focus FOCUS3 – IM FOKUS GOTTES LEBEN Christoph Ehrat entfaltet den ersten Teil unseres Logos «Im Fokus Gottes leben» anhand einer bewegenden biblischen Geschichte. FOKUS BIBEL: DU BIST DER LEBENDIGE, DER NACH MIR SCHAUT (GENESIS 16,14) Im Fokus Gottes – Gott schaut nach mir in ausweglosen Situationen Diese überraschende Erfahrung macht Hagar, eine bedrängte und verzweifelte, aber auch überhebliche und rebellische Frau, die vor den vernichtenden Blicken ihrer Chefin Sarai in die Wüste geflüchtet ist. In dieser ausweglosen Lage schaut Gott nach ihr und begegnet ihr. «Da rief Hagar aus: Den, der mich angeschaut hat, habe ich tatsächlich hier gesehen.» (Genesis 16,13) Doch schön der Reihe nach. Wie kam es zu dieser existenziellen Notlage? Die Rahmenhandlung: Ein Bund, eine göttliche Verheissung und eine gewaltige Geduldsprobe Ein Bund und eine göttliche Verheissung «So schloss der Herr einen Bund mit Abram und versprach ihm: Ich gebe deinen Nachkommen dieses Land …» (15,18) Eine unerträgliche Spannung zwischen göttlicher Verheissung und verzögerter Erfüllung Auf der einen Seite das Versprechen: «Nicht dein Diener, sondern dein eigener Sohn wird den ganzen Besitz übernehmen» (15,4). Auf der andern Seite die harte Wirklichkeit: «Abram und Sarai bekamen keine Kinder» (16,1). Sarai deutet ihre Kinderlosigkeit dahingehend, dass Gott selber sie unfruchtbar sein lässt (v.2). Was für ein Kontrast also zwischen dem, was Gott zusagt und dann scheinbar gleich wieder versagt. Wo erlebe ich ähnliche Spannungsfelder im eigenen Leben? Eine menschliche Abkürzung, um die belastende Span nung aufzulösen und der zermürbenden Situation zu entkommen. Sarai schlägt ihrem Mann vor: «Nach den geltenden Gesetzen kannst du mir durch eine Sklavin Kinder schenken». «Abram war einverstanden, und Sarai gab ihm Hagar zur Nebenfrau» (3) Wo blicke ich mehr auf meine Lebensumstände, die allem Anschein nach in krassem Widerspruch zu Gottes Verheissung stehen? Wo ist nun das verheissene erfüllte Leben? Wo und wie könnte ich nachhelfen, um zu dieser versprochenen und ersehnten Erfüllung zu kommen? Wo verliere ich dabei Gott und seine Zusagen aus den Augen und bin ganz auf das fixiert, was mir vor Augen liegt? Menschliche Abkürzungsverfahren, die Gott vorgreifen, führen in der Regel zu verworrenen und belastenden Situationen mit Schuld und Leid auf allen Seiten. Eine menschlich unmögliche, Konflikt geladene und Leid volle Situation In der Tat: Eine unheilvolle Eigendynamik hat sich entwickelt. Alle Beteiligten geraten in eine verhängnisvolle Negativspirale. Zwei Frauen zerfleischen sich, und einem Mann fehlt es an Rückgrat und Profil. Abschätzige Blicke und gemeines Verhalten beherrschen und vergiften die Szene. Der Blick auf Gott fehlt. Die schwangere Sklavin schaut auf die kinderlose Herrin herab. Sie reibt Salz in ihre offene Wunde, denn Kinderlosigkeit war ein furchtbares Stigma. Die Untergebene sieht focus3 | Edikerstrasse 16 | 8635 Dürnten | Telefon 079 139 81 52 | [email protected] | www.focus-3.ch auf die Chefin herab. Sie lässt sie ihre Verachtung spüren. Sie behandelt sie wie Luft, ein Leichtgewicht, eine Null. «Als Hagar wusste, dass sie schwanger war, sah sie auf ihre Herrin herab» (4) Wie gut, dass Gott im menschlichen Chaos alle Beteiligten im Blickfeld behält. Dem schwächsten Glied schenkt er dabei zuerst seine besondere Aufmerksamkeit. Der Lebendige, der mich sieht – in jeder Lage Was macht es mit mir, wenn ich von Untergebenen, Angestellten oder vielleicht von den eigenen Kindern respektlos behandelt werde? Oder umgekehrt: Wo schaue ich auf andere herab und belaste so die Beziehung? Wo denke oder rede ich verächtlich? Wo ist mir etwas in den Kopf gestiegen? Wo meine ich etwas zu besitzen, das mir scheinbar eine Vorzugsstellung gibt andern gegenüber? Intelligenz? Physische Stärke? Seelische Belastbarkeit? Ein unerschütterlicher Glaube? Tolle Kinder? Ein attraktiver Lebenspartner? Sarai beschuldigt Abram: «Du bist schuld, dass ich jetzt so gedemütigt