Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet

Gott spricht: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet (Jesaja 66,13)
Ein paar Gedanken zur Jahreslosung
„Was’n los?“, fragt die Mutter.
„Nichts“, antwortet der Sohn.
„Und wie war’s in der Schule?“
„Wie immer“, antwortet der Sohn.
„Und Mathe?“
Schweigen.
„Hab‘ ich’s ihm doch angesehen“, schweigt die Mutter.
Fragt nicht: „Und wie soll das nun weitergeh’n?“
Fragt aber: „Gehst du heut‘ zu Onkel Klaus?
Seine Fahrradkette springt immer ab.
Und niemand repariert Fahrräder besser als du.“
„Ich will euch trösten wie einen seine Mutter tröstet“,
lautet die Jahreslosung aus dem Buch des Propheten Jesaja
im letzten der 66 Kapitel.
--Wie trösten Mütter?
So wie die Mutter in der kurzen Beispielgeschichte?
Wie tröstet die Mutter in der kurzen Beispielgeschichte?
Was ist die ganze Wahrheit ihres Trostes?
Ein Kind, Junge oder Mädchen,
das betrübt nach Hause kommt,
berührt das Herz seiner Mutter.
Die Mutter sieht ihr Kind. Sie weiß Bescheid.
„Mit Mathe war es wohl wieder nichts.“ –
Eigentlich erwartungsgemäß.
Mathe ist wichtig. Die ganze Schule ist wichtig.
Die Mutter bagatellisiert an dieser Stelle nichts.
Sie nimmt das Schwere auf dem Herzen ihres Kindes,
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und auch auf ihrem eigenen Herzen, nicht
„auf die leichte Schulter“.
Das Kind aber leidet.
Es soll aber nicht leiden.
Es ist doch ein so wunderbares Kind.
So fröhlich eigentlich. So kreativ.
So hilfreich – zumindest, wenn es Lust dazu hat.
So begabt – im Umgang mit Maulschlüsseln, Schraubendrehern
und seinen ölverschmierten Fingern zum Beispiel.
Das Herz der Mutter ist schwer an diesem Mittag.
Ein ganzer Sorgenkosmos tut sich auf.
Wortfetzen wie „Versetzung“ und „Ausbildungsstelle“ schießen durch ihre Gedanken.
Aber was zählt das schon?
Das Kind muss doch wieder raus aus seinem Tief.
Raus aus Enttäuschung und Ablehnung.
Raus zu Onkel Klaus.
--„Ich will euch trösten wie einen seine Mutter tröstet.“
Gott selbst spricht hier.
Jesaja, der Prophet, schreibt es nur auf.
Gott vergleicht sich mit einer Frau – mit einer Mutter.
Das ist einmalig in der ganzen, viele Hundert Seiten dicken Bibel!
Und doch ist es nicht nebensächlich.
Das ganze lange Prophetenbuch läuft ja förmlich auf diesen Trost zu.
„Ich will euch trösten wie einen seine Mutter tröstet“ das ist sozusagen das Finale – für und bei Jesaja.
Wie eine Mutter normalerweise ihr Kind,
so begleitet Jesaja sein Volk Israel über eine ganz lange,
ganz entscheidende Zeit seines Lebens.
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Auch der Weg des Gotteskindervolkes führt durch allerlei Irrungen und Wirrungen,
bis es sich (wieder) ein eigene Existenz schaffen kann.
Weil die Zeit so lang ist
und das Prophetenbuch an unterschiedlichen Stellen auch so unterschiedlich ist,
nimmt die Bibelwissenschaft schon lange an,
dass der eine Jesaja in Wirklichkeit drei Propheten sind,
der erste, der zweite und der dritte Jesaja,
auf Griechisch, das mögen die Theologen...
Proto-, Deutero- und Tritojesaja.
Der erste Jesaja lernt sein Volk
als ein in Nord und Süd geteiltes Volk kennen.
Desinteresse am Glauben und falsche Bündnispolitik führen in die Katastrophe.
Die Babylonier erobern Jerusalem – nehmen die komplette Jerusalemer Oberschicht und
Elite gefangen. Das Babylonische Exil dauert 34 Jahre nach damaliger Zeitrechnung, ein Menschenleben lang.
Der zweite Jesaja lernt sein Volk im Exil an Euphrat und Tigris kennen.
Die Krise ist für das Volk aber auch eine Chance.
Es kann sich besinnen und weiterentwickeln - auch im Glauben.
Unter anderem kommt wohl hier, an Euphrat und Tigris,
die Erschaffung der Welt durch den Gott Israels in sechs Tagen zu Papyrus.
Papier, wie wir es heute kennen, gab es ja noch nicht.
Der dritte und letzte Jesaja, der unsere Jahreslosung überliefert, begleitet sein Volk in
der schweren Zeit des Wiederaufbaus. - Marschallplan, Solidaritätszuschlag, Aufbau Ost…
– gehören alle in andere Zeiten, und schon mit ihnen war jeweilige Wiederaufbau
wohl alles andere als leicht.
Die Jerusalemer sind gefordert bis an den Rand ihrer Kräfte.
Oft fühlen sie sich wohl nicht stark genug,
eine ganze Stadt, ein ganzes Land wieder aufzubauen.
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Licht am Ende des Tunnels?
„Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet“,
sagt Gott.
Wie eine Mutter… so leidet Gott mit seinen Leuten mit.
Wie das Herz der Mutter… so schwer ist Gott sein Herz,
denkt er an sein Volk.
Wie eine Mutter ihr Kind… so will Gott sein Volk wachsen und aufstreben sehen.
Wie eine Mutter…
so leidet Gott auch HEUTE noch mit seinen Leuten, wenn es uns schlecht geht.
Wie eine Mutter… mutet uns Gott wohl oft nicht das ganze Bild unserer Lage zu…
Seine Sorge um uns ist noch viel größer noch, als wir ahnen.
Noch größer ist nur noch seine Liebe zu uns und die will uns weitergehen, weiterleben sehen!
--Finde Deinen Weg, Kind.
Es muss nicht jeder Erster,
Abteilungsleiter oder Professor sein.
Es muss auch Leute geben, die trösten, basteln, etwas reparieren,
organisieren oder gut putzen können oder einfach nur zur Stelle sind, wenn man sie braucht.
Können wir solchen Muttertrost für uns annehmen?
Ihn annehmen wie das Kind auf dem Weg zu Onkel Klaus?
KÖNNEN wir ihn für uns annehmen,
dann können wir ihn auch an andere weitergeben.
Es wimmelt von Menschen, die getröstet werden wollen.
Zum Beispiel – wegen Mathe.
Ralf Euker, Schönhausen (Elbe)
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