt und uns
quält, wird er drehen, wenden, beugen,
beenden, besiegen – Gottes Macht hat das
letzte Wort. Ja, Gott tröstet!
Wie fühlt sich solcher Trost an, der mitten in
der Welt zum Lob Gottes anstiftet. Mit Worten
lässt sich Trost ganz schwer beschreiben
oder definieren. Von erfahrenem Trost muss
man erzählen. Wo wir uns gegenseitig solche
Trostgeschichten erzählen, wird etwas davon
deutlich, was die Bibel mit Trost meint:
aufatmen lassen, Hilfe herbeirufen,
ermahnen.
Trost schenkt also Luft zum Atmen, er ist
etwas Befreiendes.
Die „Kirche“ darf tröstend unterwegs sein. Sie
schenkt Kindern, Jugendlichen und
Erwachsenen Trost oder ist Hilfe, wenn sie
selbst nicht helfen kann und doch da ist.
Wer echten Trost erlebt, spürt den Trost
Gottes, kommt in Bewegung und bleibt
empfindsam für alle Trostlosigkeit dieser Welt.
Auf den ersten Blick gibt es nur eine Linie in
dieser Jahreslosung: Gottes Trost zu uns.
Doch mit dem Beispiel des mütterlichen
Trostes, kommt noch eine zweite Linie dazu:
die von uns zu unseren Mitmenschen!
Wir alle, ob Frau oder Mann, ob mit oder ohne
Kinder sind aufgerufen in dieser Welt, in diesem
Land, in unserem Dorf, in unserem Quartier, in
unserer Verwandtschaft, an unseren
Arbeitsplätzen, in unserem Sportverein, …,
tröstende „Mütter“ für unsere Mitmenschen zu
sein.
So sind wir alle durch Gott nicht ohne Trost!
Der Apostel Paulus macht dies im seinem
zweiten Brief an die Korinther deutlich und damit
möchte ich schliessen:
„Gepriesen sei Gott, der Vater unseres Herrn
Jesus Christus!
Denn er ist ein Vater, der sich erbarmt,
und ein Gott, der auf jede erdenkliche
Weise tröstet und ermutigt. In allen unseren
Nöten kommt er uns mit Trost und
Ermutigung zu Hilfe,
und deshalb können wir dann auch anderen
Mut machen, die sich ebenfalls in irgendeiner
Not befinden:
Wir geben ihnen den Trost und die
Ermutigung weiter, die wir selbst von Gott
bekommen.” (2. Korinther 1,3–4 NGÜ)
Amen