ZInsO-Aufsätze

ZInsO 8/2016
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ZInsO-Aufsätze
Unternehmenssanierung zwischen Ökonomie und Recht – Teil 1
Unternehmerisches Wagnis und Verantwortung Insolvenzbeteiligter, richterliche Haftungsrisiken
von Rechtsanwalt Dr. iur. Friedrich L. Cranshaw*, Mannheim/Mutterstadt und Rechtsanwalt Ulf Knöpnadel**, München
Was haben das kürzliche Editorial „Ein Gesetz der Wirtschaft: Insolvenz gehört saniert“ von Garber1 in dieser Zeitschrift
und der Beitrag von Siemon,2 der im selben Heft auf einen Beitrag von von der Meden3 in der Zeitschrift ForderungsPraktiker (FP) antwortet, miteinander zu tun? Auf den ersten Blick scheinbar nichts. Und doch haben sie bei genauer Betrachtung mehr als nur einen gemeinsamen Kern. Beide Beiträge stehen nämlich im Spannungsbogen der unternehmerischen Initiative und Verantwortung sowie deren Tragweite in der existenzbedrohenden Krise eines Unternehmens.4 Zugleich
steht aber im Hintergrund die von Siemon wie von Garber angesprochene Thematik des Weges zu einer Sanierungskultur,
aber auch diejenige der Folgen einer solchen Entwicklung, also das Ergebnis des Erreichens von Sanierungskultur, das
selten klar diskutiert wird. Von der Meden hat ein anderes Teilthema in diesem Prozess aufgegriffen, nämlich die (bislang
verbreitete)5 Absicherung des Insolvenzrichters als eines ungemein wichtigen Protagonisten im Insolvenz- und Sanierungsgeschehen gegen haftungsträchtige Fehler seiner Amtsführung durch Einschluss in die Versicherung des Insolvenzverwalters und das ggf. werbliche Hervortreten mancher Verwalter mit dieser Option. Die Meinung, die von der Meden dazu unter
dem Blick strafrechtlicher Risiken von Richtern6 vertritt, hat ihre umgehende Erwiderung durch Siemon gefunden, zugleich
aber offenbar für erhebliche Unruhe gesorgt bzw. für Warnungen vor dem bisherigen Prozedere. Der Beitrag hat Bewegung
in die Frage dieser sog. „Mitversicherung“ gebracht7 – es werden daher in dem zweiten Teil der vorliegenden Darstellung
(Abschn. IV.) der haftungsrechtliche Hintergrund und die Tragweite der Richter(mit)versicherung dargestellt.
I.Problemaufriss
1. Sanierung, Sanierungskultur und Institutionenkritik
Die beiden zitierten wohl für die bestehenden Strömungen
paradigmatischen Meinungsbilder zu Sanierung und Sanierungskultur werden bereits in den Titeln der Beiträge von
Garber und Siemon8 als Protagonisten des Diskussionsstands zur Sanierungsthematik manifestiert. Der Beitrag von
Garber legt einen ganz wesentlichen Aspekt offen, der sehr
*
Dr. iur. Friedrich L. Cranshaw ist Rechtsanwalt und vormals Banksyndikus/Direktor, Mannheim/Mutterstadt.
**Rechtsanwalt Ulf Knöpnadel ist als Syndikusanwalt bei Markel International Insurance Company Ltd., Niederlassung für Deutschland, München,
tätig.
1 Garber, ZInsO 2015, 1937 f.
2 Siemon, ZInsO 2015, 1968, 1970.
3 Von der Meden, ForderungsPraktiker (FP) 2015, 164 f.; zur Antwort auf
Siemon s. Römermann/von der Meden, ZInsO 2015, 2267 f.
