Aperitif für den Sonntag Jeden Sonntag hören wir drei Lesungen in der Messe. Dabei wird uns aber nicht einfach etwas vorgelesen. Wir bezeichnen das Gehörte als „Wort Gottes“, wir glauben, dass es uns im hier und jetzt erreichen will, auch wenn die Texte uralt sind. Diese Rubrik will eine kleine Hilfe sein, die erste Lesung aus dem Alten Testament und das Evangelium des kommenden Sonntags, die in der Regel thematisch zusammenhängen, schon einmal vorab zu lesen. Anbei versuchen wir immer, eine Verständnishilfe zu bieten, die aber keine Deutung oder gar Predigt sein will. Gesegneten Sonntag wünscht Ihnen Kaplan Matthäus Hilus 5.SONNTAG DER FASTENZEIT – C ERSTE LESUNG Jes 43, 16-21 Seht her, ich schaffe Neues; ich tränke mein Volk Lesung aus dem Buch Jesaja 16 So spricht der Herr, der einen Weg durchs Meer bahnt, einen Pfad durch das gewaltige Wasser, 17 der Wagen und Rosse ausziehen lässt, zusammen mit einem mächtigen Heer; doch sie liegen am Boden und stehen nicht mehr auf, sie sind erloschen und verglüht wie ein Docht. 18 Denkt nicht mehr an das, was früher war; auf das, was vergangen ist, sollt ihr nicht achten. 19 Seht her, nun mache ich etwas Neues. Schon kommt es zum Vorschein, merkt ihr es nicht? Ja, ich lege einen Weg an durch die Steppe und Straßen durch die Wüste. 20 Die wilden Tiere werden mich preisen, die Schakale und Strauße, denn ich lasse in der Steppe Wasser fließen und Ströme in der Wüste, um mein Volk, mein erwähltes, zu tränken. 21 Das Volk, das ich mir erschaffen habe, wird meinen Ruhm verkünden. Der Mensch lernt durch Korrelation. Er lernt, indem er an etwas Bekanntes erinnert wird, um die Gegenwart und die Zukunft zu erfassen und sich zurechtzufinden. Für das Volk Israel ist das bekannteste und wichtigste Ereignis der Geschichte der Auszug aus Ägypten. In ihrer jetzigen Lage - dem Exil in Babylon – ist die Erinnerung an die Vergangenheit etwas Unabdingbares. Genauso lernt der Mensch durch das Gegenteil, nämlich dadurch, dass er mit etwas völlig Neuem konfrontiert wird. „Vergesst alles“, so Gott zu seinem Volk, „was früher war.“ Das Neue, was hier angekündigt wird, ist für das Volk Israel der neue Auszug aus der Sklaverei in Babylon. Wir Christen sehen in der Neuheit den Auszug der ganzen Menschheit aus der Macht des Bösen, den wir an Ostern feiern. EVANGELIUM Joh 8, 1-11 Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie + Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes In jener Zeit 1 ging Jesus zum Ölberg. 2 Am frühen Morgen begab er sich wieder in den Tempel. Alles Volk kam zu ihm. Er setzte sich und lehrte es. 3 Da brachten die Schriftgelehrten und die Pharisäer eine Frau, die beim Ehebruch ertappt worden war. Sie stellten sie in die Mitte 4 und sagten zu ihm: Meister, diese Frau wurde beim Ehebruch auf frischer Tat ertappt. 5 Mose hat uns im Gesetz vorgeschrieben, solche Frauen zu steinigen. Nun, was sagst du? 6 Mit dieser Frage wollten sie ihn auf die Probe stellen, um einen Grund zu haben, ihn zu verklagen. Jesus aber bückte sich und schrieb mit dem Finger auf die Erde. 7 Als sie hartnäckig weiterfragten, richtete er sich auf und sagte zu ihnen: Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie. 8 Und er bückte sich wieder und schrieb auf die Erde. 9 Als sie seine Antwort gehört hatten, ging einer nach dem anderen fort, zuerst die Ältesten. Jesus blieb allein zurück mit der Frau, die noch in der Mitte stand. 10 Er richtete sich auf und sagte zu ihr: Frau, wo sind sie geblieben? Hat dich keiner verurteilt? 11 Sie antwortete: Keiner, Herr. Da sagte Jesus zu ihr: Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr! Alle Menschen stehen in der Spannung zwischen Anspruch und Wirklichkeit. In der heutigen Zeit scheint es so zu sein, als wäre die Spannung zwischen offenbarter Wahrheit, an die wir in der Kirche glauben und der Lebenswirklichkeit, die oft genug auch unsere Wirklichkeit ist, nicht auszuhalten. Im heutigen Evangelium begegnet uns gerade diese Spannung: die scheinbare Kluft zwischen Barmherzigkeit und Gesetzt. Einige Impulse, um das Evangelium gewinnbringend zu hören: - - In der Szene handelt es sich um eine Falle. Den Schriftgelehrten geht es - anders als Jesus - nicht um die Person, sondern um ein akademisches Prinzip. Das Schreiben in den Sand ist bis heute ein Rätsel geblieben. Alle Deutungsversuche, was genau das geschrieben wurde, bleiben in der Spekulation stecken. Die wahrscheinlichste Version: Jesus antwortet nicht sofort, er lässt die Pharisäer schmoren und nimmt der Auseinandersetzung die Schärfe. Eine zur Steinigung bereite Volksmenge ist ja kein idealer Diskussionspartner. Jesus macht das für uns Unmögliche: er stellt sich in die Spannung von Gesetzt und Barmherzigkeit. Ohne das Gesetzt aufzuheben, erweist er sich als der einzige, der verurteilen kann und darf. Und da ihn selbst das Urteil trifft, darf er Barmherzigkeit zeigen.
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