Herzstück auf Vordermann bringen

GDL
DB-Bilanz
Herzstück auf Vordermann bringen
ten zum Stillstand eines perfekt funktionierenden Systems
führen. Die großzügigen
Pünktlichkeitsboni passen in
keinem Fall zum Verlust von
1,3 Milliarden Euro, den der
Konzern 2015 eingefahren hat
– ein Minus von fast 17 Prozent, denn dieser kommt nicht
zufällig und schon gar nicht
von den vielen Eisenbahnern,
die jeden Tag versuchen, das
Rad am Rollen zu halten.
Woher kommt der Absturz?
Berndt Skott
Leitartikel
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Die Deutsche Bahn hat 2015
tiefrote Zahlen geschrieben.
Und wem gibt sie die Schuld?
Richtig. Den anderen: dem
Wetter, der Weltwirtschaft,
den billigen Spritpreisen und
natürlich der GDL. 310 Millionen Euro habe laut DB der
Streik allein 2015 gekostet.
Hätte sich das DB-Management gegenüber den berechtigten Forderungen der eigenen Lokomotivführer und
Zugbegleiter nicht verweigert,
wären Streiks überhaupt nicht
nötig gewesen. Die Tarifergebnisse des Sommers 2015 hätten schon im Herbst zuvor auf
ganz normalem Verhandlungsweg erreicht werden
können. Die Entscheidung,
dass gestreikt werden musste,
traf das DB-Management. Das
Zugpersonal der DB brauchte
dringend Belastungssenkung
und das wurde erreicht. Gelernt hat DB-Chef Rüdiger
> GDL Magazin VORAUS | April 2016
Grube daraus nichts. Im Gegenteil: Er treibt gerade wieder eine neue Sau durchs Dorf:
Mit noch mehr Flexibilisierung
sollen Lokomotivführer und
Zugbegleiter die DB auf Vordermann bringen – und das
beim Zugpersonal, das Mitte
Dezember oft nicht weiß, ob
es an Weihnachten arbeiten
muss, dass drei Wochenenden
hintereinander Züge führt und
die zu erreichende Jahresarbeitszeitgrenze oftmals schon
im Oktober überschritten hat.
Dem Arbeitgeber wäre es am
liebsten, wenn die Kollegen
gleich mit geladenem und
empfangsbereitem Diensthandy ins Bett gehen, damit
sie Tag und Nacht erreichbar
sind. Und ohne den „Umweg“
über die Meldestelle geht es
natürlich auch schneller zum
Zug. Die Arbeitsmittel können
schließlich auch in der Freizeit
aufgerüstet werden. Doch da
hat die DB die Rechnung ohne
die GDL gemacht.
Hauptsache, der Vorstand
erhält Boni
Den Gürtel bei sich selbst
schnallt der DB-Vorstand nämlich nicht enger. Zwar hängen
seine Boni jetzt löblicherweise
auch von der Pünktlichkeit ab.
Die Regelungen sind jedoch so
gestrickt, dass seine Taschen
gut gefüllt werden können.
Den maximalen Bonus von
130 Prozent gibt es schon bei
83 Prozent Pünktlichkeit im
Fern- und bei 76 Prozent im
Güterverkehr. 100 Prozent erhält der Vorstand schon, wenn
Fernzüge zu 80 und Güterzüge
zu 74 Prozent planmäßig ankommen. Die Toleranz beträgt
bei Personenzügen 5,59 Minuten und im Güterverkehr sogar
15 Minuten. In der Schweiz
würden solche Großzügigkei-
Zunächst muss man vorausschicken: Dieser Absturz resultiert nicht aus dem Kerngeschäft der DB, sondern aus
gezielten Sonderabschreibungen im Güterverkehr und Ex­
traaufwendungen für den Konzernumbau. Experten sagen,
das hätte man schon früher
tun sollen.
Grundproblem ist aber das
mangelnde Wissen um das
komplexe Eisenbahnsystem.
An der Konzernspitze fehlen
schlicht die „Eisenbahner“. Der
Verkehr nimmt rapide zu und
die DB profitiert nicht.
Schuld trägt auch die Politik
mit ihrer völlig falschen Besteuerung der Bahn, wie Ökosteuer für das umweltfreundlichste Verkehrsmittel und
volle Mineralölsteuer gegenüber null Kerosinsteuer. Die
Verkehrsverlagerung auf die
Schiene wird meist nur in
Sonntagsreden gelebt.
