Regulierung von Werkverträgen und Zeitarbeit

Regulierung von Werkverträgen und Zeitarbeit
Stellungnahme der vbw zum Gesetzgebungsvorhaben
Der Referentenentwurf schafft für große Teile der wachsenden Dienstleistungsbranchen neue Rechtsunsicherheiten und überflüssige Regulierungen. Die vorgesehenen
Regelungen gehen zum Teil weit über den Koalitionsvertrag hinaus und sind mit einer
modernen, arbeitsteiligen Wirtschaft zu einem erheblichen Teil nicht vereinbar. Der
Gesetzentwurf enthält nicht nur neue Regulierungen für Zeitarbeit und Werkverträge,
sondern vor allem äußerst problematische, rückwärtsgewandte Regelungen zum Arbeitsverhältnis. Das gefährdet die Erbringung von Dienstleistungen durch Selbständige
und das arbeitsteilige Zusammenwirken von Unternehmen.
Regulierung von Werkverträgen
Die im Gesetzentwurf genannten Kriterien mögen zum Teil für die frühere Arbeitswelt
vertretbar gewesen sein. Sie sind jedoch rückwärtsgewandt und praxisfern, weil sie
nicht die moderne Spezialisierung von Unternehmen berücksichtigen. Es würden eine
große Zahl von Dienst- und Werkverträgen erfasst, die heute unstreitig von selbständigen Unternehmen durchgeführt werden. Es muss auch künftig gewährleistet sein, dass
zum Beispiel im Anlagenbau, bei IT-Dienstleistungen, Logistikunternehmen, Wach- und
Sicherheitsdiensten und bei technischen Serviceunternehmen die Arbeitnehmer der
Vertragspartner oder anderer beauftragter Unternehmen eng zusammenarbeiten. Eine
solche Zusammenarbeit von Arbeitnehmern unterschiedlicher Arbeitgeber muss auch
dann möglich sein, wenn überwiegend Mittel oder Werkzeuge des Auftraggebers eingesetzt werden. Das ist für eine Vielzahl von Dienstleistungsverträgen selbständiger
Unternehmen durchaus typisch. Ebenso typisch ist, dass bei solchen Dienstleistungsverträgen selbständiger Unternehmen häufig keine Gewährleistung übernommen werden kann. Auch die Gestaltung der Dienstleistung wird häufig zwischen den beteiligten
Unternehmen vertraglich festgelegt. All diese Kriterien sind nach der geltenden Rechtslage gerade keine Indizien für das Vorliegen eines „missbräuchlichen Fremdpersonaleinsatzes“. Das aber verkehrt der Gesetzentwurf in sein Gegenteil.
Der Koalitionsvertrag sieht lediglich vor, „zur Erleichterung der Prüftätigkeit von Behörden die wesentlichen durch die Rechtsprechung entwickelten Abgrenzungskriterien
zwischen ordnungsgemäßen und missbräuchlichen Fremdpersonaleinsatz gesetzlich
niederzulegen“. Stattdessen gibt der Entwurf in einer neuen Vorschrift im BGB Kriterien
vor, wann ein Arbeitsverhältnis aufgrund der Eingliederung und Weisungsgebundenheit
des Arbeitnehmers vorliegen soll. Diese Kriterien gehen weit über die bisherige Recht-
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sprechung hinaus. Mit einem solchen Kriterienkatalog würde eine substantielle Veränderung des Arbeitsvertragsrechts vorgenommen. Das ist im Koalitionsvertrag weder
vorgesehen noch indirekt beabsichtigt.
Eine solche praxisfremde Regelung bremst die Digitalisierung aus. Vernetzung und
damit verbundene arbeitsteilige Prozesse werden durch moderne Informationstechnologien zukünftig noch wichtiger werden. Gerade IT-Prozesse werden von hochspezialisierten Unternehmen angeboten. Die mit diesen abgeschlossenen Verträgen werden
durch den Entwurf wie Arbeitsverhältnisse eingestuft und damit im Kern bedroht.
Außerdem sieht der Referentenentwurf eine Beweislastumkehr zu Lasten der Arbeitgeber vor. Das ist völlig systemwidrig und auch im Koalitionsvertrag mit keinem Wort
vorgesehen. Im deutschen Privatrecht muss immer der Anspruchsteller die Voraussetzungen seines Anspruchs beweisen. Es gibt keinerlei Grund, diesen Grundsatz hier
umzukehren. Dabei ist auf die schlechten Erfahrungen mit der früheren Festschreibung
von Scheinselbständigkeitskriterien im SGB IV in den Jahren 1999-2003 zu verweisen.
Die Weisungsgebundenheit und die Eingliederung des Arbeitnehmers in den Betrieb
des Arbeitgebers sind die entscheidenden Voraussetzungen für das Vorliegen eines
Arbeitsverhältnisses. Die Kriterien werden auch im Gesetzentwurf verwendet, wogegen
nichts einzuwenden ist. Die darüber hinausgehenden Regelungen aber produzieren
eine nicht akzeptable Rechtsunsicherheit und gefährden einen erheblichen Teil der
modernen arbeitsteiligen, spezialisierten Dienstleistungswirtschaft.
Die vom Koalitionsvertrag vorgesehene Sanktion einer Gleichstellung des ScheinWerkunternehmers mit einem Zeitarbeitsunternehmer ohne Verleiherlaubnis kann nur
den vorwerfbaren Missbrauch einer (Vorrats-) Überlassungserlaubnis zur Absicherung
einer offen fehlerhaft durchgeführten Werkvertragsgestaltung erfassen. Es muss jedenfalls eine Entlastung stattfinden können, wenn kein Organisationsverschulden im Einsatzunternehmen vorliegt, sondern z. B. ein einzelner Mitarbeiter im Einsatzunternehmen entgegen der Vorgaben Weisungen erteilt.
