ähnlich, aber nicht gleich - Gesundheit

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Fokus: Lehren, Lernen, Prüfen
Lernen in Aus- und Weiterbildung:
ähnlich, aber nicht gleich
Stefanie Diviani-Preiswerk
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
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Studierende eines Bachelorstudiums befinden sich grösstenteils in einer
anderen Lebensphase als Weiterbildungs­studierende. Die Identifikation
mit der eigenen Berufsrolle ist abhängig von der eigenen Erfahrung und
vom Aus­bildungs­stand. Dies muss entsprechend berücksichtigt ­werden.
Doch nicht nur aus der Perspektive der Studierenden gibt es unterschiedliche Ansprüche an die Studiengänge.
Der Fachbereich Gesundheit (FBG) der Berner
Fachhochschule verfolgt mit seinen Bildungsange­
boten in der Ausbildung und in der Weiterbildung
unterschiedliche Ziele: Studierende des Bachelor­
studiums eignen sich Grundlagen und ­Fertigkeiten
an, die ihr zukünftiger Beruf verlangt. Erfahrene
Berufspersonen hingegen bilden sich in verschie­
denen Studiengängen und Fachkursen weiter und
ermöglichen sich dadurch in ihrem persönlichen
Berufsalltag neue Perspektiven.
Für die Dozierenden stellt das Unterrichten von
kritisch interessierten Studierenden in beiden Ziel­
gruppen immer wieder eine neue und spannende
Herausforderung dar. Alle befragten Dozierenden
am FBG nennen als Voraussetzung für eine gute
Lehrveranstaltung das Erkennen der Bedürfnisse
und der Erwartungen der jeweiligen Studierenden.
lebnisse auch ausgetauscht, und angeregte Diskus­
sionen bilden einen wichtigen Teil der Lehrveran­
staltungen. Die Studierenden in der Weiterbildung
sind auf ihrem Gebiet Expertinnen und Experten. Sie
lernen in erster Linie anhand konkreter Fallbeispie­
le, die sie mit selber erlebten Situationen vergleichen
und verknüpfen. Auch das Lernen voneinander hat
in der Weiterbildung einen hohen Stellenwert. In der
gemeinsamen Reflexion von ähnlich erlebten
Schwierigkeiten können neue Lösungsansätze ent­
stehen. Die Mitglieder einer Diskussionsrunde ge­
winnen durch den Austausch für ihre Situation in
der Praxis oftmals eine neue Perspektive.
Studierende, die am Anfang der Berufslaufbahn
stehen, orientieren sich gern an Theorien und Re­
geln, deren Anwendung erst in einem zweiten Schritt
mit konkreten Beispielen erfahrbar wird. Persönlich
Unterschiedliche Bedürfnisse
und Voraussetzungen
Der auffälligste Unterschied zwischen Studieren­
den im regulären Studium und der Weiterbildung
ist, dass Letztere bereits viel Erfahrungswissen mit­
bringen. Patricia Benner greift für die Beschreibung
des Begriffs «Erfahrung» in ihrem Buch «Stufen zur
Pflegekompetenz. From Novice to Expert» auf eine
Studie von Gadamer und Benner & Wrubel zurück:
«Erfahrung, (…), ist nicht nur eine Sache des Ver­
streichens von Zeit oder eines hohen Lebensalters.
Es handelt sich vielmehr um eine Verfeinerung vor­
gefasster Vorstellungen und Theorien durch die Be­
gegnung mit vielen realen Praxissituationen, wo­
durch bestehende Konzeptionen um weitere
Schattierungen oder Aspekte bereichert werden.»
(Gadamer; Benner & Wrubel zit. nach Benner 1994)
Die in der Praxis gesammelten Erfahrungen prä­
gen die Weiterbildungsstudierenden und fliessen in
den Unterricht ein. Innerhalb der Gruppe werden Er­
Kritisch interessierte Studierende sind eine
Herausforderung.
erlebte Beispiele und Situationen aus dem Berufs­
alltag liegen für Studierende zu Beginn des Bachelor­
studiums noch in der Zukunft.
Dozierende im Bereich Weiterbildung treffen auf
heterogen zusammengesetzte Gruppen. Die Beweg­
gründe, die zu einem weiteren Studium führen, sind
vielfältig. Persönliche Entwicklung, Bedarf von Ar­
beitgeberseite, berufliche Neuorientierung oder die
Suche nach einer neuen Herausforderung – auch im
Sinne von Selbstverwirklichung – können die An­
triebe sein. Der Entscheid für ein Weiterbildungs­
studium hängt von vielen Faktoren ab und wird oft
erst nach längerem Abwägen gefällt. In den persön­
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Fokus: Lehren, Lernen, Prüfen
Studierende in der Weiterbildung bringen
viel Erfahrungswissen mit.
Aus den oben angeführten Gründen ist es zwingend
notwendig, dass die Studierenden in ihren jeweili­
gen aktuellen Lebenssituationen abgeholt werden.
Für Dozierende liegt eine der grössten Herausfor­
derung im Erfassen der Zielgruppe. Das Umsetzen
verschiedener didaktischer Methoden und Unter­
richtsformen ermöglicht, sowohl im Grund- wie auch
im Weiterbildungsstudium, mehrere Zugänge zu
neuem Wissen. Nur mit einer differenzierten Heran­
gehensweise wird es möglich, Lehrveranstaltungen
so zu gestalten, dass ein persönlicher Lernprozess
einsetzen kann. Die Auswirkungen davon manifes­
tieren sich nachhaltig in der Praxis.
nehmenden einer Weiterbildung unterschiedlich
weit zurück. Sich Wissen anzueignen und zu ver­
knüpfen, gestaltet sich auch je nach Lebensphase
bei den einzelnen Studierenden unterschiedlich.
Literatur
Patricia Benner, 1994: Stufen zur Pflegekompetenz. From Novice to
Expert. Verlag Hans Huber, Bern
lichen Zielformulierungen schimmern die vorange­
henden Entscheidungsprozesse häufig durch. Dozie­
rende erfahren auch, dass Weiterbildungsstudierende
beruflich und privat oft stark eingebunden sind und
im Allgemeinen über weniger zeitliche Ressourcen
verfügen. Zudem liegen die persönlichen Ausbil­
dungs- und Lernerfahrungen bei den einzelnen Teil­