werde» (v.5) Wegen dir muss ich so unten durch, wegen dir geht es mir so schlecht. Du bist verantwortlich für meinen elenden Zustand. Dabei vergisst Sarai, dass sie selber die ganze Angelegenheit mit Abram und Hagar eingefädelt hat. Ihr Vorgehen entsprach zwar damaligen Gepflogenheiten (Genesis 30, 1-3), schien aber in diesem Fall nicht Gottes Absichten zu entsprechen. Wo laufen wir Gefahr, mit einseitigen Schuldzuweisungen missliche Lebenslagen bewältigen zu wollen? Der gescholtene Ehemann und Hausherr nimmt seine Verantwortung nicht wahr und liefert die Magd ihrer Chefin aus. Er unterlässt es, an dieser kritischen Stelle Gott einzubeziehen. «Sie ist dein Eigentum, erwiderte Abram, ich lasse dir freie Hand – mach mit ihr, was du willst!» (6a) Was will Sarai? Ihre rechtmässige Stellung zurück? Ihre Rachegelüste ausagieren? Sie lässt Hagar ihre Macht spüren. Die gekränkte Sarai macht Hagar krank. Die gedemütigte Herrin demütigt ihre Sklavin. Die Missbrauchte missbraucht. Sie behandelt sie wie den letzten Dreck. Sie gibt ihr die niedrigsten Arbeiten. «In der folgenden Zeit behandelte Sarai Hagar so schlecht, dass sie davonlief» (6b) Wie geht es mir, wenn ich schlecht und ungerecht behandelt werde? Von oben herab? Wenn ich die Dreckarbeiten machen muss? Oder mit umgekehrten Vorzeichen: Wo missbrauche ich meine Stellung in Familie, Beruf oder Gemeinde, um eine mir unsympathische oder gar verhasste Person an den Rand zu drücken? Eine Frau auf der Flucht Wo ergreife ich wie Hagar die Flucht? Ich ziehe mich zurück, um mich vor weiteren Verletzungen zu schützen. «Eine solche Behandlung muss ich mir doch nicht bieten lassen». Wo stehle ich mich heimlich davon? Durch innere Kündigung am Arbeitsplatz? Durch romantische Fantasien in einer erkalteten Ehe? Von wem oder welcher Situation laufe ich weg? Ich kann mich zwar den Blicken von Menschen entziehen und vom menschlichen Radar verschwinden, ich bleibe aber im Fokus des lebendigen Gottes. Er lässt mich nicht aus den Augen. Eine ähnliche Erfahrung wie Hagar macht David im Psalm 139,7: «Wohin soll ich gehen vor deinem Geist und wohin fliehen vor deinem Angesicht?» Gott, der mich schon im Mutterleib liebevoll angesehen hat, wird mich auch jetzt auf meiner Flucht, nicht aus den Augen verlieren. Gott findet, sieht und hört die Flüchtende «Der Engel des Herrn fand sie an einer Quelle in der Wüste auf dem Weg nach Schur und frage sie: <Hagar, Sklavin Sarais, woher kommst du, und wohin gehst du?>» (v.7) Gott sieht mich: Auf allen Irrwegen und in unerträglichen Umständen, in meiner ganzen Befindlichkeit und meinen innersten Regungen, mit meinen kurzsichtigen Plänen und zerstörerischen Verhaltensweisen. Gott sieht nach mir: Im eigenen Versagen und in erlittenem Unrecht, mit meinen unverdauten Kränkungen und meinen selber ausgeteilten Nadelstichen, auf der Flucht vor schwierigen Menschen und hoffnungslosen Lebenslagen. Der lebendige Gott selber, der um alle weiss, schaut nach mir aus und wendet sich mir mit Liebe zu. Gott erkundigt sich nach Hagar, in der Wüste, am Brunnen. Was machst du hier? Sein Interesse und seine Fürsorge umfassen das ganze Spektrum von belastender Vergangenheit (woher kommst du?) bis zu einer ungewissen Zukunft (wohin gehst du?). Eine ehrliche Antwort bringt etwas in Bewegung: «Ich bin meiner Herrin Sarai davongelaufen» (v.8b) Gott hört und redet – im Leiden Gott redet zu Hagar mit einem unmissverständlichen Auftrag und zwei ermutigenden Verheissungen. «Geh zu Sarai zurück. Bleib ihre Sklavin!» (v.9) focus3 | Edikerstrasse 16 | 8635 Dürnten | Telefon 079 139 81 52 | [email protected] | www.focus-3.ch Stockt mir da nicht der Atem? Habe ich recht gehört? Geh zurück. Halte die belastende Situation aus. Ertrage Herabsetzungen. Ist das nicht eine brutale Zumutung? Wo mutet mir Gott etwas scheinbar Unerträgliches zu? Diese direkte Aufforderung an Hagar darf sicher nicht verallgemeinert werden. Manchmal hilft nur noch eine Trennung. Zu einer solchen Entflechtung wird es später auch zwischen Abram/ Sarai/Isaak und Hager/Ismael kommen (Genesis 21,9-21). Doch im Moment gilt die fast unmenschlich tönende Herausforderung: Geh zurück zu Sarai. Ordne dich ihr unter. Wo fordert mich Gott heraus: Geh zurück, bleibe dran. Von Gott initiierte Wege, die uns gegen den Strich gehen, sind aber häufig von göttlichen Verheissungen begleitet: es aus der überwältigten Hagar hervor: Du bist der Gott, der mich sieht. Eine einmalige Gotteserfahrung in der Wüste Ich habe den Gott gesehen, der mich gesehen und angesehen hat. Das ist der Höhepunkt in der Tiefe. Wo wir den Blickkontakt zu Gott verloren haben, blickt er uns immer noch an. Wo wir den Fokus verlieren, bleiben wir in seinem Fokus. Im liebenden Fokus Gottes können wir neu auf ihn fokussieren. Von Gott angesehen, können wir Gott ansehen. Von Gott angeschaut, schauen wir ihn an. Ich sehe den lebendigen Gott, der mich sieht. Ich bete zum lebendigen Gott, der mich hört. Ich suche den lebendigen Gott, der mich findet. Der Herr wird dir viele Nachkommen schenken (v.10) In einem erweiterten Sinne bedeutet das für mich, dass Gott aus einer bedrängenden Lebenslage etwas Fruchtbares wachsen lassen kann. «Du wirst einen Sohn bekommen. Nenne ihn Ismael («Gott hört»), denn der Herr hat gehört, wie du gelitten hast» (v.11). Der Name ihres Sohnes wird Hagar immer wieder vor Augen führen, dass Gott wirklich offene Ohren hat und Hilfeschreie hört. Ja, Gott hört unser verstecktes Seufzen, das selbst unsern Allernächsten entgehen mag. Gott nimmt äusseres und inneres Leiden fein wahr. Im gekreuzigten Jesus Christus wird diese beglückende Wahrheit noch anschaulicher. Über das Sehen und Wahrnehmen hinaus leidet Jesus voll und ganz mit. Er geht soweit, dass er meine Kränkungen zu seinen, meine Wunden zu seinen und meine Schuld zu seiner macht. Der Höhepunkt in der Tiefe: Der lebendige Gott, der mich anschaut Leben im Fokus Gottes – leben mit dem Lebendigen, der mich anschaut Der Akzent in diesem kurzen eindrücklichen Abschnitt liegt unüberhörbar auf dem lebendigen Gott, der uns wirklich sieht und uns Ansehen schenkt. Eine Lebensquelle im trockenen Land, in der Ausweglosigkeit Für Hagar und nachfolgende Generationen wurde der Brunnen in der Wüste zum «Gott-lebendig-sieht-mich» Brunnen. Das bedeutet Lebenswasser, manchmal Überlebenswasser in Dürre- und Trockenzeiten. Bei diesem Brunnen wandern meine Gedanken unweigerlich zu Jesus Christus, dem wahren Lebenswasser, dem «Herr-auferstanden-sieht-mich» Brunnen. Im Tiefsten und Letzten sieht uns Gott durch Jesus Christus gnädig an, und wir fokussieren gerade in und durch Jesus auf den lebendigen Gott. Eine mögliche geistliche Übung zur weiteren Vertiefung Ich bete über einige Wochen, immer wieder, laut oder halblaut: Du bist der lebendige Gott, der mich sieht. Variationsmöglichkeiten: Du bist der lebendige Gott, der mich ansieht, der mich anschaut, der nach mir schaut, der mich findet, der mich hört, der mein Leiden sieht, der mein Innerstes wahrnimmt, der meine abschätzigen Blicke sieht … Du bist der leidende Jesus Christus, der mich versteht, der mit mir leidet … Du bist der auferstandene Herr, der mich sieht. Da rief Hagar aus: «Den, der mich angeschaut hat, habe ich tatsächlich hier gesehen!» Darum gab sie dem Herrn, der mit ihr gesprochen hatte, den Namen: «der Gott, der mich anschaut!» (hebr. El-Roi). Seitdem wurde diese Quelle «Quelle des Lebendigen, der mich anschaut» genannt (Hfa, v.13-14). Ein ermutigender Gottesname El-Roi (hebr.). Ein Gott, der sieht. Das ist sein Name. Ein Gott, der nach mir schaut. So ist er wirklich. Der lebendige Gott, der mich anschaut. Das sind seine Identität und sein Lebensprogramm mit und für uns Menschen. Darum bricht Ein möglicher zweiter Schritt: Ich schaue auf dich, den leben digen Gott, der nach mir schaut. Ich sehe dich, den lebendigen Gott, der mich sieht. Christoph Ehrat focus3 | Edikerstrasse 16 | 8635 Dürnten | Telefon 079 139 81 52 | [email protected] | www.focus-3.ch
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