Deutsch-französische Geschichtsstunde Am 22. Januar feiern

Deutsch-französische Geschichtsstunde
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Am 22. Januar feiern Franzosen und Deutsche den 44. Jahrestag der Unterzeichnung des
Elysée-Vertrages, der eine ganz besondere Partnerschaft und Freundschaft zwischen
Deutschland und Frankreich begründet hat. Der Elysée-Vertrag ist mehr als nur ein formales,
zwischen zwei Regierungen vereinbartes Dokument. Es ist ihm vielmehr gelungen, die Köpfe
und die Herzen der Menschen beider Länder zu erreichen. Und das war bei der deutschfranzösischen Vergangenheit nicht leicht.
Das Verhältnis beider Staaten war mehr vom Gegeneinander bestimmt als von friedlichem
Austausch. Krieg, Annexion und Zerstörung, Leid und Besetzung, das waren die
Erinnerungen der Menschen, die von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Diese
Erfahrungen, auch der politisch Verantwortlichen, gipfelte in der Behauptung einer fast
naturgegebenen „Erbfeindschaft“ – und es erwies sich lange Zeit als fast unmöglich, den
fatalen Konsequenzen dieses Mythos zu entrinnen.
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Es bedurfte zweier Katastrophen, damit Deutsche und Franzosen sich von ihren Vorurteilen
lösen konnten. Mit Charles de Gaulle und Konrad Adenauer fanden zwei Staatsmänner die
Weitsicht und den Mut, in der „Sprache des Vertrauens und der Zusammenarbeit miteinander
zu reden“ und den Elysée-Vertrag abzuschließen. Auf dieser Basis haben auch die Menschen
in Frankreich und Deutschland Vertrauen zueinander gefunden.
Das wohl wichtigste Fundament haben 5.000 Schulpartnerschaften gelegt und das DeutschFranzösische Jugendwerk, das einer ganzen Generation junger Menschen den Aufenthalt im
anderen Lande ermöglicht hat. Darüber hinaus sind Tausende von Partnerschaften entstanden
– zwischen Städten und Kreisen, Musikvereinen und Feuerwehren, Pfadfindern und
Sportvereinen, Kirchengemeinden und Gewerkschaftsgruppen. Jeder, der daran beteiligt war
und ist, brachte und bringt ein Stück Deutschland nach Frankreich und umgekehrt.
Aus diesem intensiven und umfangreichen Austausch ist das erste gemeinsame deutschfranzösische Geschichtsbuch entstanden. Der Gedanke hierfür kam vom deutschfranzösischen Jugendparlament, das anläßlich des 40. Jahrestages des Elysée-Vertrags tagte.
Nachbarländer, die im Streit liegen oder gelegen haben, stellen in ihren Schulbüchern ja
üblicherweise ihre eigene Sicht der Dinge dar und perpetuieren damit Vorurteile und
geschichtliche Mythen. Eine Einigung darauf, was die wirklichen Ursachen eines schwierigen
Nachbarschaftsverhältnisses und früherer Konflikte sind, ist aber eine grundlegende
Voraussetzung dafür, daß die junge Generation die gemeinsame Zukunft vorurteilsfrei
gestaltet. Das geschieht in diesem Buch. Zugleich werden gemeinsame Werte und Ziele
herausgesellt. So werden die Gemeinsamkeiten zwischen Deutschland und Frankreich
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aufgezeigt, aber auch die nationalen Besonderheiten berücksichtigt. Das bedeutet etwa, dass
deutsche Schüler über das Thema des Kolonialismus , das für die französische Geschichte
wichtig ist und französische Schüler über die Teilung und Wiedervereinigung Deutschlands
unterrichtet werden. Natürlich müssen sich Schüler auf beiden Seiten des Rheins auch mit
Karl dem Großen herumschlagen, der für beide Länder große geschichtliche Bedeutung hat.
Das zeigt, wie eng Deutschland und Frankreich historisch miteinander verbunden sind.
Das französisch-deutsche Geschichtsbuch fördert eine gemeinsame Wahrnehmung der
Geschichte und richtet gleichzeitig den Blick auf das zusammenwachsende Europa. Da die
Geschichtsschreibung bekanntlich eine bedeutsame Rolle für die Entwicklung des
Nationalbewusstseins und die Gestaltung nationaler Politik spielt, fördert das gemeinsame
Geschichtsbuch die Völkerverständigung und politische Kooperation zwischen Deutschland
und Frankreich sowie ihre Rolle als die treibende Kraft für die weitere Integration Europas.
Vielleicht gelingt es mit diesem Werk auch, anderen ehemaligen „Erbfeinden“ einen Anstoß
zu geben, ein ähnliches jugendbezogenes Projekt zu verwirklichen.
Die deutsch-französische Freundschaft ist Teil unseres nationalen und unseres europäischen
Selbstverständnisses geworden. Das zeigt sich in unserem Bestreben, gemeinsam der Motor
eines vereinten Europas zu sein. Nicht nur wir selber sehen uns so: Auch unsere Partner
wissen, wie wichtig es ist, daß Deutschland und Frankreich gemeinsam vorangehen, damit das
europäische Einigungswerk gelingt.
Die deutsch-französische Freundschaft ist Vorbild geworden auch für andere Bemühungen,
die Schrecken der Vergangenheit zu überwinden und an die Stelle historisch gewachsenen
Misstrauens gelebte Freundschaft zu setzen. Das gilt für die deutsch-polnische Aussöhnung,
die sich von der deutsch-französischen Erfolgsgeschichte hat inspirieren lassen. Es gibt genug
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Konflikte auf dieser Welt, bei denen man sich eine solche Entwicklung wünschte. Das
deutsch-französische Beispiel zeigt, daß man die Hoffnung nicht aufgeben darf. Gemeinsame
Schulbücher sind ein anspruchsvoller aber auch wichtiger Ansatz für eine Aussöhnung.