4 Von der Sanierung der betriebswirtschaftlichen Einheit „Unternehmen“ ist
diejenige der Sanierung seines Rechtsträgers zu unterscheiden. Beides ist
nicht gleichbedeutend. So wird der Unternehmensträger bei der verbreiteten „übertragenden Sanierung“ liquidiert. Dass es Fälle gibt, in denen der
insolvente Unternehmensträger nahezu alternativlos im allseitigen Interesse saniert werden muss, soweit irgend möglich, haben Bitter/Laspeyres,
ZIP 2010, 1157 ff. nachgewiesen, wenn z.B. unübertragbare Befugnisse,
Genehmigungen, Urheberrechte und ähnliche „höchstpersönliche“ Berechtigungen nur dem konkreten insolventen Rechtsträger zustehen. Ein
anderes Beispiel sind die Unternehmen, die aus übergeordneten Gründen
ihrer Systemrelevanz „too big to fail“ sind und daher fortexistieren müssen. Das klassische Beispiel liefert die Bankenkrise nebst europäischer
Bankenunion und als neuestes inländisches Regelwerk das SAG, das Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (Art. 1 des BRRD-Umsetzungsgesetzes
v. 10.12.2014, BGBl. I 2014, S. 2091 ff.). Es handelt sich dabei um das
Paradigma eines Schuldenbereinigungsgesetzes außerhalb der Insolvenz,
viel mit „Sanierungskultur“ zu tun hat, nämlich die trotz
aller gesetzgeberischen Maßnahmen bei den insolvenzreifen Unternehmen – genauer: den natürlichen Personen, die
deren Unternehmensträger oder Organe sind – offenkundig
bestehende Scheu, rechtzeitig den Gang zu den Insolvenzgerichten zu wagen. Der eine von Garber kritisierte Umstand der fehlenden flächendeckenden Konzentration der
Insolvenzgerichte auf wenige mit hohem Spezialisierungsgrad ist weitgehend richtig. Man darf daran erinnern, dass
dieses Anliegen des Bundes bei der Schaffung des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unter-
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bei dem aus systemischen Gründen Gläubigerinteressen hintangestellt
werden. Die aus diesem Nukleus denkbare Weiterentwicklung könnte auf
supranationaler Ebene der Union oder mit deren Billigung in zwei Richtungen weitergehen: Einmal mag eine Entwicklung von zwingenden nichtinsolvenzlichen Verfahren für systemische Großunternehmen angedacht
werden können. Hierfür gibt es ein in diese Richtung gehendes Beispiel im
italienischen Insolvenzrecht nach der „Legge Marzano“ (Gesetz 39/2004,
GU n. 42 v. 20.2.2004) mit der Schaffung der amminstrazione straordinaria speciale „per la ristrutturazione industriale di grandi imprese in stato
di insolvenza“. Die zweite Linie ist ein nichtinsolvenzliches Sanierungsverfahren, welches als Ziel ein Verfahren mit dem Risiko der Liquidation
(„Insolvenzverfahren“ im engeren Sinne) auf extreme Ausnahmefälle beschränken würde.
Zum Umfang dieser Mitversicherung gibt es, soweit ersichtlich, keinen statistisch verwertbaren Angaben.
Er meint, hier sei § 332 StGB einschlägig und es bestünden strafrechtliche
Risiken für die Beteiligten.
Römermann/von der Meden, ZInsO 2015, 2267 f. stellen dar, dass ein
Insolvenzverwalter – und ein Richterverband sowie das BMJV und eine
Landesjustizverwaltung – warnen. Es kann letzten Endes, unabhängig von
irgendwelchen strafrechtlichen Erwägungen aber keine Frage sein, dass
rechtliche Strukturen, die staatliche Aufsichtsorgane mit dem zu Beaufsichtigenden in eine gemeinsame Versicherung einbinden, nicht infrage kommen, da gerade das Richteramt es erfordert, auch nur den „bösen Schein“
zu vermeiden.
Garber, ZInsO 2015, 1937 f.; Siemon, ZInsO 2015, 1968, 1970.
