Walter Packi - Stretching oder Dehnen

Walter Packi
Arzt für Allgemeinmedizin
Begründer der Medizin nach der Biokinematik
Stretching oder Dehnen
(Die Katze am Schwanz ziehen)
Stretching ist eine weitverbreitete, beliebte Technik, um unbewegliche
“steife” Muskeln beweglicher zu machen. Die Skelettmuskulatur ist sog.
Willkürmuskulatur, im Gegensatz zur autonomen Muskulatur, wie dem
Darm, oder dem Herzmuskel. Der Skelettmuskel unterliegt der
Willkürkontrolle. Er verhält sich aktiv oder passiv, je nach Willküraktivität.
Von alleine tut er nichts. Mittels der Willkürinnervation kann die eigene
Muskulatur beliebig eingeschaltet, ausgeschaltet oder auf einem
bestimmten Kraftniveau festgesetzt werden. Dieser Prozess wird
Rekrutierung genannt. Am lockersten sind alle Muskeln des Körpers im
Schlaf, wenn die Willküraktivität des Gesamtkörpers ausgeschaltet ist.
Beim Stretching muß Zielmuskel locker sein. Er muß willkürlich
ausgeschaltet werden, deaktiviert sein. Mit der Deaktivierung wird die
Kraftaktivität dieses Muskels auf ein Minimum reduziert. In diesem Zustand
kann der Muskel wie eine Teleskopstange auf seine maximale Länge
auseinandergezogen werden. Da die eigene Kraft eines solchen Muskels
willkürlich ausgeschaltet ist, könnte ein solcher Muskel problemlos
auseinandergerissen werden, wenn er für einen solchen Zustand keinen
Schutzmechanismus hätte. Dieser Schutz vor Überdehnung ist im
Bindegewebe des Muskels zu suchen.
Dieses Bindegewebe umhüllt den Gesamtmuskel ebenso, wie es jede
einzelne Faser innerhalb des Muskels durchsetzt (Perimysium,
Endomysium). Das Muskelbindegewebe ist autonom, also willkürlich nicht
kontrollierbar und damit bewußt nicht wahrnehmbar. Wie alles andere auch,
unterliegt es einer zentralen Funktionskontrolle. Es ist jedoch keineswegs
eine Art starrer Strick, der die Bewegung erst dann stoppt, wenn der Muskel
am Ende ist. Es wird vielmehr bereits im Vorfeld aktiv. Immer dann, wenn
dem Muskel eine relative Überdehnung droht wird es aktiviert, um eine
Zerreißung seines Muskel zu verhindern. Dies wird deutlich bei
Dehnungsverletzungen. Ein gesunder Muskel reißt nicht. Eher reißt die
Sehne aus dem Knochen aus, oder die Sehne selbst reißt. Der
Muskelbauch reißt nur dann zuerst, wenn er vorgeschädigt war.
Naturgemäß ist das Muskelbindegewebe maximal aktiviert, wenn die
zugehörige Muskelfaser maximal deaktiviert ist, also beim Stretching.
Stretching ist also eine Bindegewebstechnik und keine Muskeltechnik.
Bindegewebe ist zum Halten da und nicht zum Bewegen. Wenn
Bindegewebe gezielt stimuliert wird, dann wird damit dessen Haltefähigkeit
trainiert. Die Beweglichkeit wird bestimmt nicht besser. Bindegewebe ist
kein Gummi, der länger wird, wenn man daran zieht.
Stretching bedeutet also, daß nicht der aktive Muskelapparat sondern das
Bindegewebe des Muskels gedehnt wird.
Im Gegenteil: wenn Bindegewebe einem ausreichenden Dehnreiz
ausgesetzt wird, dann wird entlang der Dehnlinie eine Gegenspannung
installiert, um den Muskel vor dem Zerreißen zu bewahren.
Diese Gegenspannung kann bei entsprechendem Dehnreiz reflektorisch
auf Dauer installiert bleiben und damit die freie Beweglichkeit des
zugehörigen Muskels auf Dauer beeinträchtigen. Die Bewegungsgeometrie
des Muskels wird gestört.
Exakt dies ist die Grundlage für die Schmerzentstehung. Durch gekonntes
Stretching kann im Prinzip jeder beliebige Schmerz im Körper installiert
werden. Schmerz im Zusammenhang mit Unfällen entsteht auf diese Art.
Unfälle sind insofern regelmäßig relative Überdehnungen, Dehnungen, die
die momentane Muskelkraft entlang der Dehnlinie übersteigen. Damit wird
das entsprechende Bindegewebe aktiviert, der Muskel zwar vor dem
Zerreißen bewahrt, in seiner anschließenden Beweglichkeit jedoch
eingeschränkt.
Wer Schmerzen haben will, der soll sich also Dehnen lassen.
Es ist naiv, anzunehmen, daß an einem Muskel nur gezogen zu werden
braucht, damit dieser länger wird. Der Schwanz einer Katze wird auch nicht
länger, wenn man daran zieht. Wenn ein Muskel zu kurz ist, dann muß
dieser umtrainiert werden. Beim Dehnen passiert entweder gar nichts oder
es entstehen zusätzliche Schädigungen. Deswegen ist bei unserer
Behandlungsweise jede Art von Dehntechnik prinzipiell untersagt.
Walter Packi Arzt