Umsatzabstimmung bei der MWST

BEST PRACTICE UMSATZABSTIMMUNG MWST
Umsatzabstimmung bei der MWST:
Lust oder Frust?
Ende August jährt sich wieder der Moment, an dem der Jahresabschluss des
vergangenen Jahres spätestens mit den eingereichten MWST-Abrechnungen
abzugleichen ist und allfällige Differenzen der Eidg. Steuerverwaltung ESTV mitzuteilen sind. Und damit nähert sich auch wieder der Zeitpunkt, an dem viele
Unternehmen feststellen, dass sie das Ziel, dieses Jahr rechtzeitig die Umsatzabstimmung vorzunehmen, wieder nicht erreicht haben. Deshalb sei die Frage
erlaubt: Was bringt die Umsatzabstimmung überhaupt? Oder was geschieht,
wenn keine Umsatzabstimmung vorhanden ist?
und zusätzlich nicht oder nicht MWST-konform
verbuchte Leistungen zu evaluieren und zu
berücksichtigen (bspw. geldwerte Leistungen,
verrechnete Leistungen etc.). Damit gelingt es,
mögliche Differenzen zwischen buchhalterisch
und mehrwertsteuerlich vollständiger Erfassung und korrekter Qualifikation der MWSTrelevanten Leistungen zu erkennen. Beispiele,
die zu solchen Differenzen führen können, sind
die fehlende bzw. eine falsche Hinterlegung
des dem Geschäftsvorgang entsprechenden
MWST-Codes im ERP-System oder die aufgrund der Verbuchung fehlende Berücksichtigung von MWST-relevanten Umsätzen.
 Von Claudio Fischer
Eine Umsatzabstimmung kann aber nur von
einer Person erstellt werden, die mit den
organisatorischen, operativen und logistischen Vorgängen sowie der im Unternehmen
angewandten Rechnungslegung vertraut
ist. Zusätzlich braucht es vertiefte MWSTKenntnisse, um die steuerliche Qualifikation
der unternehmerischen Tätigkeiten korrekt
vorzunehmen.
Die Praxis zeigt, dass automatisierte Auszüge aus dem ERP-System oder die in
manchen Buchhaltungsprogrammen vorhandenen Menüpunkte wie «MWST-Abrechnung»
oder «MWST-Verprobung» vielfach für eine
korrekte Umsatzabstimmung nicht ausreichend Gewähr bieten. Erfahrungsgemäss ist
eine Excel-Tabelle, die auf der unternehmerischen Struktur der Erfolgsrechnung und der
Bilanz sowie der verwendeten MWST-Codes
basiert, eine gute Plattform für die Umsatzabstimmung.
Zunächst ist festzuhalten, dass Art. 72 Abs. 1
Mehrwertsteuergesetz (MWSTG) der steuerpflichtigen Person vorschreibt, Abweichungen zwischen dem Jahresabschluss und
den MWST-Abrechnungen zu korrigieren.
Die einzige Möglichkeit, solche Abweichungen festzustellen, ist die Ausarbeitung einer
umfassenden Umsatzabstimmung gemäss
Art. 128 Abs. 2 Mehrwertsteuerverordnung
(MWSTV). In diesem Sinne ist das Erstellen
einer Umsatzabstimmung also gesetzlich vorgeschrieben. Die Umsatzabstimmung ist aber
nicht systematisch bei der ESTV einzureichen.
Sie kann hingegen von der ESTV eingefordert
werden und wird grundsätzlich bei MWSTKontrollen verlangt.
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FINANZ- UND RECHNUNGSWESEN
Erhält die ESTV nach Ablauf von 240 Tagen
seit Ende des betreffenden Geschäftsjahrs
von der steuerpflichtigen Person keine Meldung, geht sie davon aus, dass keine Mängel
bestehen und die eingereichten MWST-Abrechnungen korrekt sind. Nach Ablauf dieser «Schonfrist» kann zu wenig deklarierte
und bezahlte MWST als Steuerhinterziehung
geahndet werden, worauf Bussen bis zu
CHF 800 000.– verhängt werden können.
