Kommunikation Klassik und Digital intelligent verbinden Kreation Alles im Fluss? Was bedeutet eigentlich ‚Kreative Healthcare-Kommunikation‘, und warum flammt gerade jetzt die Diskussion um diesen Begriff so vehement auf? Wir leben in einem neuen, digitalen Zeitalter. Keiner weiß, was auf uns zukommt. Vor diesem Hintergrund werden, vielleicht etwas vorschnell, Prinzipien in Frage gestellt. Kommunikation funktioniert aber nun mal nach bestimmten Mustern. Und die sollten wir im Auge behalten. Autor: Winfried Krenz, Schmittgall Werbeagentur Kreativität ist die Fähigkeit, etwas vorher nicht Dagewesenes, Originelles und beständiges Neues zu kreieren (Michael Mumford, 2003). Oder: Aus Sicht der modernen Neurobiologie kann man Kreativität als ‚Neuformation von Informationen‘ definieren (Rainer M. Holm-Hadulla, 2011). Für beide Autoren ist Kreativität ein schöpferischer Akt. Es werden Dinge entwickelt, die es vorher noch nicht gab. Ganz frei, ungezügelt und ungeleitet. Damit ist Kreativität schon per Definition ein fließender Prozess. Allerdings steckt in ‚Kreative Healthcare-Kommunikation‘ auch der Begriff Kommunikation. 72 Healthcare Marketing 6/2015 Kreativität + Nachhaltigkeit + Nutzen Healthcare-Kreativität zielt darauf ab, Produkte, Unternehmen oder Projekte so darzustellen, dass sie bei den Zielgruppen nachhaltiger und effektiver wahrgenommen werden, eine höhere Aufmerksamkeit erreichen als der Wettbewerb. Dabei steht es außer Frage, dass besonders kreative Kampagnen dieses Ziel weitaus besser erreichen. Viele Beispiele, bei denen die gleichen Substanzen mit unterschiedlichen Markennamen und unterschiedlich starken Kampagnen in den Markt gegangen sind, sind ein klarer Beleg dafür. Diese starken, kreativen Kampagnen folgen dabei dem klassischen Markenaufbau. Sie setzen auf ungewöhnliche, im besten Sinne des Wortes kreative, also neue, noch nicht dagewesene Bilder und markante, nutzenorientierte Leistungsversprechen. So entstehen Marken, die in der Regel über die klassischen Medien wie Print, TV etc. und marktrelevante Kanäle, also z.B. Außendienst und Kongresse, eingeführt werden. Dabei steckt nicht in den Medien die Kreativität, sondern in den Ideen und in der Qualität der Umsetzungen. Übern Tag hinaus denken Das digitale Zeitalter Bei den digitalen Medien verhält sich das anders. Die digitale Welt eröffnet vollkommen neue Möglichkeiten, kreative Wege zu gehen. In strukturschwachen Gebieten etwa, in denen die Versorgung durch Hausärzte immer mehr zum Problem wird, könnte die Telemedizin eine große Hilfe sein. Zurzeit laufen Feldstudien zum Beispiel für Herz-Kreislauf-Patienten, bei denen täglich Parameter wie Blutdruck an ein Zentrum übermittelt werden. Bei einer Unregelmäßigkeit können dort direkt Maßnahmen eingeleitet werden. Laut ESC Congress Report verzeichnete die European Society of Cardiology 2014 in Barcelona erstmals mehr virtuelle als physische Teilnehmer. Life Übertragungen oder Formate wie CongressTV, bei denen Abstracts von internationalen Kongressen über Nacht aufbereitet und via Internet zu Verfügung gestellt werden, sorgen dafür, dass deutsche Ärzte auf dem neuesten Stand der Wissenschaft bleiben. Online gestützte Informationsportale, zum Beispiel ‚TheraKey‘, haben das Potential, die Arzt-Patienten-Kommunikation zu unterstützen. Ärzte erwarten davon in erster Linie eine Verbesserung der Compliance. Interaktive Fortbildungen bieten die Möglichkeit, virtuelle Patienten von der Erstvorstellung in der Arztpraxis über Anamnese und Diagnose bis zur Therapie Schritt für Schritt aktiv zu begleiten. Mit allen denkbaren Trugschlüssen und Zweifeln, die es auch in der täglichen Praxis geben mag. Selbst die Abrechnung der einzelnen Schritte kann nachvollzogen werden. App über Apps Eine Augmented-Reality-App