DMP und AU: Dokumentieren Sie noch richtig?

Zimmerm
Forum Politik
DMP und AU: Dokumentieren
Sie noch richtig?
ZIMMERMANN
RECHNET AB
Zum 1. Januar 2016 ist die Dokumentations-
(Muster 17), da deren Inhalt nun in die AU-
software für das Disease-Management-Pro-
Bescheinigung integriert worden ist (vgl.
gramm (DMP) Diabetes mellitus Typ 2 ange-
Der Hausarzt 12/15).
passt worden. Ärzte müssen
die Injektionsstellen nun nur
noch bei Patienten dokumentieren, die Insulin erhal-
Dr. Gerd W. Zimmermann
ist seit 1979 als niederge­
lassener Allgemeinarzt in
Hofheim/Taunus tätig
und ebenso lange Mitglied
im Deutschen Hausärzte­
verband. Er ist unser
Gebührenordnungsexperte und schreibt
regelmäßig für Sie.
Auf der ab 1. Januar 2016
Patienten erhalten nun
einen Durchschlag der
AU-Bescheinigung.
gültigen AU-Bescheinigung
gibt es nun unten ein zusätzliches Feld „Im Kran-
ten. Bei Patienten mit Dia-
kengeldfall“. Dort kann der
betes Typ 2, die kein Insulin
Arzt zwischen „ab 7. AU-
spritzen, wird das Feld zur
Woche oder sonstiger
Dokumentation der Injektionsstellen künftig
Krankengeldfall“ und „Endbescheinigung“
nicht mehr abgefragt.
wählen. Das erste Kästchen muss ange-
Auch für das DMP „Koronare Herzkrankheit
kreuzt werden, wenn es sich um einen
(KHK)“ gibt es zum 1. Januar 2016 eine
Krankengeldfall handelt. Steht bereits beim
Änderung in der Dokumentationssoftware.
Ausstellen der Bescheinigung fest, dass
Hier wurde für die Einheit „mmol/l“ des Pa-
die Arbeitsunfähigkeit an dem angegebe-
rameters „LDL-Cholesterin“ die Wertangabe
nen Tag endet, muss ein weiteres Kreuz bei
konkretisiert. Künftig muss der Cholesterin-
„Endbescheinigung“ gesetzt werden.
wert in „mmol/l“ nur noch mit einer Nach-
Neu ist außerdem, dass Patienten künftig
kommastelle angegeben werden.
einen Durchschlag der AU-Bescheinigung
In den Praxisverwaltungssystemen (PVS)
erhalten. Dieser weist darauf hin, dass für
sind ab Januar außerdem neue Vordrucke
den Bezug von Krankengeld die Arbeitsun-
hinterlegt. Beachten sollten Ärzte insbeson-
fähigkeit lückenlos nachzuweisen ist. Hinter-
dere die Bescheinigung der Arbeitsunfä-
grund für diesen Hinweis auf der überarbei-
higkeit (Muster 1). Im Gegenzug entfällt die
teten AU-Bescheinigung ist, dass Patienten
Bescheinigung für die Krankengeldzahlung
in der Vergangenheit den Anspruch auf
Krankengeld verloren haben, wenn sie gegenüber ihrer Krankenkasse ihre Arbeitsunfähigkeit nicht lückenlos nachweisen konn-
Mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz vom 23. Juli 2015 wurde die Regelung
zum Anspruch auf Krankengeld und dessen
Fortbestehen aufgrund einer Folgebescheinigung der Arbeitsunfähigkeit geändert
(Paragraf 46 SGB V). Der Anspruch auf
Krankengeld bleibt nun erhalten, wenn
nach dem Ende der ärztlich festgestellten
Arbeitsunfähigkeit deren Fortdauer wegen
derselben Krankheit erst am nächsten
Arbeitstag, der ein Werktag ist, ärztlich
festgestellt wird.
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Der Hausarzt 04/2016
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ten.
Foto: Andrey Popov - Fotolia
ann
Ist die AU-Bescheinigung
zum Beispiel bis Dienstag
ausgestellt, wäre das der folgende Mittwoch. Endet sie
am Freitag, müsste der Patient den Arzt für eine Folgebescheinigung erst wieder am Montag aufsuchen.