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nehmen (ESUG) im Jahr 2012 an der Ablehnung durch die
Länder gescheitert ist;9 allerdings irrt der Beitrag, wenn er
behauptet, jedes AG sei auch Insolvenzgericht. Einige Länder haben hier durchaus Bündelungen von Zuständigkeiten
und damit von Kompetenzen herbeigeführt, d.h., sie haben
von der durch die derzeitige Fassung des § 2 Abs. 2 InsO
„eigentlich“ möglichen Dezentralisierung (= mehrere Insolvenzgerichte in einem LG-Bezirk) keinen Gebrauch gemacht.10 In diesem Kontext darf auch darauf hingewiesen
werden, dass das ESUG in Art. 4 das GVG in § 22 Abs. 6
GVG ergänzt und den Insolvenzrichtern Kenntnisse auf
einer Reihe von Rechtsgebieten abfordert, die im Kern des
Sanierungsgeschehens liegen und insoweit nicht zwingend
zu den „Standardkenntnissen“ jeden Richters gehören müssen.11 In ähnlicher Weise hat das ESUG das RPflG in § 18
Abs. 4 novelliert.12 Die Frage von Garber, warum man nicht
die Insolvenzanmeldung durch die IHK durchführen lassen
könne (zweifellos vor dem Hintergrund der dort vorhandenen reichen ökonomischen Kompetenzen), ist sicher auf den
ersten Blick scheinbar verlockend.
2. Industrie- und Handelskammern als
Institutionen eines Insolvenzverfahrens
Die IHK hat vielfältige Aufgaben im „Gesamtinteresse der
[…] zugehörigen Gewerbetreibenden“.13 Würde man ihr
die Durchführung von „Insolvenzverfahren“ anvertrauen,
so müsste aus den nachfolgend umrissenen Gründen freilich eine justizförmige persönlich und sachlich unabhängige
Stelle geschaffen werden, die sich im praktischen Ergebnis
von einem Gericht nicht unterscheiden dürfte. Diese Vorgehensweise ist jedoch weder rechtsstaatlich noch organisatorisch geboten, wenn man nicht das herkömmliche Insolvenzverfahren aufheben und die Schuldenbereinigung im
Interesse der zweiten Chance allein den Selbstheilungskräften der Wirtschaft anvertrauen wollte.14 Dafür gibt es zwei
Möglichkeiten mit freilich beschränkter Wirkung. Die eine,
bereits seit Langem bestehende und durchaus in der Praxis
erfolgreiche, wenn auch mit Rechtsrisiken behaftete Option, ist die in Deutschland sehr verbreitete „außergerichtliche“ Sanierung, die meist unter unmittelbarer Begleitung
des Sanierungsgeschehens allein durch die Finanzgläubiger in ökonomisch aussichtsreichen Fällen die Sanierung
fördert.15 Die zweite Option wäre ein Sanierungsverfahren
außerhalb eines Insolvenzverfahrens – ohne Publizität und
ohne Zwangseingriffe.16 Ob solche Verfahren dem Mangel
einer Sanierungskultur abzuhelfen vermögen, darf mit Wimmer unverändert kritisch betrachtet werden. Der Umstand
der Existenz solcher Verfahren in anderen Mitgliedstaaten
ist Anlass, solche Modelle zu analysieren und auf ihre Eignung für die inländische Rechtsordnung zu untersuchen,
aber nicht schon für sich betrachtet ein Grund, ein solches
Verfahren einzuführen.17 Dabei darf bei der Einbeziehung
der Rechtsordnungen anderer Mitgliedstaaten der Union in
dergleichen Überlegungen nicht übersehen werden, dass die
EU-Staaten jeweils z.T. ganz verschiedene Insolvenzverfahren verfolgen und Einheitsverfahren wie nach der deutschen
InsO nicht die Regel sein müssen.
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3. Postulat der „zweiten Chance“
Man darf bei dem berechtigten Postulat der zweiten Chance
aber auch andere Gesichtspunkte nicht verkennen.
