Wie und wo alles begann… - Bistum Hildesheim

Wie und wo alles begann…
07.10.2013
Nach einem netten Zwischenstopp in Hongkong bin ich gut und heil im Süden
Chinas bei Guilin angekommen. Auch den Jetlag habe ich nach ein paar Tagen überwinden
und die innere Uhr (wir sind hier Deutschland sechs Stunden voraus) umstellen können.
Mittlerweile „wohne“ ich über dreieinhalb Wochen in einer interessanten hundertjährigen Art
„Villa“, die sich „the Old House“ nennt, wo alle freiwilligen wie auch bezahlten Lehrer auf ihre
Tätigkeit vorbereitet werden. Die
Architektur des Gebäudes ist
interessant und gefällt mir sehr
gut: mitten im „Flur“ gibt es z.B.
keine Überdachung und einen
Teich mit Gold- und anderen
Fischen. Ab und an gibt es
keinen
Strom
und/oder
kein
Wasser. Dafür haben wir eine
wenn
auch
nicht
konstant
vorhandene Internetverbindung.
„The Old House“ von außen
„The Old House“ von innen
Die ersten zwei Wochen hier machten das mittlerweile zweite Vorbereitungsseminar aus.
Während auf dem ersten Seminar in Köln u. a. die Themen kulturelle Unterschiede, Armut,
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Gesundheit, Ängste und Krisenmanagement behandelt wurden, beinhaltete die Schulung
hier Chinesisch- bzw. Mandarinunterricht, Lehr-Training sowie Kulturelles.
Chinesisch ist mit Abstand die schwierigste Sprache, die ich je gelernt habe (wobei man
nach so einer kurzen Zeit natürlich noch nicht von Erlernen sprechen kann): Sobald man z.B.
einen der vier Töne pro Vokal falsch ausspricht, erhält das Wort eine völlig andere
Bedeutung. Aber ich bleibe dran! ☺
Im Lehr-Training wurden wir ins Unterrichten eingewiesen. Dieses fordert aufgrund der
geringen Englischkenntnisse der Schüler und der großen Klassen mit teilweise über 60
Schülern u. a. die Vermittlungskompetenzen (auch mit Händen und Füßen) und die eigene
Kreativität sehr heraus.
Weiterhin
wurde
Flexibilität
wenn
die
geschult,
spontan
Unterrichtseinheiten
vorbereitet
durchgeführt
sollten.
und
werden
Generell
scheint es hier normal
zu sein, dass Dinge
(wie z.B. Treffen mit
Schüler
Bürgermeistern und der Presse) oft spontan angekündigt und/oder gegebene Informationen
spontan geändert werden.
Der kulturelle Programmpunkt behandelte nicht nur Verhaltensempfehlungen im Kontext der
chinesischen Kultur, sondern gibt auch Einführungen ins Kulturgut wie in z.B. die chinesische
Faltkunst (haben Kraniche gefaltet; nach dem zweiten Mal haben es auch meine beiden
linken Hände geschafft…), chinesisches Schach, Kalligraphie, Tai Chi, das chinesische Spiel
Mahjong etc.
In diesem Rahmen haben wir
auch
Volkslied
das
„mo
chinesische
li
hua“
kennengelernt und es sogar
im Kanon gesungen. Ich habe
bis dahin noch nie so einen
Einführung in die chinesische Faltkunst
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schwierigen Text kennengelernt und hielt es erstmal für unmöglich, ihn überhaupt
aussprechen oder gar singen zu können… aber letztendlich hat es irgendwie geklappt.
An den letzten beiden Seminartagen standen Bamboo Rafting (hier wächst sogar vor der
Haustür Bambus ☺) und die Besichtigung zweier Tempel von Konfuzius auf dem Programm.
Vor dem Seminarprogramm schloss ich mich fast täglich anderen Freiwilligen aus Amerika,
China, Korea und Deutschland an, morgendliche Touren durch die das Dorf umgebenden
„Berge“ zu machen. Diese erwecken bei mir, u. a. bedingt durch die hohen Temperaturen
von um die 30 Grad sowie die etwas erhöhte Luftfeuchtigkeit, den Eindruck von Regenwald.
