AR 15/2015, Anhang - Entgelttransparenzgesetz Tabelle BDA

Entgelttransparenzgesetz und Initiativen zum Thema „Entgeltgleichheit und Tarifverträge“
Koalitionsvertrag
Pläne des Bundesfamilienministeriums
Bewertung
Berichtspflicht:
„Um das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit“ besser
zur Geltung zu bringen, wollen wir mehr
Transparenz herstellen, u. a. durch eine
Verpflichtung für Unternehmen ab 500
Beschäftigte, im Lagebericht nach dem
Handelsgesetzbuch (HGB) auch zur
Frauenförderung und Entgeltgleichheit
nach Maßgabe gesetzlicher Kriterien
Stellung zu nehmen.“
Angaben müssen erfolgen zu:
 Anteil von Frauen in jeweiliger Entgeltstufe/gruppe.
 Tätigkeiten im Unternehmen, die überwiegend
Frauen oder Männer übernehmen, und deren
Entgelteinstufung.
 Arbeitsbewertungsverfahren und Entgeltbestandteile.
 Hinweis auf Tarifbindung bzw. Orientierung an
Tarifverträgen soll nicht genügen, aber es soll
ein längeres Berichtsintervall für tarifgebundene
Unternehmen geben.
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Auskunftsanspruch:
„Darauf aufbauend wird für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein individueller Auskunftsanspruch festgelegt.“
Anspruch bezieht sich auf:
 Maßstäbe und Kriterien für Festlegung des
eigenen Entgelts und vergleichbarer Tätigkeit.
 Durchschnittsentgelt und Entgeltspanne einer
Vergleichsgruppe von mindestens drei vergleichbaren Kollegen anderen Geschlechts.
 Tarifvertraglich geregelte Auskunfts- und Beschwerdeverfahren sollen Vorrang haben (in
Tarifverträgen, z. B. der M+E-Industrie, sind bereits Beschwerdeverfahren im Bereich Entgelt
geregelt, z. B. Einsatz einer paritätisch besetzten Einstufungs- bzw. Reklamationskommission).
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Prüfverfahren:
„Unternehmen werden dazu aufgefordert, mithilfe verbindlicher Verfahren und
gemeinsam mit den Beschäftigten und
unter Beteiligung der Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter im Betrieb in eigener Verantwortung erwiesene Entgeltdiskriminierung zu beseitigen.“
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Gesetz soll inhaltliche Anforderungen an Verfahren vorgeben. Es soll keine Verpflichtung
zur Durchführung von Verfahren geben.
Unternehmen sollen Wahlrecht bzgl. des Verfahrens haben.
Sozialpartner sollen sich „idealerweise“ branchenspezifisch auf Verfahren verständigen.
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Unterschiedliche Bezahlung von Frauen und Männern bei gleicher
Tätigkeit, Qualifikation und gleichem Arbeitgeber wegen des Geschlechts ist schon heute verboten.
Schwächung der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie:
Hinweis auf Anwendung von bzw. Orientierung an Tarifverträgen
muss genügen (Richtigkeitsgewähr von Tarifverträgen).
Weiterer Schritt zum Aufbau überflüssiger Bürokratie.
Gesetz geht Ursachen für gesamtwirtschaftlichen Entgeltunterschied
bei Männern und Frauen nicht an: unterschiedliche Berufswahl, unterschiedliches Erwerbsverhalten (mehr Teilzeit, mehr Auszeiten, weniger Führungspositionen), Fehlanreize in der Familienpolitik (u. a. Betreuungsgeld).
Betriebsrat kann bereits heute darauf hinwirken, dass systematische
Benachteiligungen beim Arbeitsentgelt unterbleiben.
Auskunftsansprüche können den Datenschutz verletzen und Unfrieden in die Betriebe bringen (trotz Anonymität).
Hinweis auf die Anwendung von bzw. Orientierung an Tarifverträgen
und die Information über die jeweilige Entgeltgruppe im Tarifvertrag
muss bei Auskunftsansprüchen als Nachweis genügen.
Auskunftsanspruch darf nur für Unternehmen gelten, die mehr als
500 Beschäftigte haben (Koalitionsvertrag). Vergleichsgruppe von drei
Personen ist zu klein, ein höherer Schwellenwert daher notwendig.
Vetorecht des Arbeitgebers bei Möglichkeit von Rückschlüssen auf
Einzelperson bei zu kleiner Vergleichsgruppe nötig.
Frist notwendig, innerhalb derer der Auskunftsanspruch nicht erneut
erhoben wird, um Missbrauch des Auskunftsanspruchs zu verhindern.