Samstage werden nicht als
Werktage gezählt.
Damit eine Arbeitsunfähigkeit auch für den Zeitraum
einer Notfallversorgung bescheinigt werden kann, zum
Beispiel für das Wochenende,
war eine weitere Anpassung
der Richtlinie erforderlich.
Nunmehr darf der Vertragsarzt den Beginn der Arbeitsunfähigkeit drei Tage rückdatieren. Bislang waren es
nur zwei Tage. Diese Maßnahmen sollen Vertragsärzte vor möglichen Schadenersatzansprüchen der
Patienten schützen, wenn
eine zeitnahe Vorstellung,
etwa wegen eines hohen
Patientenaufkommens, nicht
möglich war.
Streng genommen verlagern
diese Maßnahme aber eher
die Bürokratie von den
Krankenkassenbüros in die
Praxen. Denn nun muss die
Praxis feststellen, wann die
Lohnfortzahlungsphase
endet und in die Zahlung
von Krankengeld übergeht.
Bleibt die Frage, inwieweit
Kassen künftig Praxen bei
Fehlern in diesem Bereich
haftbar machen?
Der Hausarzt 04/2016
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rechnet ab
Auflagen für QM verschärft
2015 sind die Stichprobenprüfungen ausgesetzt worden, die in Praxen die Umsetzung der gesetzlich
vorgeschriebenen Qualitätssicherungsmaßnahmen kontrolliert
haben. Künftig gibt es derartige
Prüfungen nur noch alle zwei Jahre, jedoch erstmals bereits 2016
– und unter deutlich verschärften
Auflagen.
Kern der entsprechenden Richtlinie sind die in Teil A aufgeführten Methoden und Instrumente
als praxisbezogene Bestandteile
des Qualitätsmanagements (QM).
Sie sind zwar alle – bis auf „Mitarbeiterbefragungen“ – bereits in
der Qualitätsmanagement-Richtlinie (ÄQM-RL) enthalten. Jetzt ist
dort aber der Einsatz von „Checklisten“ in verschiedenen Anwendungsbereichen wie Notfall- und
Hygienemanagement festgelegt.
Darüber hinaus wurden die Bereiche Arzneimitteltherapiesicherheit,
Schmerzmanagement und die Vermeidung von Stürzen und Sturzfolgen neu aufgenommen.
Mit Inkrafttreten der neuen
QM-RL müssen Vertragsärzte,
Vertragspsychotherapeuten und
Medizinische Versorgungszentren
alle aufgeführten Methoden und
Instrumente umsetzen und
kontinuierlich weiterentwickeln.
Der Gemeinsame Bundesauschuss
(G-BA) wird noch neue Vorgaben
beschließen, wie Umsetzung und
Weiterentwicklung des QM
regelmäßig erhoben und dargelegt
werden. Bis dahin müssen die
Kassenärztlichen Vereinigungen
(KV) mindestens 2,5 Prozent
zufällig ausgewählte Vertragsärzte
auffordern, die vorgeschriebenen
Auflagen schriftlich darzulegen. In
der Übergangszeit berichten sie
ebenfalls zweijährlich an den G-BA,
die Daten für das Jahr 2016 werden
bis zum 30. April 2017 gemeldet.
Die QM-Kommissionen in den
einzelnen KVen sollen weiter die
Darlegung bewerten und die Vertragsärzte, wenn nötig, beraten.
Sanktionen sind bisher nicht vorgesehen. Derzeit prüft das Bundesgesundheitsministerium noch
den Beschluss zur QM-RL (Stand:
11.2.16). Wird er nicht beanstandet,
tritt er am Tag nach der Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.