Da Werkvertrags-Arbeitnehmer über vollwertige Arbeitsverhältnisse verfügen, erscheint
der Anlass für eine Erhöhung des Kontrolldrucks durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit mit entsprechendem Generalverdacht unangemessen.
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Regulierung der Zeitarbeit
Im Koalitionsvertrag ist eine Höchstüberlastungsdauer von 18 Monaten vorgesehen,
von der durch Tarifvertrag oder aufgrund eines Tarifvertrages abgewichen werden
kann. Dies wird umgesetzt und ist soweit ok. Eine Bezugnahmeklausel für nicht tarifgebundene Unternehmen ist aber nicht vorgesehen. Dies würde bedeuten, dass für
alle OT-Betriebe Zeitarbeit nur noch für 18 Monate möglich wäre. Dies verstößt gegen
die positive und negative Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) und ist damit verfassungswidrig. Ein entsprechendes Rechtsgutachten von Prof. Martin Franzen (LMU
München) liegt vor. Nicht ohne Grund sind branchentariflichen Regelungen immer mit
Bezugnahmeklauseln erfolgt. Von unseren OT-Firmen haben bei uns ca. 20 Prozent
Zeitarbeitnehmer, die über 18 Monate eingesetzt werden. Eine Bezugnahme muss
zumindest durch eine Betriebsvereinbarung erfolgen können. Der Hinweis des BMAS
auf Anerkennung von Firmentarifverträgen ist nicht zielführend, da sie sich damit die
kompletten Arbeitsbedingungen (Arbeitszeit, Entgelt, etc.) einkaufen würden. Die fehlende Möglichkeit der Bezugnahme geht i. Ü. über den Koalitionsvertrag hinaus.
Die Höchstgrenze kann nur für Zeitarbeitseinsätze gelten, die nicht infolge eines äußeren Anlasses zwingend notwendig werden (z. B. für Projektarbeit, zur Überbrückung
längerer Erkrankungen oder von Pflegezeit). Die gesetzliche Regelung könnte sich an
der Systematik des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) orientieren, wo ebenfalls
zwischen Befristungen ohne Sachgrund (max. zwei Jahre) und mit Sachgrund (ohne
Höchstgrenze) unterschieden wird.
Der Koalitionsvertag sieht equal pay nach neun Monaten vor. Einig ist man sich, dass
dort, wo Branchenzuschlagstarifverträge bestehen, equal pay als erreicht gilt. Dies wird
durch Durchschnittsberechnungen sichergestellt. Es sind derzeit 90 Prozent. In das
Gesetz soll jetzt eingefügt werden, dass nach 12 Monaten tatsächlich 100 Prozent als
equal pay zu zahlen sind. Das ist viel zu kurz gegriffen. Auf diese Weise werden Anreize zum Abschluss solcher Tarifverträge zerstört. Der Koalitionsvertrag sieht auch keine
solche zweite Grenze vor. Wenn sie dennoch kommen soll, muss sie deutlich erhöht
werden.
Im Referentenentwurf wird equal pay zudem als equal treatment definiert. Einbezogen
werden sollen sämtliche geldwerten Vorteile. Dies geht über die Vereinbarung im Koalitionsvertrag hinaus. Es muss klargestellt werden, dass Vergleichsgröße nur das jeweilige Stundenentgelt ist.
Die vorgesehene Verständigung zwischen Auftraggeber und Zeitarbeitsunternehmen
auf konkrete Zeitarbeitnehmer ist völlig unpraktikabel und widerspricht dem Wesen der
Zeitarbeit als flexiblem Personalinstrument. Der vorgesehene Hinweis des Verleihers
an seine Zeitarbeitskräfte, dass sie als solche eingesetzt werden, erscheint ebenfalls
unsinnig, wenn der Verleiher ohnehin keine Werkvertragsleistungen anbietet. Hier-
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durch wird massiv Bürokratie verursacht. Beides ist auch nicht im Koalitionsvertrag
vorgesehen.
Die Bemerkung in der Entwurfsbegründung zur Berücksichtigung bei Schwellenwerten
des BetrVG, dass hierdurch keine Belastung der Einsatzbetriebe erfolge, ist blanker
Hohn. Schwellenwerte haben gerade den Sinn, dass bei ihrer Überschreitung zusätzliche Pflichten entstehen (z. B. Freistellung eines zusätzlichen Betriebsratsmitglieds).
Angesichts der nunmehr geplanten Höchstüberlassungsdauer führt der vorübergehende Einsatz von Zeitarbeitern im Betrieb zu keinem Mehraufwand, der eine solche Belastung rechtfertigt. Die Einberechnung sollte daher gestrichen werden.
Die Konsequenz eines Verstoßes gegen die neuen Regulierungen soll stets (neben
einem Bußgeld) ein gesetzlich fingiertes Arbeitsverhältnis des Zeitarbeitnehmers mit
dem Auftraggeber sein. Dies kann zwar durch eine Erklärung des Zeitarbeitnehmers
abgewandt werden, stellt aber dennoch eine unverhältnismäßige Konsequenz dar.
Nicht nachvollziehbar ist schließlich, warum der Öffentliche Dienst von den Regulierungen weitestgehend ausgenommen ist.
Ansprechpartner
Dr. Frank Rahmstorf
Geschäftsführer und Leiter
Grundsatzabteilung Recht
Telefon 089-551 78-230
Telefax 089-551 78-233
[email protected]
www.vbw-bayern.de
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