Predigt 21. Februar 2016 Chrischona-Gemeinde Rüti ZH Falkenstrasse 1, 8630 Rüti ZH Predigtreihe: Gott kennen. Gott lieben. Sehen und gesehen werden! El Roi – Jahwe Jireh 1. Mose 16,1-14 / 1. Mose 22,1-19 Sehen und gesehen werden! Dieser Titel ist natürlich missverständlich. Oder woran denkst du als erstes, wenn du diese Worte hörst? Ich denke an Promis: Leben im Rampenlicht. VIP-Partys. Sich profilieren. Sehen und gesehen werden! Wenn man diesen Ausdruck so gebraucht, dann hat er schnell etwas Spöttisches, etwas Abschätziges an sich: Sehen und gesehen werden! Sehen und gesehen werden! Zu diesem Ausspruch passt aber auch eine solche Leuchtweste: Ich sehe in der Dunkelheit eine Person, die eine solche Weste trägt viel schneller. Und wenn ich eine solche Weste trage, dann werde ich selber gesehen: Sehen und gesehen werden! Vom Sehen und Gesehen werden spricht auch der Bibeltext, den wir in der Schriftlesung gehört haben. Wir stehen in der Predigtreihe, wo wir fragen: „Wer bist du, Gott?“ – Gott kennen. Gott lieben. Wer bist du, Gott? – Gott stellt sich in seinem Wort mit Namen vor, verschiedene Namen! Über diese Namen wollen wir nachdenken. Dieses Nachdenken wird dir helfen, Gott besser kennen zu lernen. Durch dieses Nachdenken über die Namen Gottes, wird deine Liebe zu Gott wachsen. Und wie ich in der letzten Predigt aufgezeigt habe: Auch wenn wir uns in diesen Predigten vor allem mit Texten aus dem Alten Testament beschäftigen, sind wir doch ganz nahe bei Jesus. Mit jedem Namen offenbart uns Gott ein Stück von sich selbst: So bin ich! Jeder Name offenbart ein Stück von Gottes Wesen. Und weisst du, wo die ganze Fülle von Gottes Wesen zu finden ist? In Jesus: In Jesus Christus wohnt die ganze Fülle von Gottes Wesen (vgl. Kol 2,9). Wenn wir also auch heute über einen Namen Gottes, den die Bibel offenbart, nachdenken, lernen wir Jesus Christus besser kennen. Denn das Alte Testament hat ein grosses Ziel: Auf Jesus hinweisen! Wir wollen heute über zwei Namen Gottes nachdenken, die im Kern aber dasselbe aussagen: El Roi und Jahwe Jireh: Gott, der mich sieht! Der HERR sieht! Hagar – aussichtslos! Tauchen wir ein in die Geschichte, die wir in der Schriftlesung gehört haben. Hauptperson in diesem Text ist eine Frau, die im Leben nur eine Nebenrolle spielt. Eine Sklavin. Eine Frau, die kaum über Rechte verfügt, dafür aber sehr viele Pflichten zu erfüllen hat. Hagar, Sklavin im Dienst für Sarai. Dass diese Hagar so gut wie keine Rechte hat, führt uns dieser Text deutlich vor Augen. Sarai ist kinderlos. An diesem Zustand möchte sie etwas ändern. Also nimmt sie ihre Sklavin Hagar und bietet sie ihrem Mann an. Er soll mit ihr schlafen. Wenn Sarai Glück hat, wird Hagar schwanger und das Kind, das sie gebären wird, gilt als Sarais Kind. 1 Schön und gut. Die einzige, die in diesem Spiel nicht gefragt wird, ist Hagar selbst. Und für sie ist es sicher kein Spiel. Es bleibt ihr aber nichts anderes übrig, als sich zu fügen. Und so wird Hagar schwanger. Und das werdende Mutterglück verändert etwas in Hagar. Sie duckt sich nicht mehr einfach weg. Sie beginnt sich ihrer Herrin gegenüber zu behaupten. Diese Frau hat etwas Rebellisches, etwas Aufbegehrendes. Wer kann es ihr verargen? Sie will eine neue Position einnehmen. Aber das geht natürlich für eine Sklavin nicht. Kämpferherz und Mutterleidenschaft von Hagar hin oder her. So wird es Sarai zu viel. Sie fühlt sich gedemütigt. Und sie fordert Abram auf, er soll als Patriarch ein Machtwort sprechen und die Ordnung wieder herstellen. Abram tut es, indem er Sarai sagt: „Hagar ist immer noch deine Sklavin. Du kannst mit ihr tun und lassen, was du willst.