bietet die Möglichkeit, Angehörigen einen erlebba- ren Eindruck davon zu verschaffen, wie sich das Sehvermögen bei bestimmten Augenerkrankungen verringert. Es ist schon eine ganz spezielle Erfahrung, zu sehen, wie wenig man bei einem eingeschränkten Gesichtsfeld noch wahrnehmen kann. Eine Zahnputz-App hilft Kindern dabei, spielerisch und nachhaltig das richtige Zähneputzen zu lernen. Fitness-Apps, künftig wahrscheinlich selbstverständlich kombiniert mit Wearables, überwachen u.a. Puls, Herzfrequenz, Kalorienverbrauch sowie Wegstrecke und dokumentieren den persönlichen Gesundheits-Status. Allein im ‚App Store‘ gab es 2014 über 1,2 Millionen Apps, Tendenz massiv steigend. Dem digitalen Trend kann sich niemand entziehen. Und sicher gibt es noch sehr viele interessante digitale Anwendungen und Konzepte allein im Gesundheitsbereich. In all diesen Projekten steckt ein hohes Maß an Kreativität. Und zwar ganz unterschiedlicher Art. Mal steckt die Kreativität im Kanal, mal in der Konzeptidee, mal in der spektakulären Umsetzung. Im besten Fall in einer Kombination aus alldem. Kreativität ist etwas Besonderes Schöpferische Kreativität gebiert immer etwas Neues, bisher nicht Dagewesenes. Sie ist kaum messbar. Messbar dagegen ist Effektivität. Deshalb müssen beim GWA Effie-Award zu Recht Nachweise der Effizienz erbracht werden. Kreativität kann jedoch von Experten gut beurteilt werden. Dafür steht seit vielen Jahren der Comprix, der größte Healthcare-Kreativ-Award im deutschsprachigen Raum. In diesem Jahr haben über 50 hochkarätige Juroren aus Agen- Kommunikation turen, Verlagen und der Industrie die eingereichten Arbeiten in den Bereichen RX, OTC und Digital kritisch bewertet. Muss der Comprix sich ändern? Die Healthcare-Kommunikation befindet sich im Fluss. Das liegt in der Natur der Sache. Das liegt auch am neuen digitalen Zeitalter. Diesen immer neuen Herausforderungen muss sich der Comprix selbstverständlich stellen. Jahr für Jahr. Der Prozess ist in vollem Gange. Im Moment sieht es danach aus, dass die Kreativität, die in Konzeptideen steckt, ein größeres Gewicht bekommen könnte. So haben es gerade im Digital-Bereich bereits einige Arbeiten auf die Shortlist geschafft, bei denen die Substanz eher im Konzeptgedanken und nicht allein im spektakulären Auftritt liegt. Andererseits funktioniert Kommunikation – allen modernen Medien zum Trotz – nach bestimmten Mustern. Erst, wenn über intelligente, spektakuläre und kreative Schlüsselbilder und über zündende Nutzen-Formulierungen eine Marke in den Köpfen der Zielgruppen entsteht und lebt, können zusätzliche Aktivitäten greifen. Deshalb sollte der Comprix den Markenaufbau nach den klassischen Strukturen und auch die bewährten Medien wie Print, TV und Plakat hochhalten und als Kern bewahren. Eine gewinnende Verbindung Healthcare-Kommunikation muss kreativ sein und idealerweise eigene Trends schaffen. Auf allen Kanälen: persönlich, klassisch und digital. Nur, wer alles geschickt verbindet, wird gewinnen und macht den Markt. Winfried Krenz Quelle: Schmittgall ist geschäftsführender Gesellschafter der Schmittgall Werbeagentur in Stuttgart [email protected] Innerhalb des Agenturenverbands GWA, Frankfurt, gibt es das Forum Healthcare Kommunikation, dem 26 Agenturen angehören. 2011 startete das Forum den GWA Healthcare Award. Er zeichnet Kommunikation aus, die durch „Klarheit und Unverwechselbarkeit von Auftritt und Positionierung sowie durch ihre channel-übergreifende Marken- und Mediastrategie“ überzeugt. Der nebenstehende Beitrag erscheint in unserer Rubrik ‚übern Tag hinaus denken‘, in der sich Führungskräfte aus HealthcareAgenturen zu einem visionären Thema ihrer Wahl äußern (www.gwa.de). Healthcare Marketing 6/2015 73
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