Pia Hensen Einsatzland: Ghana Einsatzstelle: Christ Academy Preparatory & JHS School Fodome Helu Berichtsspanne: 11.08.-01.11.2015 Datum: 02.11.2015 Alles, was ich im folgenden Bericht über meinen bisherigen weltwärts-Einsatz in Ghana berichte, entspricht ausschließlich meiner subjektiven Sichtweise und bezieht sich nur auf die Christ Academy und mein Leben im Dorf Fodome Helu. __________________________________________________________________________________ Lange darauf gewartet und nun bereits 3 Monate mitten drin… Nachdem ich lange darauf hingefiebert hatte, war es zwei Tage nach unserer Ankunft in Ghana am 13.08.15 endlich soweit und ich lernte mein neues Zuhause für das nächste Jahr kennen: ein schönes, wenn auch etwas kahles, Haus in Fodome Helu. Fodome Helu ist ein kleines, aber feines Dorf in der Volta-Region in der Nähe von Hohoe. Zentrum des Dorfes ist eine Kreuzung, an der es einen kleinen Shop gibt, in dem man alle möglichen Dinge für den täglichen Gebrauch kaufen kann, eine Bar, ein paar Marktstände und die Katholische Kirche von unserem Mentor Rev. Father Isaac Benuyenah. Meine Einsatzstelle ist die Christ Academy, eine von Father Isaac gegründete Privatschule, die Werte des christlichen, katholischen Glaubens als Leitfaden für das tägliche Handeln hat. Ich bin jeden Morgen ab 07.30Uhr in der Schule. Da der Weg zur Schule innerhalb von drei Minuten gegangen ist und ich mir mein Frühstück nicht selbst machen muss, reicht es, wenn ich 06.30Uhr mit dem Klingeln des Weckers aufstehe, mich anziehe und anschließend gemeinsam mit Daniel zum Frühstück ins Missionhouse watschel. Dies habe ich anfänglich oft so gehandhabt. Mittlerweile nutze ich jedoch auch gerne die morgendliche Ruhe, stehe bereits um sechs Uhr auf und lese noch ein bisschen. Frühes Aufstehen sehe ich mittlerweile nicht mehr als Zwang, sondern als Gewinn an. Das Missionhouse ist das Haus unseres Mentors Father Isaac. Wir gehen täglich zum Frühstück und zum Mittagessen dahin und werden von seiner Haushälterin Sister Elli versorgt. Abends kochen wir in unserem Haus selber. Das Frühstück im Missionhouse von Sister Elli ist ein Genuss. Es gibt jeden Morgen frisches, warmes Porridge aus gemahlenem Mais, Reis und Nüssen. Ich liebe es sehr. Das zusätzliche Angebot variiert täglich. Manchmal gibt es Rührei, manchmal Salat – manchmal beides. Die anfängliche Dominanz des Fisches in dem Mittagessen von Sister Elli war für mich als Vegetarierin doch eher schwer zu ertragen, da Fodome Helu trockener Reis auf Dauer doch nicht so schmackhaft ist. Nach einem netten und offenen Gespräch mit Sister Elli finde ich aber mittlerweile nur noch ganz selten Fisch oder Fleisch in meinem Mittagessen: Vegetarisch Leben in Ghana ist entgegensetzt aller Erwartungen und Prophezeiungen anderer also doch sehr gut möglich! Nach einem ausgiebigen Frühstück starten wir unserem Häuschen noch einen kleinen Zahnputzbesuch ab und dann werden die Schulbücher geschnappt und es geht ab zur Schule. „Madame Pia.. Sister Pia“ von allen Seiten werde ich jeden Morgen auf meinem Weg zur Schule so begrüßt. Es erfüllt das eigene Herz mit viel Freude, wenn man sieht, wie die Kinder sich freuen, einen jeden Morgen wiederzusehen. Nicht nur von den Kindern der Christ Academy werde ich so fröhlich begrüßt. Nein, sehr viele Kinder im Dorf bringen mir auf diese Weise viel Liebe entgegen und zaubern mir täglich ein Lächeln auf die Lippen. Besonders im Umgang mit kleineren Kindern im Dorf, deren Sprache ich nicht verstehe, wird mir bewusst, was Jesus damit meinte, als er sagte, dass wir uns in unserem Umgang mit anderen an den Kindern orientieren sollten. Wir können nicht wirklich miteinander reden, weil wir unsere Sprachen nicht verstehen, und dennoch schafft man es durch die herzliche und offene Art der Kinder, sich gegenseitig täglich zu erfreuen. Von 