Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung

Daten und Fakten
Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung
1. Deutschland
Bundesregierung setzt Bürokratieabbau fort
Die Große Koalition hält am Regierungsprogramm „Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung“ von
2006 fest. Mitte 2014 verabschiedete sie ein neues Arbeitsprogramm mit dem Titel „Bessere Rechtsetzung 2014“. Mit einem Kabinettsbeschluss vom Dezember 2014 knüpft sie mit konkreten Maßnahmen an das Programm an.
Ziel der Bundesregierung ist es, den bestehenden bürokratischen Aufwand für Bürger, Unternehmen und Verwaltungen weiter zu verringern. Dabei möchte sie sich besonders auf den Erfüllungsaufwand konzentrieren. Hierzu plant sie eine Reihe von Maßnahmen.
In Deutschland wurde am 1. Juli 2015 das Prinzip "one-in, one-out" eingeführt. Kern des
Ansatzes ist, dass in gleichem Maße Belastungen abgebaut werden, wie durch neue
Regelungsvorhaben zusätzliche Belastungen entstehen.
Die Regelung soll allerdings nicht für Vorhaben gelten, die sich aus der 1:1-Umsetzung von
EU-Vorgaben ergeben.
Eine zeitliche Entkopplung der Umsetzung von Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag und der
Kompensation des dafür notwendigen Erfüllungsaufwandes ist möglich.
Andere EU-Staaten wie Großbritannien setzen dieses Verfahren bereits ein. Dort wird sogar
ein „one-in, two-out“-Ansatz verfolgt. Auch hier gibt es allerdings Ausnahmen (u.a. EU-Regulierung).
In den Bereichen "Steuer- und Bilanzrecht", "Start-Ups und junge Gründer" sowie im Bereich
"Statistik- und Informationspflichten" sollen Entlastungen eingeführt werden. Auch soll der
Bürokratieabbau in Verwaltungsverfahren vorangetrieben werden.
Die Belange von KMU sollen künftig stärker berücksichtigt werden. Hierzu soll der "KMU-Test"
vereinfacht und standardisiert werden.
Ein neues, konkretes Abbauziel für die Bürokratiekosten in Deutschland enthält das Arbeitsprogramm nicht. Jedoch soll die Entwicklung des Erfüllungsaufwandes in den verschiedenen
Bundesressorts vierteljährlich ermittelt werden. Eine Veröffentlichung ist allerdings nicht geplant.
Die Bundesregierung lädt u.a. Unternehmen und Verbände sowie den Normenkontrollrat (NKR)
ein, in gemeinsamen Projekten Vereinfachungsmöglichkeiten auszuloten.
Die Bundesregierung bekräftigt ihre Absicht, auch auf EU-Ebene einen wirksameren Normenkontrollmechanismus zu installieren. Die von der EU aufgelegten Programme zur Vereinfachung des
geltenden EU-Rechts (u.a. REFIT) unterstützt die Große Koalition.
Die Bundesregierung möchte sich dafür einsetzen, dass die EU-Kommission für noch zu identifizierende Regelungsbereiche konkrete Abbauziele festlegt.
Im Januar 2013 wurde eine systematische ex-post-Evaluierung von wichtigen gesetzlichen
Regelungen eingeführt. Hierbei wird untersucht, ob die Erfüllungskosten tatsächlich so hoch sind, wie
man es bei der Verabschiedung des Gesetzes geschätzt hatte.
Um die Tragfähigkeit zu erproben, hat die Bundesregierung unter Beteiligung des NKR
Pilotprojekte durchgeführt. Es wurden sieben Gesetze und Verordnungen aus verschiedenen
Ressorts evaluiert. Der NKR zog im Oktober 2015 in Summe eine positive Bilanz.
Der Staatssekretärsausschuss hat sich in einer gemeinsamen Sitzung mit dem NKR über die
Ergebnisse der Pilotierung ausgetauscht. Auf Basis dieser Ergebnisse sollen dann
Schlussfolgerungen für die Konkretisierung des Evaluierungskonzeptes gezogen werden.
Erste Evaluierungen starten im Frühjahr 2016.