“ Für Sarai ist damit die Ordnung wieder hergestellt. Für Hagar bedeutet es: Schmerzhaft zurück auf den Boden der Realität geholt. Von wegen: Frau sein. Mutter sein. Nichts ist sie. Nur Sklavin. Und offenbar lässt sie Sarai das deutlich spüren: Sarai sprang hart mit ihr um. In anderen Bibeln lesen wir, dass Sarai sie gedemütigt hat. Die Bibel schweigt darüber, wie es Hagar dort draussen in der Wüste ging. Vielleicht preschte sie immer noch mit der Wut im Bauch vorwärts. Vielleicht haben sie auch erste Zweifel überkommen. Wir wissen es nicht. Wir lesen aber, dass Gott diese Frau anspricht. Die Sklavin. Die Ausländerin. Die ohne Rechte. Er will nicht, dass dieses Kämpferherz in der Wüste elend zugrunde geht. Und so fragt er: Hagar, Sklavin von Sarai, woher kommst du und wohin gehst du? Die erste Frage kann Hagar sofort beantwortet, sie packt aus: Ich bin auf der Flucht vor meiner Herrin Sarai. Die zweite Frage muss sie unbeantwortet stehen lassen: Wohin gehst du? Das wüsste sie selber wohl auch gerne! Und dann kommt das Unmögliche. Gott, der durch einen Engel zu Hagar spricht, weist sie an: Kehr zu deiner Herrin zurück und ordne dich ihr unter. Andere Bibeln sprechen wieder von Demütigung: Demütige dich unter ihre Hände! Wie bitte? Das Ganze soll wieder von Neuem losgehen? Wenn es nicht sogar noch schlimmer wird! Denn worauf darf eine entlaufene Sklavin schon hoffen?? Und nun meldet sich wieder das Rebellische, das Kämpferische in dieser Frau. Vielleicht ist es auch der Schmerz einer verwundeten Seele, der zu gross wird. Sie kann, sie will sich nicht einfach benutzen zu lassen. Sie ist nicht willens, ihr Kind einfach so herzugeben. Sie hält es nicht mehr aus und läuft davon. Natürlich weiss sie sehr wohl, dass sie damit ihr Leben aufs Spiel setzt. Und so ist es: Ihr Ausbruch führt sie an keinen besseren Ort als in die Wüste! Wir sind versucht zu sagen: Diese Hagar trifft es nun einfach knüppeldick! Du wirst ohne zu fragen als Fortpflanzungsmittel benutzt – und wenn dann dein rebellisches Mutterherz aufschreit und du das Weite suchst, dann sagt Gott: Kehr zu deiner Herrin zurück und ordne dich ihr unter. Was für ein Gott ist das? Ist das nicht brutal? Ist das nicht grausam, kalt und hart? Könnte darin für uns vielleicht eine Mahnung liegen? Wo wir meinen, unser Schicksal selbst in die Hand nehmen zu müssen, finden wir uns unversehens statt im Paradies in einer Wüste? Dennoch, wer will es dieser Hagar verargen, dass sie ausbricht! Interessant ist, wie Hagar darauf reagiert. Natürlich wird sie gestärkt durch die Verheissung, die Gott über ihrem Sohn ausspricht. Aber dennoch: Diesen Weg, der da vor ihr liegt, den musst du erst einmal gehen! Diese Demütigung: Die Rebellin kehrt mit gesenktem Haupt zurück. Diese Ungewissheit, die sie erwartet: Worauf darf eine entlaufene Sklavin hoffen? 