07.30-08.00Uhr säubern alle Schüler, die um diese Uhrzeit bereits da sind, das Schulgelände und die Klassenräume. Diese Zeit nutze ich meistens, um Hausaufgaben einzusammeln und zu kontrollieren oder um ein Tafelbild für die erste Unterrichtsstunde vorzubereiten. Nach dem gemeinsamen täglichen Assemble, bei dem Lieder gesungen, gebetet und wichtige Bekanntmachungen gemacht werden, beginnt die erste Stunde. Hierbei ist zu erwähnen, dass der Minutenzeiger in Ghana nicht so genau genommen wird wie gewohnt. So beginnt die erste Stunde leider meistens etwas später als der Stundenplan es vorgibt. Unterrichtet wird jeden Tag außer freitags bis 15.00 Uhr. Am Freitag wird nur bis zur Mittagspause um 12.15 Uhr unterrichtet. Nach der Pause ist Zeit, um gemeinsam zu spielen, sich zu unterhalten oder zu singen. Mittlerweile werden in der Zeit auch manchmal Lehrermeetings abgehalten, die in meinen Augen sehr wichtig sind und bereits nach einigen Wochen das Klima unter den Lehrern verbessert haben. Manchmal werkeln die Schüler in dieser Zeit auch an ihren Klassenräumen herum, wenn sie der Meinung sind, dass sie nicht komfortabel genug sind. Beispielsweise sind vor ein paar Wochen ein paar Jungs aus der 6. Klasse losgezogen, um Bambus, aus dem Wald zu holen. Diesen haben sie anschließend genutzt, um einen Sonnen- und Regenschutz für ihren Klassenraum zu bauen. Gemeinsamer Gesang, Gebet und Bekanntmachungen stellen den täglichen Abschluss des Schultages dar. Die Wichtigkeit, die der christliche Glaube in dem Leben aller Lehrer und Schüler dieser Schule spielt, ist besonders in diesen Momenten Das Schulgebäude sehr offensichtlich. Es ist schön für mich zu sehen, dass Gott täglich zu loben und zu preisen zu ihrem Tagesablauf genauso dazu gehört, wie zum Beispiel zu essen. Bevor ich hier ankam, wusste ich, dass ich an einer Schule arbeiten und wahrscheinlich auch eine Lehrfunktion einnehmen werde. Nun bin ich bereits seit über zwei Monaten Vollzeit-Mathematik-Lehrerin an der Christ Academy. Ich hätte niemals gedacht, dass ich mir das Fach, was ich gerne unterrichten möchte, selbst aussuchen darf und dass mir völlig freie Hand in der Umsetzung des vorgegebenen Lehrplans, inklusive Entwerfen und Schreiben von Tests und Klassenarbeiten, gelassen wird. Glücklicher Weise durfte ich bereits in meinem ersten Freiwilligendienst in Deutschland nach dem Abitur 2011 sehr viele Freiheiten genießen, aber die Situation in meinem jetzigen Dienst toppt das nochmal um 3 Schülerinnen der 6.Klasse – einiges. Ich liebe Freiräume und ich liebe es selbstständig Anthoanette, Seraphine und Julliett Verantwortung zu übernehmen und eigene Ideen umzusetzen. Allerdings ist das für mich nur wirklich angenehm, solange ich trotz aller Freiheiten das Gefühl habe, dass ein Interesse daran besteht, was ich tue und gewisse Kontrolle und damit verbundenes kritisches Feedback nicht völlig ausbleibt. Ich genieße mehr Verantwortung und Respekt als in meinen Augen für meine zweimonatige Tätigkeit als Mathematiklehrerin an der Schule angemessen ist. Manchmal habe ich das Gefühl, dass meine Meinung Gesetz ist, selbst in Bezug auf Dinge, die ich eigentlich gar nicht wirklich abschätzen kann. Wirklich kritischer Austausch untereinander findet nur sehr selten statt, da die Horizonte und Denkweisen zu verschieden und diese Art von Kommunikation hier auch nicht wirklich üblich sind. Meistens habe ich das Gefühl, dass von den Meisten versucht wird, das zu sagen, was sie denken, was ich hören möchte. Ich bin sehr dankbar dafür, dass der fehlenden positiven oder negativen Kritik ein von selbst einsetzendes Befriedigungsgefühl entgegensteht. Dieses Befriedigungsgefühl wird vor allem durch Fortschritte der Kinder hervorgerufen. Abgesehen vom Unterrichten, gibt es noch viele Dinge, die ich außerhalb der Mathematikstunden anpacken möchte und