Stand: 24. Februar 2016
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Um die Entwicklung der Bürokratiekosten aus Informationspflichten verfolgen zu können, erstellt und
veröffentlicht das Statistische Bundesamt einen Bürokratiekosten-Index (BKI). Die Bundesregierung
hat sich zum Ziel gesetzt, dieses Niveau dauerhaft zu halten. Die Entwicklung des BKI zeigt, dass
dies zunehmend gelingt.
Die Bürokratiekosten aus Informationspflichten lagen im Juni 2015 erstmalig unter dem Startwert
von Januar 2012 (Erfüllung des 25-Prozent-Abbauziels). Aktuell liegt der BKI 0,9 Prozentpunkte
unter seinem Ausgangswert (letzter verfügbarer Wert: Dezember 2015).
Mandatserweiterung: NKR prüft auch Erfüllungsaufwand
Mit der Erweiterung des NKR-Mandates im Jahr 2011 ist der Normenkontrollrat gestärkt worden. So
prüft er nun auch den Erfüllungsaufwand. Ziele und Zweck der Gesetzgebung untersuchen der NKR
dagegen nicht. Der Normenkontrollrat bleibt nach wie vor ein unabhängiges Kontrollgremium, das die
Effizienz der Gesetzgebung im Blick hat.
In Zusammenarbeit mit dem Statistischen Bundesamt wurde eine Methode entwickelt, um die
Erfüllungskosten zu ermitteln.
Der Normenkontrollrat untersucht die Kosten aus Informationspflichten sowie die
Erfüllungskosten. Dabei macht der Erfüllungsaufwand in der Regel den größeren Teil der
unmittelbaren Kosten aus.
Bilanz der bisherigen Arbeit der Bundesregierung
Seit Dezember 2006 prüft der Normenkontrollrat (NKR) Regelungsvorhaben hinsichtlich der
Informationspflichten. Das Ergebnis: 20 Prozent dieser Entwürfe wirken sich erheblich auf die
Bürokratiekosten der Wirtschaft aus. Aufgrund von Verbesserungsvorschlägen des NKR konnten
unnötige Bürokratiekosten verhindert werden.
Darüber hinaus wurden bereits bestehende Gesetze hinsichtlich der Informationspflichten überprüft.
Das Ergebnis: Insgesamt 9.199 Informationspflichten, die zum Stichtag 30. September 2006 in Kraft
waren, belasten die Unternehmen in Deutschland mit jährlich fast 50 Milliarden Euro. Rund 25 Milliarden werden allein vom nationalen Gesetzgeber veranlasst. Weitere 25 Milliarden Euro basieren auf
der Umsetzung von EU- und internationalem Recht.
Durch die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung wird die im Jahr 2006 gemessene Ausgangsbelastung durch Informationspflichten in Höhe von 49 Milliarden Euro um 12,3 Milliarden Euro jährlich
reduziert.
Seit Juli 2011 prüft der NKR auch den Erfüllungsaufwand systematisch. Im Saldo führen die Maßnahmen zu einer Erhöhung des jährlichen Erfüllungsaufwandes von rund 12,6 Milliarden Euro.
Hauptkostentreiber beim Erfüllungsaufwand sind Regelungsvorhaben im Kontext der Energiewende sowie die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns durch das Tarifautonomiestärkungsgesetz.
Stand: 24. Februar 2016
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Andere Länder, beispielsweise die Niederlande und Großbritannien, konnten den Erfüllungsaufwand in den vergangenen Jahren senken.
Der NKR sieht den sich abzeichnenden Trend weiter zunehmender Folgekosten kritisch und fordert
die Bundesregierung regelmäßig auf, gegenzusteuern. Beispielsweise empfiehlt der NKR die
Formulierung quantitativer Abbauziele. Aus Sicht des NKR bietet das "One-in-, One-Out"-Verfahren
eine Chance zu einer spürbaren Begrenzung des Erfüllungsaufwandes.
Das Statistische Bundesamt hat mittlerweile begonnen, die ex-ante-Schätzungen der Ressorts zum
Erfüllungsaufwand jeweils zwei Jahre nach Inkrafttreten nachzumessen.