a)Ökonomie
Der eine Aspekt ist allein ökonomischer Natur: In der Marktwirtschaft, auch in ihrer Ausprägung als soziale Marktwirtschaft, wird es im Allgemeinen keine zweite Chance für
ein Unternehmen geben, dessen Geschäftsmodell ungeeignet ist. Zwar kann es selbst in der Krise sein gesamtes
Geschäftsmodell überprüfen und grundlegend ändern, um
profitabel zu werden. Nur werden die Gläubiger prüfen,
ob die Sanierung oder die Liquidation für ihre „recovery
rate“ jeweils vorteilhafter ist. Das Insolvenzrecht ist eben
auch ein Instrument für den geordneten Marktaustritt eines
Unternehmens;18 das galt zum Zeitpunkt der Konzipierung
der InsO ebenso wie heute. Nur in Extremfällen ist aber
nach den heutigen Erkenntnissen die Liquidation des Unternehmens der unvermeidbare Weg. Meist sind die diversen
Gestaltungsmöglichkeiten der Sanierung für alle Beteiligten deutlich günstiger einschließlich der Sanierungsfusion
mit einem das Krisenunternehmen aufnehmenden Rechtsträger19 und der übertragenden Sanierung mit der Veräußerung der wesentlichen und der sanierungsfähigen oder gar
„gesunden“ Teile des Geschäftsbetriebs. Die beiden letzteren Varianten führen freilich zur Beendigung des bisherigen
Unternehmensträgers und zum völligen Verlust der Beteiligung der bisherigen Eigner. Die Interessen der Gläubiger,
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Der RegE des ESUG betont dieses Anliegen mehrfach, vgl. BT-Drucks.
17/5712 v. 4.5.2011, S. 2, 17, 19 (u.a. zum Erfordernis der Begleitung der
Sanierung durch ein „durch wiederholte Behandlung erfahrenes Gericht“);
die dazu vorgeschlagene Änderung des § 2 Abs. 2 Satz 1 InsO ist nicht
Gesetz geworden, vgl. BT-Drucks. 17/7511 v. 26.10.2011, S. 8, 45. Der
Wegfall der Änderung wird mit dem Subsidiaritätsprinzip begründet, das
den Ländern danach alle notwendigen Optionen eröffnet.
Zu den Insolvenzgerichten s. die Darstellung bei Cranshaw, in: Cranshaw/
Paulus/Michel, Bankenkommentar zum Insolvenzrecht, 2. Aufl. 2012, § 2
InsO Rn. 12 – 33.
Handels- und Gesellschaftsrecht, „Grundkenntnisse“ des für das Verfahren einschlägigen Arbeitsrechts, Sozialrechts, Steuerrechts und des Rechnungswesens. Das Gerichtspräsidium darf einem Richter, dessen Kenntnisse insoweit nicht „belegt“ sind, Aufgaben als Insolvenzrichter nur
zuweisen, wenn „der Erwerb der Kenntnisse alsbald zu erwarten ist“.
S. zu den Änderungen von GVG und RPflG Art. 4 und Art. 5 Nr. 2c ESUG,
BT-Drucks. 17/5712, S. 14, 43 f.
S. diesen Teilausschnitt aus den Aufgaben der IHK in § 1 Abs. 1 IHKG, Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der IHK v. 18.12.1956, BGBl. III
701-1, bis zur Änderung durch die VO v. 31.8.2015, BGBl. I 2015, S. 1474.
So aber Garber, ZInsO 2015, 1937 f.
Dabei wird nicht übersehen, dass andere Beteiligte, wie etwa die Arbeitnehmer, durch Sanierungsabreden oder durch Betriebsänderungen i.S.d.
§§ 111 ff. BetrVG mit Personalreduzierung ebenfalls einen Sanierungsbeitrag leisten, wenn auch nicht im Rahmen der Abreden mit den Finanzgläubigern, deren Beiträge in den üblichen „Haircuts“, ggf. in Kreditausweitungen usw., bestehen.
Dazu skeptisch Wimmer, jurisPR-InsR 5/2011, Anm. 1.
Dazu zu Recht Wimmer, jurisPR-InsR 5/2011, Anm. 1, Abschn. II 6.
Vgl. den RegE der InsO, BT-Drucks. 12/2443 v. 15.4.1992, S. 76.
S. OLG Brandenburg, Beschl. v. 27.1.2015 – 7 W 118/14, ZInsO 2015,
2194 ff.; dazu Cranshaw, jurisPR-InsR 14/2015, Anm. 2.
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von denen das „Wohl und Wehe“ des Krisenunternehmens
abhängt, wenn kein Gesellschafter sich engagiert und externe Investoren wie stets Gläubigerbeteiligungen fordern, sind
zudem nicht gleichgerichtet, sondern völlig unterschiedlich.
