Bischof Dr. Dr. h.c. Markus Dröge Kirchenzeitung Ausgabe Nr. 1 / 2016 Kommentar zur Jahreslosung 2016 (2.500 bis max. 3.000 Zeichen erbeten, bis Mo., 21.12.15) „Gott spricht: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“ Jesaja 66,13 Ihre Füße stecken im Schlamm, aber ihre Arme sind weit ausgebreitet. Sie ist in die Knie gegangen, um mit ihren Kindern auf Augenhöhe zu sein. In ihre Arme schmiegen sich ein Junge und ein Mädchen. Sie sind erschöpft, verbergen ihre Gesichter im Mantel der Mutter, weil sie nicht mehr können. Erlebt habe ich diese Szene an der griechisch-mazedonischen Grenze im September dieses Jahres. Die Mutter tat auf der Flucht das, was jeder Vater und jede Mutter tut, selbst wenn es keine Hoffnung mehr zu geben scheint. Sie nimmt ihre Kinder in den Arm und ist für sie da. Trösten heißt nahe sein, gerade dann, wenn uns die Worte fehlen. 2015 war ein Jahr der Kriege und Krisen, in Syrien, in Europa und in Deutschland. Und nun hören wir die neue Jahreslosung: „Gott spricht: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“ Trost kann eine Situation nicht sofort verändern. Aber das gemeinsame Festhalten an der Erinnerung, dass es anders sein kann und anders sein wird, kann Hoffnung geben. 2015 war auch das Jahr des bürgerschaftlichen Engagements. So viele wie lange nicht mehr, haben in der Flüchtlingshilfe Ausdauer gezeigt, auch wenn sie von den neuen Rechtspopulisten als „nützliche Idioten“ bezeichnet und von Rechtsextremen bedroht wurden. Eindrucksvoll waren für mich die Gespräche in Neuhardenberg, in Nauen und in Jüterbog. Mutige Menschen lassen sich weder von Demagogie noch von Brandstiftungen einschüchtern. Unser Land steht vor großen Heraufforderungen: Menschen fremder Kultur integrieren, soziale Verteilkämpfe fair moderieren, europäische Solidarität in zähen Verhandlungen durchsetzen, Fluchtursachen weltweit bekämpfen, gescheiterte Staaten wieder aufbauen und dem sogenannten „Islamischen Staat“ Einhalt gebieten. All das geht nicht von heute auf morgen. Wir können dankbar dafür sein, stabile gesellschaftliche Verhältnisse mit einer gut funktionierenden Demokratie zu haben, in der all diese Probleme offen diskutiert und klar fokussiert werden. Weltweit werden wir darum beneidet. Trostlos ist, wer in dieser Situation auf die Parolen der neuen Rechtspopulisten vertraut. Sie haben keine Lösungsansätze, nur finstere Denkmuster aus undemokratischen Zeiten. Sie reden von „denen da oben“, von der „Lügenpresse“, vom Verbot, die „Wahrheit“ zu sagen. Verweigerungshaltung statt aktiver Mitarbeit. Eine doppelte Integrationsaufgabe liegt deshalb vor uns: Die Neubürger fremder Kultur müssen integriert werden, aber auch die zunehmende Zahl der Verweigerer unter den Alteingesessenen. Sie müssen zurückgewonnen werden, bevor sie sich durch destruktive Opposition weiter aus unserer Gesellschaft verabschieden. Falsche Propheten sind daran erkennbar, dass sie dem Volk populistisch nach dem Mund reden. Sie gaukeln einfache Lösungen vor und missachten das Recht der Schwachen. Anders Jesaja. Am Anfang des Kapitels der Jahreslosung schreibt er diesen Satz: „Gott spricht: Ich sehe auf den Elenden und auf den, der zerbrochenen Geistes ist…“. Als echter Prophet tritt Jesaja für die Menschenrechte der Schwächsten ein und macht gleichzeitig Mut, sich den Herausforderungen zu stellen. Sein Trostwort ist ein gutes Wort für 2016! (3.144 Zeichen)
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