Vorgehensweise
Nun ist das Erstellen einer Umsatzabstimmung grundsätzlich keine Hexerei. Es genügt,
die relevanten MWST-Abrechnungen mit dem
MWST-relevanten Kontenkreis zu vergleichen
NEWSLETTER 01
Für die Festlegung des relevanten Kontenkreises sollten folgende Leitpunkte standardmässig berücksichtigt werden:
• Erfassung sämtlicher Ertragskonten mit anschliessender Aussortierung nicht MWSTrelevanter Konten;
• Berücksichtigung von Aufwandkonten, welche MWST-relevante Umsätze enthalten
(bspw. Aufwandminderungen, Rabatte, für
den Lohnausweis relevante Vorteile zugunsten des Personals etc.);
• Erfassung von Bilanzkonten mit MWSTrelevanten Buchungen (bspw. aufgrund der
Veräusserung von Sachanlagen und übrige
Desinvestitionen, Anzahlungen von Kunden
ohne Rechnungsstellung etc.);
SEPTEMBER 2015
BEST PRACTICE UMSATZABSTIMMUNG MWST
• Erfassung sämtlicher grundsätzlich nicht
MWST-relevanter Bilanz- und Erfolgskonten, sofern diese fälschlicherweise MWSTcodierte Buchungen enthalten;
• Berücksichtigung nicht oder nicht zu Drittpreisen verbuchter geldwerter Leistungen;
• Überprüfung der materiell korrekten
MWST-Codierung hinsichtlich der zugeordneten Geschäftsvorgänge im ERP-System.
Korrektur auch nach dem 31. August
Was kann jener tun, der die Finalisierungsfrist vom 31. August verpasst hat? Die Finalisierungsfrist ist eine gesetzliche Frist und
kann von der ESTV nicht verlängert werden.
Abrechnungsmängel sind gemäss Art. 72
Abs. 2 MWSTG aber auch nach Ablauf dieser
Frist mit einer Korrekturabrechnung zu melden. Dies hat zwar unter Umständen einen
FINANZ- UND RECHNUNGSWESEN
NEWSLETTER 01
Verzugszins zur Folge, die Korrekturabrechnungen gelten aber als Selbstanzeige und ein
allfälliges Strafverfahren kann vermieden werden. Die Korrekturabrechnung muss der ESTV
aber eingereicht werden, bevor die ESTV eine
Kontrolle angekündigt hat. Sonst ist es mit der
strafbefreienden Wirkung vorbei. Es empfiehlt
sich also, auch nach dem 31. August noch,
die Umsatzabstimmung zeitnah vorzunehmen
und nicht etwa ein (weiteres) Jahr zuzuwarten.
Fazit
Spätestens seit dem 1. Januar 2010 gehört
die Umsatzabstimmung zu den Arbeiten, die
anlässlich des Jahresabschlusses zu erledigen sind. Wenn alle notwendigen Prüfschritte
in der Umsatzabstimmung sowie in zusätzlichen Unterlagen klar und eindeutig dokumentiert sind, kann das Risiko von Steueraufrech-
nungen oder gar strafrechtlichen Verfahren
wegen Steuerhinterziehung minimiert werden.
Letztlich stellt die Umsatzabstimmung damit
also nicht nur die Erfüllung einer gesetzlichen
Pflicht oder die Zweckerfüllung mit Blick auf
das Einverlangen der Unterlagen durch die
ESTV anlässlich von Revisionen dar. Vielmehr
dient die Umsatzabstimmung auch unternehmerischen Interessen, wie beispielsweise
der Berichtigung von Fehlern zugunsten des
Unternehmens, der Verifikation von falschen
Vorgängen im ERP-System oder der Effizienzüberprüfung interner Kontrollmechanismen.
AUTOR
Claudio Fischer, lic. iur., Anwalt,
Certificate of Advanced Studies Taxation. Er arbeitet seit 2011 als Senior
Manager MWST Beratung bei EY
in Bern und Zürich.
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