2 Und was sagt nun Hagar zu diesem knüppeldicken Befehl Gottes? Da nannte Hagar den HERRN, der zu ihr gesprochen hatte, El-Roi. Du bist ein Gott, der mich sieht. Sie nennt Gott nicht den Brutalen, den Harten und Grausamen. Du bist ein Gott, der mich sieht, El Roi. In diesen Worten liegt ein Aufatmen. Eigentlich eigenartig. Denn was Gott hier von Hagar erwartet, ist alles andere als einfach! Aber Hagar hat erfahren: Gott sieht mich. Gott hat mich schon lange gesehen. Er hat meine Verletzung gesehen. Er hat meinen Zorn gesehen. Er hat meine Rebellion gesehen. Und während ich davon gelaufen bin, hat er mich gesehen, ist mir nachgegangen, hat mich immer vor Augen gehabt, hat mich gesucht und angeredet, während ich noch voller Schmerz, Zorn und Rebellion war. El Roi. Du bist ein Gott, der mich sieht. Und weiter: Ich habe den gesehen, der mich sieht. Hagar hatte eine Gottesbegegnung. Diese Gottesbegegnung liess sie, die Verzweifelte, die Verletzte aufblicken und aufatmen. Hagar, die tief im Schlamassel steckt, den andere und sie selber auch verschuldet haben, macht die Erfahrung: Gott sieht mich. Und er lässt sich sehen! Gott sieht Hagar – und schickt sie zurück in die Demütigung! Gott verändert die Situation nicht. Kehr zu deiner Herrin zurück und ordne dich ihr unter. Unveränderte Situation. Aber: Hagar selber geht verändert in die unveränderte Situation zurück. Das Wissen: Gott sieht mich und er lässt sich von mir sehen, gibt Hagar offenbar Kraft ihren Weg zu gehen. Die Situation ist unverändert. Hagar selber wurde verändert. Sie geht verändert in die Situationen zurück und damit verändert sie die Situation. Hagar macht die Erfahrung: Selbst da, wo ich die Situation zusätzlich verbocke, indem ich kopflos, zornig und voller Schmerz in die Wüste hinausrenne – da sieht mich Gott. Da lässt Gott sich sehen. Und diese Erfahrung wurde für Hagar zur verändernden, erneuernden Kraft. Hagar nennt Gott El Roi. Das entspringt ihrem Herzen. Hätte Sie Gott als den Harten und Grausamen erlebt, so hätte sie das auch gesagt. Diese Kämpferin macht mir nicht den Eindruck, als dass sie verschweigt, was in ihrem Herzen ist. El Roi. Es bringt zum Ausdruck, dass in ihrem Herzen etwas vor sich gegangen ist. Menschlich kaum erklärbar. Es ist ein Gottesgeschenk. Wo steckst du im Schlamassel? Wo ist Schmerz in deinem Herz? Vielleicht auch Zorn über Ungerechtigkeit? Manchmal möchten wir ausbrechen, wissen aber selbst gar nicht so recht wie und wohin. El Roi, Gott sieht dich. Gott ist ein Gott, der sieht und sich sehen lässt. Manchmal verändert Gott unsere Situation nicht. Das kann sehr schwer sein. Hagar ist das beste Beispiel dafür! El Roi, Gott sieht dich. Und weil es eben GOTT ist, der dich sieht, liegt in diesem Sehen, in diesem Gesehen-Werden Kraft zur Veränderung. Menschlich kaum erklärbar. Ein Gottesgeschenk. Abraham – ausweglos! Szenenwechsel: Einige Jahre nach Hagar, machte ihr Herr, Abraham, selber eine Erfahrung, die einem Menschen das Herz zerreisst: Seinen eigenen Sohn soll er Gott opfern! Viele Fragen werden wach – auch bei mir. Führt Gott eigentlich in die Irre? Bis heute kann diese Geschichte an unserem Gottesbild zerren und bohrende Fragen wachrufen. Ich möchte nicht auf diese Fragen eingehen. Etwas anderes ist mir wichtig. 