fb5 FBInfo Außen A4 hoch 4-farbig Stand: 2016-02-22 Fachbe reichs- info inf o r m a t i o n e n ver.di-Fachbereich Bildung, Wissenschaft und Forschung Februar 2016 Sonntags gehört die Mutti mir – Vati auch! Wunsch und Zukunft in Bibliotheken Im Zuge von Migration und Demographie steht Deutschland möglicherweise vor den größten Herausforderungen seiner Geschichte. Wie unser Land diese meistert, wird auch in beträchtlichem Maße von der erfolgreichen Arbeitsweise seiner Bibliotheken abhängen. J eder erkennt ihre kulturelle Bedeutung und ihre bildungs- und kulturelle Funktion an, die einen niedrigschwelligen Zugang zu Informationen und zu Wissen fernab jeglichen Konsumzwanges für alle Bevölkerungsschichten bietet. Die Bundesarbeitsgruppe Archive, Bibliotheken und Dokumentationseinrichtungen in ver.di registriert inzwischen mit Befriedigung das Bekenntnis aller politischen Parteien und der Berufsverbände BIB und dbv zur Bedeutung und zum Erhalt der deutschen Bibliothekslandschaft und zur Notwendigkeit von Bibliotheksgesetzen in den Bundesländern, die, in Ermangelung eines bundesweiten Bibliotheksgesetzes, den Bestand der Bibliotheken sichern sollen, wie es bereits 2007 die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ gefordert hat. Einige Bundesländer, wie z.B. Hessen, Thüringen und Sachsen-Anhalt haben solche Gesetze bereits erlassen. Internet https://mitgliedwerden. verdi.de/ Homepage https://biwifo.verdi.de/ Einzelformat: 207 x 297 mm ver.di sieht in der besseren finanziellen und personellen Ausstattung den entscheidenden Ansatz für eine Verbesserung der Nutzungsmöglichkeiten und der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen des Bibliothekspersonals. Wir erwarten von innovativen und modernen Bibliotheksgesetzen neben einer verbindlichen Existenzgrundlage die Definierung von Mindeststandards wie • gesicherter Finanz- und Personalaustattung • kontinuierlichem Bestandsaufbau • kostengünstigem Zugang aller Bevölkerungsschichten zu allen Informationsmitteln • ausreichenden Öffnungs- und Servicezeiten an allen Werktagen. I Bei allem Bemühen, ein modernes Vokabular zu nutzen oder die Aufgaben unterschiedlicher Bibliothekstypen zu definieren, fehlen jedoch in allen bereits verabschiedeten Bibliotheksgesetzen verbindliche Zusagen zur Finanzierung. Der Erhalt von Bibliotheken ist nicht als Pflichtaufgabe ihrer Träger erklärt, es fehlt jegliche Verbindlichkeit zur finanziellen und personellen Ausgestaltung, ohne die Bibliotheken nur unter größten Mühen ihren Aufgaben als Bildungsund Lernort gerecht werden können. fb5 FBInfo Innen A4 hoch 4-farbig Stand: 2016-02-22 ver.di Fachbereich Bildung, Wissenschaft und Forschung | Fachbereichsinformationen Doch auch 2016 sieht die Bibliothekswirklichkeit anders aus. Fehlgeleitete Steuerpolitik zwingt Länder und Kommunen zur Reduzierung ihrer Aufgaben. Solange Bibliotheken zu den freiwilligen Aufgaben ihrer Träger gehören, drohen weiter zahlreiche Bibliotheksschließungen. Außerdem werden Servicezeiten und -angebote nach und nach eingeschränkt, Kernaufgaben wie Bucherwerb und -bearbeitung oder elektronische Datenverwaltung an private Bibliotheksdienstleister ausgelagert. Dies führt jedoch nicht, wie auf Grund einer extrem dünnen Personalausstattung unbedingt notwendig, zur Entlastung der Bibliotheksbeschäftigten, sondern zu einer weiteren Absenkung des Personalbestandes. Trotz Auslagerung von Aufgaben steigt die Arbeitsverdichtung, erhöht sich der Stress und führt zu stressbedingten Erkrankungen. Wir als Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft formulieren den Anspruch, im sich ständig verändernden Arbeitsumfeld die Arbeitsbedingungen und ihre Auswirkungen auf die arbeitenden KollegInnen im Auge zu behalten, also ihre Interessen wahrzunehmen. Nur 6% der Bibliotheksbeschäftigten empfinden ihren Berufsalltag nach dem DGB-Index als „Gute Arbeit“, 33% dagegen als „schlechte Arbeit“. Damit liegen sie in ihrer Bewertung erheblich unter dem Durchschnittswert aller übrigen Dienstleistungen. Schlechte