darf. Beispielsweise können viele Kinder verschiedener Jahrgänge nicht lesen. Diese Baustelle habe ich mir neben einigen organisatorischen und strukturierenden Tätigkeiten als meine Nebenaufgabe auserkoren: Lesenachhilfe. Außerdem ist das soziale Klima unter den Schülern in meinen Augen verbesserungswürdig. Daniel und ich haben uns gemeinsam vorgenommen, daran mit gemeinschaftsbildenden Spielen zu arbeiten. Die Arbeit an der Schule füllt mich gut aus. Dies kommt vor allem auch dadurch zustande, dass ich mit etwas Eigeninitiative die Aufgabenfelder meiner Freiwilligentätigkeit mit beeinflussen und bestimmen kann und somit auch immer wieder eine Veränderung in meinen Tätigkeiten möglich ist. Außerdem bekomme ich das Gefühl vermittelt, gebraucht zu werden. Dass kann meiner Meinung nach leider nicht jeder Freiwillige von sich behaupten und ich persönlich bin sehr froh, dass ich schon das Gefühl habe, in meiner Einsatzstelle eine Hilfe zu sein, da eine meiner Motivationen nach Ghana zu gehen schon war, zu helfen. Obwohl die Zeit nach der Schule unter der Woche immer wie im Flug vergeht, bleibt trotzdem noch Zeit, um einige schöne Dinge zu tun, bis es dunkel wird und ich mich mit Daniel in unserem Haus zum Kochen treffe. Ich singe beispielsweise im Kirchenchor und lerne dadurch gleichzeitig die Regionalsprache Ewe zu lesen. Seit ein paar Wochen gibt mir Prospa, ein Sänger aus dem Chor, Trommelunterricht. Einmal in der Wochen gebe ich Edem, einem Schüler aus der 4.Klasse, sozusagen Mathevorhilfe. Er ist der einzige Schüler der Klasse, der die Vorkenntnisse und die häusliche Unterstützung besitzt, um ihn nach den Lehrplananforderungen zu unterrichten. Im Unterricht gebe ich ihm bereits andere Übungen als den Anderen. Aber das reicht mir und ihm nicht aus. Freitag oder Montag fahre ich zum Markt nach Hohoe, der nächstgelegenen Stadt, um für unser leibliches Wohl einzukaufen und auch die Wäsche macht sich nicht von alleine wieder sauber und so verbringe ich meistens einen Nachmittag in der Woche damit, Wäsche zu waschen. Sonntags gehe ich, wenn wir nicht verreist sind, mit einer Freundin und ein paar Lehrern aus einer anderen Schule im Dorf in den Gottesdienst. In dem Gottesdienst wird mittlerweile sogar extra für mich auf Englisch übersetzt. Besonders schön finde ich hierbei, dass sie im Gebet jetzt oft dafür danken, dass in ihrer Gemeinde nun Menschen aus verschiedenen Nationen zusammenkommen: Ghana und Deutschland. Bevor ich nach Ghana gereist bin, war ich der festen Überzeugung, dass ich ganz viel Zeit zum Lesen und Schreiben haben werde. Ich habe schon Zeit dafür, aber die Wochen füllen sich auch mit ganz vielen anderen, schönen Aktivitäten und bereichern meinen Alltag hier sehr. Besonders die Gemeinschaft mit den Menschen beim gemeinsamen Musizieren bereitet mir sehr viel Freude. Viele Menschen im Dorf sind sehr offen und nehmen einen gerne mit hinein in ihre Aktivitäten. Abends bekommen wir öfters Besuch von lieben Menschen aus dem Dorf, mit denen wir Karten spielen oder denen wir Gitarre spielen beibringen oder denen Daniel Tipps im Umgang mit dem PC gibt. Gemeinsam mit Claire, einer Freundin von mir aus der Kirche, wurde ich bereits in die afrikanische Kochkunst eingeführt. An den Wochenenden machen wir meist schöne Ausflüge in die Natur, fahren in andere Städte und/oder besuchen unsere Mitfreiwilligen in Ghana. Diesen Kontrast zum Schulleben genieße ich sehr, vor allem auch wegen der Stille. Die Menschen in meinem Lebensumfeld hier in Fodome haben schon ein ziemlich konträres Verständnis in Bezug auf meine Einstellung zu normaler Lautstärke. Für mich ist hier alles einfach sehr, sehr laut. Manche Wochenenden genießen wir aber auch einfach die Dorfatmosphäre und verbringen Zeit mit den Menschen aus dem Dorf. Seht ihr mich?
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