Harald Schöndorf SJ Der Jesuit Harald Schöndorf setzt sich mit den unterschiedlichen Konzeptionen klassischer und heutiger Theologen auseinander und bietet auf dieser Basis ein eigenes Verstehensmodell an, um dem Heilswerk Gottes plausibel zu begegnen. Im Leiden Jesu bis zum Tod am Kreuz setzt Gott seinen eigenen Sohn den Wirkungen der Sünde voll und ganz aus und lässt ihn deren Zerstörungskraft leibhaft erfahren. Aus dieser tiefsten Entäußerung heraus vermag Gott in seiner Liebe die Sünde von innen her zu vergeben. Dabei kommen Freiheit und Vorsehung, Gerechtigkeit und Vergebung im Akt der alles unterfassenden Liebe Gottes überein. Harald Schöndorf, Mitglied des Jesuitenordens, Professor für Erkenntnislehre und Geschichte der Philosophie des 17. und 18. Jhd. an der Hochschule für Philosophie in München. Warum musste Jesus leiden? Warum musste Jesus leiden? Wie konnte der allgütige und allmächtige Gott dies zulassen und wieso hat er sich ausgerechnet für genau diesen Weg entschieden, uns seine Liebe nahezubringen? Diese Frage stellt nicht nur heute eine Herausforderung für unser Denken und für unseren Glauben dar. Zu allen Zeiten haben sich Theologen am Leiden Jesu und an seinem Tod aufgerieben. Warum musste Jesus leiden? Eine neue Antwort auf eine alte Frage ISBN 978-3-942013215 PNEUMA H arald Schöndorf SJ Warum m usste Jesus leiden? Eine neue A ntwort auf eine alte Frage M it einem Geleitwort von Karl K ardinal Lehm ann Bibliographische Inform ation der D eutschen Nationalbibliothek D ie D eutsche N ationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der D eutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische D aten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. A lle Rechte vorbehalten – A ll rights reserved H ergestellt in der Europäischen U nion – Printed in EU © Pneum a Verlag - M ünchen 2013 ISBN 978-3-942013-21-5 www.pneum a-verlag.de Inhalt Geleitwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Die Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Die biblische Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Biblische Hinweise auf das Leiden . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Die Heilsbedeutung des Todes Jesu . . . . . . . . . . . . . . . 18 Das Leiden-„Müssen“ Jesu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 Das Ungenügen der soteriologischen Theorien . . . . . . 30 Die Satisfaktionstheorie Anselms . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Das Ungenügen der heutigen Auffassungen . . . . . . . . 38 a) Verschiedene zeitgenössische soteriologische Entwürfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 b) Theologische Lexika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 c) Die Theologie in Verlegenheit . . . . . . . . . . . . . . 56 d) Anforderungen an die Soteriologie . . . . . . . . . . 58 Vergebung und Sünde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 Ein Ansatzpunkt: Das Vaterunser . . . . . . . . . . . . . . . 69 Die Sünde und ihre Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Sünde, Gerechtigkeit und Vergebung . . . . . . . . . . . . . . 76 4 Inhalt Voraussetzungen der Vergebung . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Zusammenfassung der Lösung des soteriologischen Problems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 Vereinbarkeit mit den biblischen und theologischen Aussagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 Stellvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Sühne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Opfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 Solidarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 98 Voraussetzungen der Vergebung hig. Er kann folglich von den Wirkungen der Sünde nicht getroffen werden. Und es ist die durchgängige Lehre der Theologie, dass Gott in seiner Gottheit nicht zu leiden vermag. Gott ist also in seiner Gottheit nicht leidensfähig. Dies ist sowohl die Lehre der Bibel und der kirchlichen Tradition, als auch der philosophischen Tradition. Denn wäre Gott leidensfähig, so könnte man ihm einen Schaden zufügen und er wäre nicht mehr der allmächtige Schöpfer und Lenker des Himmels und der Erde. Wenn ich aber von einer Schuld nicht betroffen bin, dann kann ich nur so etwas wie eine Amnestie erlassen, die aber keine echte Vergebung darstellt. Wenn also Gott die Sünden vergeben will – und er will es –, so muss er sich durch die Sünden betreffen lassen. Einerseits kommt allein ihm das Vergeben zu, denn es handelt sich um seinen Willen und um sein Gebot, die verletzt wurden, und darum kann auch nur er dem Menschen die Sünde vergeben. Andererseits ist er nicht von den Wirkungen der Sünde betroffen, und deshalb gestattet es die Gerechtigkeit nicht, dass er die Sünde vergibt. Was Anselm behauptet, trifft zu: dass die Gerechtigkeit das Leiden Jesu verlangt; aber nicht in dem Sinn, in dem Anselm die Gerechtigkeit versteht, sondern in einem völlig davon verschiedenen Sinn. Am einleuchtendsten ist diese Forderung der Gerechtigkeit in Bezug darauf, dass sich niemand an die Stelle dessen setzen kann, der zu leiden hatte, und sagen kann: Ich verzeihe dir das Unrecht, das du einem anderen getan hast. Diese Forderung ist aber nicht etwa die Forderung eines Ausgleichs oder einer Genugtuung, sondern es ist eine Forderung, die sich aus der Natur der Sünde und der Vergebung selbst ergibt. Vereinbarkeit mit den biblischen und theologischen Aussagen Es bleibt noch die Aufgabe zu zeigen, dass die hier vorgelegte Erklärung mit allen biblischen und traditionellen Darlegungen und Erläuterungen des Leidens und Sterbens Jesu vereinbar ist. Denn das Problem anderer soteriologischer Theorien bestand nicht selten (auch) darin, dass sie bestimmte Aspekte der neutestamentlichen oder traditionellen Äußerungen zum Heilswerk Jesu Christi nicht integrieren konnten. Die Themen Sünde, Vergebung und Gerechtigkeit sind bereits ausführlich behandelt worden. Die Beschäftigung mit ihnen hat zu der vorliegenden Theorie geführt. Diese Themen brauchen darum hier nicht nochmals erörtert zu werden. Es muss und soll aber noch gezeigt werden, dass die Passion Jesu auch nach der hier vorgetragenen Auffassung zu Recht als Opfer und Sühne bezeichnet werden kann und dass Jesu Tun und Leiden stellvertretend für uns geschieht. Als erstes sei aber darauf hingewiesen, dass die hier vorgelegte Erklärung das gesamte Heilswerk einzig und allein Gott selbst zuschreibt. Auf diese Weise wird schon jeder Anschein des Pelagianismus vermieden, wie er der Anselmischen Satisfaktionstheorie anhaften könnte. Gott setzt sich den Wirkungen der Sünde aus, um vergeben zu können. Wie Paulus schreibt, tat Gott alles, ja „er hat seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle
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