Der Abnehmer der Leistungen des Krisenunternehmens, der
darauf angewiesen ist, der Arbeitnehmer, dem es vorrangig
um den Arbeitsplatz geht, der Fiskus, der seine Steueransprüche realisieren muss und die Bank, die vielleicht teilweise besichert ist, haben völlig unterschiedliche Ansätze
und Interessenlagen.
b) Rechtsstaatliche Steuerung der Sanierungsabläufe
Der zweite Gesichtspunkt ist rechtlich determiniert. Die
Sanierung bedarf praktisch stets des Eingriffs in die Rechte der Gläubiger, die ihrerseits verfassungsrechtlich durch
Art. 14 GG geschützt sind. Ein solcher Eingriff in Rechte
bedarf – wiederum verfassungsrechtlich – der justizförmigen Behandlung, also der staatlichen Steuerung nach Maßgabe dessen, was der Rechtsstaat fordert – und zwar nach
Art. 20 GG ebenso wie nach europäischem Recht.
c) Unionsrechtlicher Einschlag
Es darf daran erinnert werden, dass die novellierte EuInsVO20
für „cross border“-Verfahren voraussetzt, dass ein unter die
Verordnung zu subsumierendes „Gesamtverfahren“ per definitionem der Rettung, Schuldenanpassung, Reorganisation
oder Liquidation dient, unter der Aufsicht eines Gerichts
nach der Begrifflichkeit der Mitgliedstaaten stattfindet und
der Beteiligung aller oder mindestens eines wesentlichen
Teils der Gläubiger bedarf, wobei die Forderungen der nicht
beteiligten Gläubiger unberührt bleiben. „Gericht“ ist dabei
ein Justizorgan oder eine sonstige staatliche Stelle, die in
einem Insolvenzverfahren Entscheidungen treffen darf.21 Da
die Union für sich beansprucht, einen Raum der Freiheit,
der Sicherheit und des Rechts darzustellen, kann es nicht
anders sein, als dass ein solches Verfahren justizförmig ist,
also mit anderen Worten schon deswegen „stark verrechtlicht“ ist.22 Es ist dabei organisatorisch bei abstrakter Betrachtung völlig gleichgültig, wie die mit der Bearbeitung
bzw. Verfahrensabwicklung beauftragte staatliche Stelle
bezeichnet wird und wie sie eingebunden ist, wenn nur justizförmige Verfahrensweisen beibehalten werden und man
sich des Charakters des hoheitlichen Grundrechtseingriffs
bewusst wird, der nötig ist, um dissentierende Gläubiger
einzubinden. Ein allein ökonomisch am Interesse des Krisenunternehmens ausgerichtetes und getriebenes Verfahren
würde dem Interesse der Gläubiger widersprechen.
d) Gesellschafter und Insolvenz
Eine bedeutende Hürde für Organe und Unternehmenseigner, die Sanierung auf einem verfahrensrechtlichen Wege
ins Auge zu fassen, ist sicherlich der Grundsatz des § 199
InsO, wonach eben der Unternehmenseigner bei der Regelinsolvenz auf den „Liquidationsüberrest“ verwiesen ist; in
der Praxis geht die Beteiligung verloren. Diese Problema-
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tik ließe sich nur dadurch ändern, indem man die Krise und
die damit einhergehenden Risiko- und Verlustszenarien als
einheitlichen Desinvestitionsprozess begreift und Gläubiger
und Eigner gleich behandelt. Das ESUG lässt aber durch
§ 225a InsO im Interesse der Unternehmenssanierung
(oder der Rechtsträgersanierung) Gläubigereingriffe in die
Rechtspositionen der Eigner zu, verschlechtert also deren
Lage und macht ggf. die Stellung des Insolvenzantrags trotz
der Stärkung der Eigenverwaltung durch die §§ 270a, 270b
InsO insoweit wieder etwas unattraktiver, weil die Gesellschafter auf das Ergebnis des Planverfahrens keinen wirklichen Einfluss (mehr) haben. Die Ausrichtung des Insolvenzverfahrens an einem einheitlichen Desinvestitionsprozess
mit einer pari passu-Betrachtung der Beteiligung von Gläubigern und Gesellschaftern an den Verlusten wäre indes als