Herzstück vernachlässigt
Das Hauptproblem der DB ist
aber die Vernachlässigung der
Infrastruktur. Das Eisenbahnsystem hat sich in der Vergangenheit durch Sicherheit, Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit
ausgezeichnet, unabhängig
von der Jahreszeit. Davon ist
zurzeit nicht mehr viel zu se-
Wikipedia/Sebastian Terfloth
GDL
Schnellfahrstrecken, wie Nürnberg – Ingolstadt, kosten viel Geld, das in der Fläche fehlt.
er Lesart nun 215 nicht mehr
zu bedienende Güterverkehrsstellen sind, faktisch bedeutet
das die Schließung.
Die Streiks der GDL hätten die Bilanz der DB mit 310 Millionen Euro verhagelt.
Hätte sich das DB-Management gegenüber den berechtigten Forderungen der
eigenen Lokomotivführer und Zugbegleiter nicht verweigert, wären Streiks
überhaupt nicht nötig gewesen.
des Gewinns verdient die DB
mit ihrer angeblichen Problemzone, dem inländischen Eisenbahnverkehr.
„Zukunft Bahn“ soll‘s richten
Transdev Regio Ost
Vier von fünf
Vier von fünf Mandaten
haben die Mitglieder der
GDL bei den Betriebsratswahlen im Unternehmen
Transdev Regio Ost am 24.
März 2016 erzielt. Die GDL
gratuliert den Kollegen zu
diesem hervorragenden
Ergebnis. Die GDL wird ihre
Betriebsräte bei der Arbeit,
zum Beispiel der Umsetzung der Tarifverträge, in-
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Leitartikel
Hinzu kommt: Der Umsatz von
Güterbahn, Personennah- und
Fernverkehr ist im Verhältnis
zum Konzernumsatz kontinuierlich geschrumpft. Seit seinem Amtsantritt 2009 verfährt
DB-Chef nach dem Motto seines Vorgängers Hartmut Mehdorn: Er kauft mit viel Geld
bahnfremde Logistik. Mit Bussen, Lkw, Schiffen und Flugzeugen auf der ganzen Welt macht
die DB zwar viel Umsatz, im
vergangenen Geschäftsjahr sogar erneut mehr als mit dem
inländischen Schienenverkehr.
Aber sie erzielt nur ein Viertel
ihres Gewinns mit der globalen
Logistik und Arriva. Drei Viertel
GDL
hen. Die Reisenden witzeln,
dass die Bahn vier Feinde habe:
Frühling, Sommer, Herbst und
Winter. Mal sind es kaputte Klimaanlagen, die mit der Hitze
nicht fertigwerden, dann der
Schnee, das Laub, der Wind
oder was auch immer. Das
Brot-und-Butter-Geschäft wird
vernachlässigt. Vielmehr wird
auf milliardenschwere Pres­
tige­objekte gesetzt, wie die
Schnellfahrstrecke Nürnberg
– Erfurt. Und das Geld fehlt
dann in der Fläche. So werden
seit Jahrzehnten Ausweichgleise und Rangierbahnhöfe stillgelegt. Und die Schrumpfkur
geht munter weiter: Knapp ein
Drittel der bundesweit 1 500
Güterverkehrsstellen sollte
künftig nicht mehr angefahren
werden, wie es im Bahnjargon
heißt. Auch wenn es nach neu-
tensiv unterstützen. Einmal
mehr haben die Lokomotivführer und Zugbegleiter
auch mit diesem Wahlergebnis deutlich gemacht,
dass sie eine starke, unbestechliche, aber vor allem
erfolgreiche Interessen­ver­
tretung für das Zugpersonal wünschen.
N. Q.
Wie soll es nun weitergehen?
Die DB hat für das laufende
Jahr einen Gewinn von 500
Millionen Euro geplant. Erreicht werden soll das mit dem
Programm „Zukunft Bahn“. Die
Berater von McKinsey haben
dafür sicher viel Geld bekommen. Mit der „größten Kundenoffensive“ sollen die Züge
pünktlicher und attraktiver
werden, etwa mit einer besseren Steuerung des Zugverkehrs, früherer Fehlererkennung bei Störungen im Netz
und mobilen Reparatur- und
Servicetrupps.
Die Diagnose ist richtig: Die
Bahnkunden wollen sicher,
­zuverlässig und pünktlich von
A nach B kommen. Und die
Therapie? Ein Behandeln der
Symp­tome reicht nicht aus.
Die Schieneninfrastruktur muss
deutschlandweit ertüchtigt
und der Verkehr darauf mit
Weitsicht ausgebaut werden.
Nur mit einem zuverlässigen,
gut vertakteten, engmaschigen
Fahrplan hat die Schiene wirklich Zukunft, ansonsten werden nur die Straßen voller und
die Schienen leerer. Dazu die
richtigen Weichen zu stellen,
ist die DB, aber auch die Politik
aufgefordert.
G. S.
> GDL Magazin VORAUS | April 2016