Neben der Energieeinsparverordnung führte die Einführung des Mindestlohns zu
einem signifikanten Anstieg des Erfüllungsaufwands. Zuletzt sanken die Bürokratiekosten auf Grund des am 1. Juli 2015 in Kraft getretenen Bürokratieentlastungsgesetzes leicht. Ebenso führte das E-Vergabegesetz zu einem Rückgang.
2. VCI-Studie zu den chemiespezifischen Belastungen im Umweltrecht
Die deutsche chemische Industrie ist von zahlreichen Informationspflichten betroffen. Nach vorsichtiger Schätzung entfallen auf die Unternehmen der Branche Bürokratiekosten aus Informationspflichten in Höhe von 700 Millionen Euro pro Jahr.
In einer Studie hat der VCI untersuchen lassen, wie hoch die Informationskosten der chemischen
Industrie speziell aufgrund umweltrechtlicher Vorgaben sind. Das Ergebnis: Allein die Informationspflichten aus dem Umweltrecht verursachen in der Chemie jährlich Kosten in Höhe von 40 Millionen
Euro.
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Informationspflichten aus dem Umweltrecht verursachen in der deutschen Chemie
Kosten von rund 40 Millionen Euro jährlich. Der größte Teil entfällt dabei auf die
Bundesimmissionsschutzverordnung.
Dabei stellen die Kosten aus den Informationspflichten nur die Spitze des Eisberges dar. Die gesamten Folgekosten aus gesetzgeberischer Tätigkeit sind erheblich höher. Diese Kosten wurden allerdings seinerzeit im Rahmen des Bürokratieabbaus nicht systematisch erfasst. Einen Anhaltspunkt für
die Größenordnung geben die Betriebskosten der Chemie für Umweltschutzanlagen: Die Branche
gibt hierfür jedes Jahr über zwei Milliarden Euro aus.
Ebenso wurden nicht die Informationskosten aus EU-Verordnungen berücksichtigt. Deshalb sind
beispielsweise die beträchtlichen Bürokratiekosten aus dem EU-Chemikalienrecht (REACH) nicht in
der Gesamtsumme enthalten.
3. REACH-Pilotprojekt mit dem Bundesumweltministerium und dem NKR
Das gemeinsam von Bundesumweltministerium, Normenkontrollrat und dem VCI durchgeführte Pilotprojekt zur Evaluation des Erfüllungsaufwandes bei der Chemikaliengesetzgebung REACH untersuchte erstmals die bürokratischen Lasten von EU-Verordnungen und ihre nationalen Folgen. Bei
dem Projekt wurde allerdings nur der Erfüllungsaufwand der ersten Registrierungsfrist betrachtet.
Dieses Pilotprojekt gab Aufschlüsse über die Struktur der Bürokratiekosten von REACH. Darüber
hinaus wurden Verbesserungspotenziale identifiziert. Zudem wollen die Behörden, die am Projekt
beteiligt sind, ihr Dienstleistungsangebot evaluieren und bei Bedarf verbessern.
Der VCI hat die zentralen Ergebnisse des Berichtes Ende Januar 2013 auf der Sitzung der HighLevel-Group im Rahmen der International Regulatory Reform Conference in Berlin vorgestellt.
4. Europäische Union: Bürokratieabbau gewinnt an Fahrt
Mit ihrer Initiative zur intelligenten Rechtsetzung hat sich die Europäische Kommission zu einer exante-Betrachtung von geplanter Gesetzgebung verpflichtet. Mit Folgenabschätzungen sollen
Vorschläge mit erheblichen Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie gründlich
analysiert werden (Wettbewerbsfähigkeitscheck). Der VCI hat sich öffentlich immer wieder für die
Durchführung eines Wettbewerbsfähigkeitschecks eingesetzt.
Zur intelligenten Rechtsetzung gehört ferner auch die Evaluierung bestehender Gesetzgebung (expost-Betrachtung). Im Rahmen des sogenannten REFIT-Programms (Regulatory Fitness and Performance Programme) sollen bestimmte „Gesetzescluster“ einer ex-post-Betrachtung unterzogen
werden. Das Cluster Chemikaliengesetzgebung wird einem „Fitness-Check“ unterzogen.