generelles Prinzip abzulehnen. Ein solches würde tragenden
Grundsätzen der inländischen Zivilrechtsordnung, insbesondere Gesellschafts- und Handelsrecht, diametral zuwiderlaufen, wobei auf die Fülle der dabei auftretenden Fragen
hier nicht weiter einzugehen ist. Im Fokus steht – verkürzt –
der Unterschied zwischen Eigen- und Fremdkapital. Richtig
ist allerdings, dass das Insolvenz- bzw. das Sanierungsgeschehen einen ökonomischen Prozess im rechtlichen Gewand darstellt, aus dem Blick der Beteiligten eben einen
Desinvestitionsprozess mit unterschiedlichen Wirkungen
bei den verschiedenen Investorengruppen in Fremd- und
Eigenkapital.23
4. Position des Insolvenzgerichts
Das Gericht steht im heutigen Insolvenzverfahren in ambivalenter Weise im Kern als „Entscheider“, aber andererseits
doch eher am Rand wie ein Betrachter, der zum ökonomischen Geschehen systematisch wenig oder nichts beitragen
kann. Das Gericht bestimmt als Folge der Gläubigerautonomie (= Ausprägung der Privatautonomie) auch nur am Rande über das Verfahrensschicksal.24 Die Gläubigerautonomie
kennzeichnet den grundlegenden Ansatz der InsO: Frei-
20 Verordnung (EU) Nr. 2015/848 v. 20.5.2015 über Insolvenzverfahren, ABl.
(EU) L 141 v. 65.6.2015, S. 19 ff.
21 EuInsVO (2015) = Verordnung (EU) Nr. 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rats v. 20.5.2015 über Insolvenzverfahren (Neufassung),
ABl. (EU) L 141 v. 5.6.2015, S. 19 ff. Im vorliegenden Kontext s. Art. 1
Abs. 1 und die Definitionen in Art. 2 Nr. 1 (Gesamtverfahren) und Nr. 6
(Gericht).
22 Zum Begriff s. Garber, ZInsO 2015, 1937.
23 Kritisch sind dabei die mezzaninen Finanzierungen mit Nachrang gem.
§ 39 Abs. 2 InsO, handelsrechtlichem Charakter als Eigenkapital, aber
meist ohne gesellschaftsrechtliche Mitgliedschaftsrechte, vgl. zu Teilaspekten Cranshaw, ZInsO 2015, 649, 666; ders., in: Smid, Fragen des Deutschen und Europäischen Insolvenzrechts, Schriftenreihe des CDEI, Bd. 1,
S. 85 – 153 (im Erscheinen).
24 Vgl. den RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443 v. 15.4.1992, S. 76: „Deshalb
kann es nicht Aufgabe des Gerichts sein, die Sanierungswürdigkeit eines
Unternehmens auf Grund eines Gutachtens im Vorhinein festzustellen
und dann eine Sanierung hoheitlich gegenüber den Beteiligten durchzusetzen. Das Verfahren soll vielmehr die Privatautonomie der Beteiligten
so zur Entfaltung bringen, dass die optimale Verwertungsentscheidung im
Verhandlungsprozess entdeckt und von den Beteiligten verwirklicht werden kann.“ Zur Gläubigerautonomie vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 79 f., 81,
99 f., passim.
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heitlichkeit und Marktwirtschaftlichkeit bei gleichzeitigem
Schutz der verfassungsrechtlich geschützten Rechte aller
Beteiligten. Dennoch, also trotz der Zurückhaltung bei wirtschaftlichen Entscheidungen, die er verstehen muss, aber
nur in Extremfällen steuern kann (vgl. § 231 InsO im Planverfahren), hat der Richter eine besonders große Bedeutung,
die immer mit Verantwortung einhergeht. Auch der „Banker“ des Krisenunternehmens kann i.Ü. zu spezifischen betrieblichen Problemen, also im Kern der Maßnahmen zur
Behebung der regelmäßig auch nötigen leistungswirtschaftlichen Sanierung, sicher meist nichts wirklich Substanzielles beitragen.25 Dennoch hat das Gericht aufgrund der in
der Krise gebotenen rechtlichen Einschränkungen für alle
Beteiligten eine herausragende Funktion, denn es garantiert
rechtsstaatlichen Umgang und Rechtssicherheit auf von erheblich gegensätzlichem Interesse geprägtem Terrain.