Es handelt sich jedoch eher um Farmland, da die Bauern davon leben, hier die Frucht Kaki
zu ernten.
Einheimische Farmer bei der Ernte von Kaki-Früchten
Zwölf Stunden Zugfahrt von hier (das ist für chinesische Verhältnisse ein Katzensprung)
wurde der berühmte Film „Avatar“ gedreht und wenn ich mir die Umgebung hier vor der
Haustür anschaue, kann ich mir das sehr gut vorstellen! Auf den morgendlichen Touren
erlebt man so schöne Momente wie den Sonnenaufgang, den man beim Verzehr einer
selbstgepflückte Frucht von einem selbst erklommenen Gipfel aus genießt. Im Anschluss
springen wir zur Erfrischung meistens in die Wasserstelle, in die über einen Wasserfall
sauberes Bergwasser zufließt. Sie fungiert hier als eine Art „Dorfpool“ und Waschstation für
die Wäsche.
In diesem Dorf gibt es viele verlassene Häuser und bei unserer begleiteten Tour am ersten
Tag hat man sich gefragt, ob hier überhaupt Menschen leben, es schien wie eine Art nicht
furchterregendes Geisterdorf und stand im Widerspruch zum Bild vom überfüllten China.
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Die Dorfbewohner waren stets freundlich und interessiert. Wir Deutsche scheinen sogar so
interessant, dass wir zu einem Drehfilm eingeladen wurden, wo wir im Hintergrund nur essen
mussten bzw. durften.
Wir wurden sogar einfach auf eine
traditionelle
chinesische
Hochzeit
eingeladen. Dort gab es viel Essen…
Auch
wenn
es
viele
verschiedene
Fleischsorten zu verzehren gab, gab es
darunter keinen Hund.
Interessanter Weise wird in dieser Region
besonders gerne Schwein gegessen.
Oben rechts: Einladung zum Film-Dreh. Hier im Bild: Traditionelle chinesische Hochzeit
Hühnerfüße gelten als Delikatesse und werden im
Supermarkt in verschiedenen Geschmackssorten wie
bei uns Chipssorten angeboten. Allzu spektakuläre
Gerichte habe ich bisher noch nicht ausprobiert (eher
so etwas wie z.B. Fischhautsalatsuppe, Reis im
Bambus gebacken, Glasnudeln im Muschelfleisch).
Hühnerfüße im Supermarkt
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Die Dorfbewohner sind hier auch so nett, dass sie uns morgens oft „Oiltea“ (ein traditioneller
Tee aus Ingwer, Erdnussöl, Knoblauch, Zwiebeln und anderem) vorbeibrachten. Das ist ein
Tee, den man sich nicht als solchen vorstellen darf, eher wie eine Mischung aus Medizin und
Suppe. Ich find ihn eigentlich überhaupt nicht so schlimm und mag ihn sogar, auch wenn das
für Ausländer recht ungewöhnlich sein soll… ^^
Nach dem Vorbereitungsseminar habe ich mit einem anderen Freiwilligen eine Wandertour
in den Nationalfeiertagen unternommen. Auch wenn wir Land und Leute fernab touristischer
Pfade kennenlernen wollten, begann die Wanderung nach einem nicht geplanten eintägigen
Aufenthalt sowie einer Übernachtung im touristischen Ort YangShuo. Insgesamt wurde alles
ganz anders als geplant, aber auch viel besser als es hätte geplant werden können: Durch
eine Aneinanderreihung vieler glücklicher Zufälle kamen wir in den Genuss vieler Kontakte
mit Einheimischen und haben sogar neue Freundschaften geknüpft ☺
Auf der Wanderung
Gestärkt durch die einmaligen und unvergesslichen Erlebnisse der Tour werde ich Mitte
dieser Woche hoffentlich einen guten Start in mein neues Leben haben. Denn dann werde
ich in meine Unterkunft ziehen und meine Arbeitszeiten kennenlernen. Bisher habe ich
mindestens zu zweit unterrichtet, aber nach der ersten Oktoberwoche stehe ich alleine in
meinem Job an einer Grundschule. Ich bin gespannt, wie ich den anstehenden
Herausforderungen gewachsen sein und an ihnen weiter wachsen werde!
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