Beschluss des G-BA zur QM-RL
online: http://bit.ly/20FeTtf
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Erstmal kein Budgetdeckel bei
Leistungen für Asylbewerber
Vertragsärztliche Vertragsbestimmun-
Vergütung von Leistungen, sofern die-
gen zwischen Kassenärztlichen Verei-
se niedergelassene Ärzte erbringen.
nigungen (KV) und Kostenträgern kön-
Dann seien die Leistungen nach den
nen nur hinsichtlich der Vergütung auf
am Ort der Niederlassung geltenden
Leistungen nach Paragraf 4 Asylbewer-
Verträgen (nach Paragraf 72 Abs. 2
berleistungsgesetz (AsylbLG) ange-
SGB V) zu honorieren. Hingegen folge
wendet werden. Das hat das Sozialge-
aus der Vorschrift nicht, dass anderwei-
richt Düsseldorf (SG) deutlich gemacht
tige Regelungen Anwendung finden,
(Az.: S 2 KA 445/13, 11.11.2015). Para-
die sich aus den für die vertragsärztli-
graf 4 AsylbLG regelt, dass die Ver-
che Versorgung geltenden Verträgen
gütung des Arztes sich nach den an
ergeben.
seinem Niederlassungsort geltenden
Gesamtverträgen (im Sinne des Paragrafen 72 Abs. 2 SGB V) richtet. Er enthalte aber keinen Rechtssatz, der die
pauschale Geltung vertragsärztlicher
Vertragsbestimmungen im Rechtsverkehr zwischen KV und sonstigen Kostenträgern festlege.
Den Richtern zufolge bezieht sich die
Regelung von Paragraf 4 Abs. 3 S. 2
und 3 AsylbLG also lediglich auf die
Dieses Urteil könnte für die
Vergütung ärztlicher Leistungen bei
Asylbewerbern richtungsweisend sein,
sollten es nachfolgende Instanzen
bestätigen. Spätestens wenn Asylbewerber in allen Kommunen Versichertenkarten erhalten würden und die
Abrechnung somit über die gesetzlichen Krankenkassen erfolgt, wird
vermutlich versucht, auch bei diesen
Viele niedergelassene
Ärzte versorgen Asylbewerber auch in ihren
Praxen.
Leistungen die Budgetregelungen wie
bei „normalen“ Kassenpatienten
anzuwenden. Das ist – nach diesem
Urteil und wenn der Gesetzgeber das
AsylbLG nicht ändert – nicht möglich.
Leistungen für Asylbewerber müssen
demnach – ähnlich wie dies auch bei
„Sozialamtspatienten“ der Fall ist –
extrabudgetär vergütet werden.
Unter einer „Jungpraxis“ ist
nur eine Erstzulassung oder
eine Neuzulassung in einem
anderen Planungsbereich zu
verstehen, hat das Landessozialgericht Bayern (LSG) klargestellt (Az.:
L 12 KA 64/14, 8.7.2015). Geklagt hat eine
Vertragsärztin, die sich eigenständig niedergelassen hat, nachdem sich ihre Gemeinschaftspraxis mit teilweise unterschiedlichen
Partnern aufgelöst hatte. Sie forderte im Hinblick auf die Bemessung ihres Regelleistungsvolumens (RLV), dass die Regelungen für
Anfängerpraxen herangezogen werden.
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Nach Auffassung der Richter besteht im konkreten
Fall, damit aber auch grundsätzlich, kein Anspruch auf
Zuweisung eines gesonderten RLV. Während das Bundessozialgericht (AZ: B 6 KA 44/12 R, 17.7.2013) die Frage der
Auflösung einer Berufsausübungsgemeinschaft noch
offen gelassen hatte, geht das LSG nunmehr davon aus,
dass die Anfängerreglung nicht auf das Ausscheiden aus
einer Berufsausübungsgemeinschaft erweitert werden
kann. Andernfalls ergäbe sich nach Auffassung des LSG
nämlich eine optimale Möglichkeit, durch zivilrechtliche
Vertragsgestaltung die Anwendbarkeit der RLV-Fallzahlbegrenzungen zu unterlaufen. Auch eine besondere Härte
vermochte das LSG Bayern im konkreten Fall nicht zu
erkennen.
Der Hausarzt 04/2016
Fotos: picture alliance / dpa, Neyro - Fotolia
Nur eine neue Praxis ist eine „junge Praxis“