Eine gesetzliche Regelung zu den „verbindlichen Verfahren“ ginge
über den Koalitionsvertrag hinaus, wonach Unternehmen nur „dazu
aufgefordert“ werden.
Die Beteiligung des Betriebsrats darf nicht zu neuen oder weitergehenden Mitbestimmungs- oder Informationsrechten führen, es darf allenfalls eine Beratung mit dem Betriebsrat geben.
Verständigung der Sozialpartner ist nicht im Koalitionsvertrag vorgesehen.
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Entgelttransparenzgesetz und Initiativen zum Thema „Entgeltgleichheit und Tarifverträge“
Koalitionsvertrag
Pläne des Bundesfamilienministeriums
Bewertung
Tarifpartner-Initiativen:
„Gemeinsam mit den Tarifpartnern wollen wir die Feststellung des Wertes von
Berufsfeldern, von Arbeitsbewertungen
und die Bewertung von Fähigkeiten,
Kompetenzen und Erfahrungen voranbringen. Ziel muss es sein, unter anderem die Arbeit in der Pflege, Betreuung
und frühkindlicher Bildung weiter aufzuwerten. […]
Wir wollen eine Initiative gemeinsam mit
den Tarifpartnern starten, um die Muster
von struktureller Entgeltungleichheit in
Tarifverträgen zu erkennen und zu
überwinden.“
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Angedacht: Kampagne mit Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften zur Beseitigung der
Ursachen von gesamtwirtschaftlichen Entgeltunterschieden, Vertiefung und Weiterentwicklung bestehender Kooperationen (Erfolgsfaktor
Familie, Perspektive Wiedereinstieg etc.).
Übertragung eines sechsstufigen Entgelt- und
Arbeitsbewertungsinstruments der International
Labour Organisation (ILO) namens „EQUITY.
Gender-neutral Job Evaluation for Equal Pay“
auf Deutschland soll geprüft werden.
Ergebnisse des Forschungsprojekts „Tarifverhandlungen und Equal Pay" (Universität Nürnberg-Erlangen, IAB) sollen für weitere Initiativen
genutzt werden. Erstes Ergebnis: Tarifverträge
verringern Entgeltungleichheit in Unternehmen.
Es hinterfragt jedoch auch die Bedeutung einer
Geschlechteraufteilung in Tarifkommissionen.
Veranstaltung zu ILO-Instrument und Forschungsprojekt im Herbst 2015 unter Mitwirkung der Tarifpartner.
Dialogforum zum Thema „Gleichstellung in der
Arbeitswelt 4.0“.
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Die Pläne sind Ausdruck des Versuchs einer zunehmenden staatlichen Einflussnahme auf die Lohnfestsetzung. Der Koalitionsvertrag
unterstellt den Tarifvertragspartnern strukturelle Diskriminierung, stellt
die Richtigkeitsgewähr der Tarifverträge in Frage und schwächt ihre
Akzeptanz. Insbesondere die Vorgabe an die Tarifvertragsparteien einer einheitlichen Neugestaltung von Arbeitsbewertungs- und Entgeltfindungssystemen kann einen Eingriff in die Tarifautonomie und die
Koalitionsfreiheit darstellen.
Die Prüfung von Tarifverträgen kommt einer weitreichenden Inhaltskontrolle bis hin zur Tarifzensur gleich.
Tarifverträge gewährleisten eine diskriminierungsfreie Entlohnung. Sie
beschreiben die Eingruppierung und Vergütung von Tätigkeiten personenunabhängig, geschlechtsneutral und anhand objektiver arbeitswissenschaftlicher Kriterien, z. B. anhand der für die Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse. Sie bieten eine branchenspezifische und marktgerechte Entlohnung. Sie sind bester Garant für die Beseitigung von
Entgeltungleichheit zwischen Frauen und Männern bzw. für die Einhaltung der Grundsätze von gleichem Entgelt für gleiche Arbeit.
Der Sinn von neuen staatlich angeordneten Arbeitsbewertungsverfahren bzw. -systemen neben dem bewährten Tarifvertragssystem ist
nicht erkennbar. Die angestrebte Vergleichbarkeit verschiedener
Branchen mit dem Ziel der Aufwertung einzelner Berufe bzw. Branchen ist nicht sachdienlich und auch nicht möglich. Die Bewertung von
Arbeit ist ureigene Aufgabe der Tarifparteien in den jeweiligen Branchen, nicht die der Politik.
Die Ergebnisse zur positiven Wirkung von Tarifverträgen auf die Entgeltgleichheit aus dem Forschungsvorhaben „Tarifverträge und Equal
Pay“ müssen bei Initiativen und Gesetz Berücksichtigung finden.
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