Die Kommission will im Rahmen dieser „Fitness-Checks“ bestehende Maßnahmen und GesetzesCluster auf die Kriterien Wirksamkeit, Effizienz, Kohärenz, Relevanz und EU-Mehrwert prüfen. Er soll
ferner über eine reine Bewertung hinausgehen und kritisch hinterfragen, ob die Maßnahme dem
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Bedarf gerecht geworden ist, Kausalzusammenhänge aufzeigen und auch unbeabsichtigte Folgewirkungen untersuchen.
Der VCI beteiligt sich gemeinsam mit Cefic an dem Fitnesscheck zur Chemikalienregulierung (CLP
und relevante Gesetzgebung, REACH ist ausgenommen). Seit Sommer 2015 erarbeitet eine
Beratungsfirma im Auftrag der GD Wachstum eine Vorschlags- und Beispielliste. Der VCI und Cefic
haben hierzu bereits Input geliefert.
In einem anderen Projekt, das unter die Initiative "Bessere Rechtsetzung" fällt, werden die kumulativen Kosten der Chemikalienregulierungen erfasst ("cumulative cost assessment"). Auch hierbei
engagieren sich der VCI und Cefic. Parallel wird von der GD Umwelt eine Studie zu den "benefits of
chemicals regulation" lanciert. Dieses Projekt befindet sich im Anfangsstadium.
Die "Bessere Rechtsetzung“ ist innerhalb der Juncker-Kommission Chefsache des ersten Vizepräsidenten, Frans Timmermans (Niederlande). Timmermans soll die Ausrichtung von Gesetzgebungsinitiativen auf ihre Verhältnismäßigkeit überprüfen. Seine Zustimmung ist vor jeder Initiative vom
jeweiligen Fachkommissar einzuholen.Timmermans hat im Mai 2015 sein neues Paket zur besseren
Rechtsetzung vorgelegt. Diese Paket enthält vielversprechende Ansätze, zu denen u.a. gehören:
Weniger und bessere Gesetzgebung: absolute Reduktion der Anzahl von neuen
Gesetzesvorschlägen.
Zukünftig sollen die Kommissionsvorschläge für delegierte Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte veröffentlicht und einer vierwöchigen Stakeholderkonsultation unterzogen werden. Dies ist
aus VCI-Sicht sehr positiv. Bislang war die Kommission in diesem Bereich sehr intransparent.
Die Qualität der Folgenabschätzungen soll weiter verbessert werden. Die potentiellen Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie sollen besser analysiert und konsequenter thematisiert werden.
Ein neues unabhängiges Gremium, das sogenannte Regulatory Scrutiny Board, soll das bisherige
Impact Assessment Board ablösen. Neu ist, dass dem Regulatory Scrutiny Board künftig auch drei
unabhängige, externe Mitglieder angehören sollen (vorher: nur Kommissionsbeamte). Hiermit ist
eine wichtige VCI-Forderung erfüllt worden, denn nur ein unabhängiges Gremium kann Gesetzesvorhaben solide auf Folgekosten hin prüfen.
Die Kommission beabsichtigt künftig, bestehende Gesetze systematisch zu evaluieren und
Fitnesschecks vorzunehmen (u.a. Chemikalienregulierung).
Eine REFIT-Plattform soll unter Timmermans‘ Vorsitz Feedback zu bestehenden Gesetzen von
Stakeholdern und den Mitgliedstaaten sammeln und koordinieren. Die Industrie wird von Bernd
Dittmann (Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss) und Jens Hedström
(BusinessEurope/Schwedischer Industrieverband) vertreten.
Die drei europäischen Institutionen - Kommission, Parlament und Rat - haben sich im Dezember
2015 auf eine interinstitutionelle Vereinbarung zur besseren Rechtsetzung geeinigt. Diese
Vereinbarung soll die Zusammenarbeit zwischen den drei Institutionen verbessern, für mehr
Transparenz sorgen und den Weiterentwicklungen der Initiative "Bessere Rechtsetzung"
Rechnung tragen.
Parlament und Rat bekräftigen in dieser Vereinbarung, zukünftig eigene Folgenabschätzungen
durchzuführen, falls wesentliche Änderungen des Kommissionsvorschlages vorgenommen
werden.
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