5. Übermaß rechtlicher Strukturen im Insolvenzverfahren?
Man mag über die Struktur des einen oder anderen Instruments des Insolvenzrechts divergierende systematische oder
generell rechtspolitische Auffassungen vertreten. Typisch für
dergleichen Divergenzen ist das Insolvenzanfechtungsrecht,
um dessen Strukturen gerade (2015) heftig gerungen wird.26
Das Krisenunternehmen mag sich zur Verbesserung seiner
Finanzlage sogar eine möglichst weit greifende Anfechtung
wünschen, nach Verabschiedung eines Sanierungsplans wird
es sicher als Marktteilnehmer im Verhältnis zu seinen Partnern in deren Krise ein möglichst begrenztes Anfechtungsrecht als angemessen, ja als zwingend ansehen. Man mag
aus dem Blick der Wirtschaft eine Fülle von Normregelwerken als die Unternehmen in ihrer jeweiligen ökonomischen
Betätigung behindernd ansehen, indes ist selbstredend nicht
jede Klage berechtigt. Wenn also die „Allmacht des Rechts“27
in der Unternehmenskrise beklagt wird, so gibt es sicherlich
Details, die der Änderung bedürfen, heute und auch künftig.
Recht unterliegt dem Wandel, dennoch ist das Insolvenzrecht keine „Dauerbaustelle“, wie öfter beklagt wird, jedenfalls nicht in höherem Maße als sonstige Rechtsgebiete. Eine
der Stärken der deutschen Volkswirtschaft ist i.Ü. neben
den sehr erfolgreich weltweit tätigen Unternehmen und
dem höchst innovativen Mittelstand, einem ebenfalls international agierenden Kernbereich der Wirtschaft, sowie den
hervorragend ausgebildeten Mitarbeitern der Unternehmen
auch die Rechtsordnung, die durch geeignete Normenstrukturen, ein verlässliches Verfahrensrecht und eine kompetente
Rechtspflege der Wirtschaft Rechtssicherheit für ihre Tätigkeit gibt. Die Wirtschaft verträgt keine plötzlich tief greifenden Änderungen, Rechtsunsicherheit und „Schnellschüsse“.
In diesem größeren Kontext darf nur darauf hingewiesen
werden, dass in internationalen Patentstreitigkeiten immer
wieder deutsche Gerichte zur Streitentscheidung aufgerufen werden und der inländische Zivilprozess international
hohe Anerkennung genießt. Die Verlässlichkeit der Rechtsordnung und ihrer Rechtsprechung ist ein deutlicher Standortvorteil Deutschlands. Im Ergebnis gilt das auch für das
Insolvenzrecht.
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II. Absicherungsmentalitäten – und Insolvenzverfahren?
1. Risiken als Folgen des Sanierungsgeschehens
und Outsourcing auf Dritte
a) Risiko erfolgloser Sanierungsanstrengungen
Mit dem komplexen ökonomischen Geschehen in Insolvenz
und Sanierung, das in die Hand erfahrener Experten gegeben werden muss, ist das Risiko des Scheiterns auch beim
Vorgehen lege artis verbunden.28 Verwirklicht sich dieses, so
erhebt sich meist sogleich die Frage nach den Gründen des
Scheiterns und in weiteren „Eskalationsstufen“ diejenige
nach der Verantwortlichkeit und der etwaigen Haftung. Den
Protagonisten werden diese Fragen nicht selten dadurch
aufgezwungen, dass sie sich ohne deren Prüfung selbst in
Haftungsrisiken begeben können. Dieser Zusammenhang
führt für die natürlichen Personen als Akteure zur Frage der
Absicherung etwaiger (künftiger) Risiken.29
b) Ängste und Vollkaskomentalität
Sir Christopher Clark, der in Cambridge lehrende, aus Australien stammende zeitgenössische Historiker, der Deutschland von außen wie letztlich auch von innen betrachtet, hat
in einer 2015 ausgestrahlten Fernsehserie „Deutschlandsaga“ das öfter auch anderweit zu lesende Wort verwendet,
ein Wesenszug der Deutschen sei wohl die „Vollkaskomentalität“. In der Darstellung von Sir Christopher war das aber
kein durchweg negativer Zug, sondern die Kennzeichnung
einer Entwicklung, die die Risikofälle des Lebens versucht,
durch Geldzahlungen an eine Versicherung käuflich zu lösen, d.h. die Verlagerung eigenen Risikos auf einen Dritten,
25 Seine Kompetenz beschränkt sich meist auf die Beurteilung betriebswirtschaftlicher Kerndaten, ggf. branchenbezogen, evtl. besteht auch branchenübergreifende Expertise aufgrund Erfahrung und vorhandener Datensammlungen.