3 Letztlich verschonte Gott Abraham resp. seinen Sohn Isaak. Anstelle von Isaak opferte Abraham einen Widder. Schwierige Fragen stellen sich uns... Die wichtigste Frage für mich heute aber ist die: Wie ging Abraham von diesem Berg, auf dem er seinen Sohn hätte opfern sollen hinunter? Was nahm Abraham tief in seinem Herzen mit? Ich bin überzeugt, Abraham verliess diesen Ort des Schreckens gestärkt. Sicher, was er erlebt hatte, war schwierig, grausam. Abraham würde es sicher kein zweites Mal erleben wollen. Ein Mensch kann daran zerbrechen. Und dennoch sehen wir, dass Abraham diesen Ort nicht als gebrochener Mann verlässt. Abraham nannte den Ort Jahwe-Jireh, der HERR sieht. (1Mo 22,14) Vielleicht nahm Abraham auch Fragen mit. Es ist gut möglich, dass Abraham nicht wirklich verstand, warum er diesen schwierigen Weg zu gehen hatte. Aber das „Warum?“, das vielleicht noch bohrte, hatte keine verzehrende Macht. Dieses „Warum?“ konnte Abraham nicht fertig machen. Warum? Macht hatte für Abraham etwas anderes: Die Erfahrung und das Wissen: Jahwe Jireh. Der HERR sieht. Jahwe Jireh wird auch übersetzt mit: Der HERR versorgt. Beides ist wahr. Beides erlebten Hagar und Abraham: Mitten im Schlamassel, mitten in Fragen, in Demütigung, in Schmerz erlebten sie: Der HERR sieht und der HERR versorgt. Den Abraham „versorgte“ Gott mit einem Widder, den er stellvertretend für seinen Sohn opferte. Hagar versorgte Gott innerlich mit Kraft, dass sie den Weg zurück in die Demütigung antreten konnte. Beide erlebten Schweres. Beide hätten total verunsichert sein können. Beide wurden gestärkt. Beide bekannten dankbar und glaubend: El Roi. Jahwe Jireh. Du bist ein Gott, der sieht. Du lässt dich sehen. Und du versorgst. Das soll uns Mut machen mitten in unsere Lebenssituationen hinein. Und beide Geschichten führen uns mitten ins Neue Testament, hin zu Jesus. Sie weisen hin auf Jesus, der Mensch wurde, weil Gott die Not der Menschen sah und Erbarmen hat. Alle Menschen stecken wie Hagar fest in der Wüste: In der Wüste ihrer Schuld. Retten, den Ausweg schaffen, kann nur ein Opfer. Jesus brachte dieses Opfer am Kreuz. Er starb, um die Menschen aus der Wüste in die Gemeinschaft mit Gott zu führen. Und dieser Jesus sagte, als sein Leben auf dieser Erde zu Ende ging und er zum Vater in den Himmel zurückkehrte: Mir ist alle Macht im Himmel und auf der Erde gegeben. Und ich versichere euch: Ich bin immer bei euch bis ans Ende der Zeit. Mt 28,18+20 Damit verheisst uns Jesus nicht, dass er unsere Situationen immer so verändert, wie wir das hoffen. Aber er verheisst uns, bei uns zu sein. Wenn er äusserlich keine Veränderung schafft, dann schafft er es innerlich, in uns. In dir! Egal wo du stehst und wie es um dich herum aussieht. Denn ihm ist alle Macht gegeben. Er ist El Roi. Jahwe Jireh. Der HERR, der dich sieht. Der Gott, der sich sehen lässt. Der Gott, der dich versorgt. Darin liegt Kraft. Menschlich kaum erklärbar. Ein Gottesgeschenk. Durch Jesus Realität für jeden Menschen, der sich an Jesus Christus hält. Ich möchte dir Mut machen: Zieh dir geistlich gesehen eine Leuchtweste an. Du musst es nicht tun, damit Gott dich sieht. Aber sprich diesen Namen aus: El Roi. Jahwe Jireh. Stärke damit dein Bewusstsein: Jesus sieht mich! Ich werde gesehen. Und ich darf Jesus bitten, dass er sich sehen lässt und ich dadurch gestärkt werde. Menschlich kaum erklärbar. Ein Gottesgeschenk! Amen Martin Stettler Tel.: 055 241 16 35 E-Mail: [email protected] www.chrischona-rueti.ch 4
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