Arbeitsbedingungen, zu wenig und überlastetes Personal aber führten auch zu eingeschränkter Nutzerzufriedenheit. Um den Erwartungen der Bibliotheksnutzer zu entsprechen, werden die Öffnungszeiten wunschgemäß ausgeweitet, obwohl der Personalbestand dafür nicht ausreicht. Der billige Einsatz fachfremden Personals wie studentischer Hilfskräfte, Wachpersonal und Ehrenamtliche ist inzwischen zur gelebten Wirklichkeit geworden, obgleich in ernstzunehmenden Repräsentativumfragen von Nutzern die kompetente Auskunftstätigkeit von Fachpersonal als besonders wichtig und wünschenswert eingestuft wird. Auch der Sonntag rückt als Öffnungstag in den Fokus der Diskussion, obwohl das Grundgesetz Art. 140 die Sonntagsruhe als Norm gesetzt hat. Der Gesetzgeber sieht im Schutz des Sonntags eine sozialpolitische Dimension, die auf persönlicher Ruhe, Besinnung, Erholung und Zerstreuung abzielt sowie durch gleiche Taktung die Möglichkeit für soziale Kontakte, Freizeit und Ehrenamt bietet. Befürworter der Sonntagsöffnung weisen darauf hin, dass viele Kolleginnen und Kollegen in Krankenhäusern, dem Nahund Fernverkehr, der Polizei oder der Feuerwehr ebenfalls an Wochenenden arbeiten müssen. Diese Arbeiten liegen aber in der Aufrechterhaltung des gesellschaftlichen Lebens begründet. Eine Vergleichbarkeit mit Bibliotheken ist hier nicht gegeben. Das Bundesverwaltungsgericht hat 2014 in seinem Urteil gegen die hessische Gewerbebedarfsverordnung zur sonntäglichen Öffnung Öffentlicher Bibliotheken ausgeführt, dass Bibliotheksnutzungsbedürfnisse einzelner Bevölkerungsteile hinter dem schützenswerten Recht auch der Bibliotheksbeschäftigten und ihrer Familien zurückstehen müssen. Der Sonn- und Feiertagsgarantie wird in dieser Rechtsprechung ein besonderer Bezug zur Menschenwürde beigemessen. Von Berufsverbänden und Bibliotheksdienstleistern wird immer wieder auf die sich verändernde gesellschaftliche Wirklichkeit verwiesen, die durch Schnelllebigkeit, Perfektionsstreben und Wettbewerb gekennzeichnet ist. In unserer medial geprägten Gesellschaft, in der elektronisch angebotener Service bisher jederzeit abrufbar sein kann, weil es technisch möglich ist, hätten sich Freizeit- und Lerngewohnheiten herausgebildet, die diese Flexibilität ebenfalls für personalgebundenen Service fordert. Einen Ausweg glauben einige Arbeitgeber und Bibliotheksdirektoren in einer Bibliothek gänzlich ohne Personal und mit Öffnungszeiten rund um die Uhr gefunden zu haben. Die sich daraus ergebenen Folgen für Bibliotheken und das Bibliothekspersonal sind noch gar nicht abzusehen. Die Forderung der Arbeitgeber nach Arbeitszeit- und Langzeitkonten für ihre Beschäftigten sind bereits im Tarifvertrag der Länder, der Kommunen und des Bundes geregelt. Ob sie allerdings Entlastungen oder vielmehr starke Belastungen im Arbeitsprozess schaffen, ist bislang ungeklärt. Eine steigende Zahl von Burn-out-Erkrankungen als Folge von nicht eingehaltener Balance zwischen Arbeit und Freizeit, zwischen Stress und Entspannung sind Themen in der Arbeitsmedizin, in der Arbeit der Personalvertretungen und in der Gewerkschaft. Zwar kann der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Sonn- und Feiertagsschutzes auf eine geänderte soziale Wirklichkeit Rücksicht nehmen, jedoch wird er dabei beachten, dass die Bedeutung der Sonn- und Feiertagsruhe in gleichem Maße ansteigt und damit wichtiger und schützenswerter wird, weil die werktägliche Arbeitszeit bis weit in die Abendstunden und auch an den Samstagen ausgedehnt werden. ver.di wird sich auch in der Zukunft und nicht nur für die Bibliotheken dafür einsetzen, dass die Ausnahmen für Sonnund Feiertagsarbeit nach dem Arbeitszeitgesetz § 10 Abschn. 1 nicht weiter ausgeweitet werden. b V.i.S.d.P.: ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, Paula-Thiede-Ufer 10, 10179 Berlin, Fachbereich Bildung, Wissenschaft und Forschung · Bearbeitung: Norbert Konkol, E-Mail: [email protected], Telefon: 030/69 56-20 06 Einzelformat: 210 x 297 mm (Seite 2)
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