26 RegE eines „Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz“ (v.
29.9.2015, s. die Pressemitteilung des BMJV, publiziert bei juris, „Gesetzentwurf zur Reform der Insolvenzanfechtung beschlossen“).
27 Garber, ZInsO 2015, 1937.
28 In der Praxis der außergerichtlichen Sanierung hat der BGH dies etwa in
der Entscheidung zur Absichtsanfechtung bei einer gescheiterten Sanierung
nach § 31 KO zum Ausdruck gebracht, indem er bei einem „ernsthaften
Sanierungsversuch“, d.h. einem Sanierungsversuch, der lege artis durchgeführt wurde, die Gläubigerbenachteiligung entfallen lässt, BGH, Urt. v.
4.12.1997 – IX ZR 47/97, WM 1998, 248 ff. Rn. 28 ff. m.w.N., st. Rspr.
Dieser Gedanke des Vorgehens lege artis in diesem Urteil, um der Sanierung eine verlässliche Grundlage zu bieten und den Plan zu verifizieren, ist
einer der Nuklei zum Erfordernis eines schlüssigen Sanierungsplans, der
Notwendigkeit eines Sanierungsgutachtens und der Grundgedanken von
IDW S 6 und vor dem zitierten Urteil des Vorgängerstandards FAR 1/1991.
29 Ein weiteres Phänomen in diesem Kontext ist die sog. „asset protection“,
durch die das weitblickende Organmitglied oder der Unternehmer im Familieninteresse Teile ihres Vermögens außerhalb jeglicher Krise und erkennbarer konkreter Risiken gegen seine etwa künftigen Gläubiger in rechtlich
einwandfreier Weise abschirmen. Dies setzt eine langfristige seriöse Strategie und die Hinnahme eines „asset protection“-Dilemmas voraus, da durch
die nur mögliche unbedingte Übertragung auf Familienmitglieder, deren
Lebensunterhalt gesichert werden soll, dem Rechtsinhaber seine Position
einflusslos verloren geht.
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der dessen Übernahme einpreist. Clark nennt das „Wegversicherung der Ängste“, der „German Angst“,30 ein wirtschafts- und sozialpsychologisches Phänomen. Vielleicht
ist für den beauftragten Dritten sogar das konkrete Wagnis
zu groß und er nimmt bei einem weiteren Beteiligten eine
Rückversicherung und teilt das eigene und damit das übernommene fremde Risiko wieder auf. Letztlich bleibt dann
bei ihm ein Teil des ursprünglichen Wagnisses, das sein
eigenes wird.
sondern um die Grenzziehung, außerhalb derer das nötige
unternehmerische Wagnis zum nicht mehr hinnehmbaren
Risiko wird. Das Entstehen eines Risikos ist in diesem Zusammenhang im Kern wiederum dem Umstand geschuldet,
dass es Rechtsregeln gibt, die Verstöße mit Sanktionen begegnen.33 Diese Grundsätze gelten auch in Schuldenbereinigungs- bzw. Sanierungsverfahren.
2. Unternehmertum versus Risikoscheu der
Akteure im Rahmen des Sanierungsgeschehens – welche Berufsträger tragen
den Sanierungsprozess?
Mit der unternehmerischen Tätigkeit gehen innerhalb der
Rechtsordnung bekanntermaßen auch persönliche Risiken
für die beteiligten natürlichen Personen einher. Zu erwähnen ist bspw. die Verantwortlichkeit des Geschäftsführers
der GmbH oder des Vorstands der AG gegenüber seiner
Gesellschaft nach den § 43 GmbHG, § 93 AktG, Haftungsnormen, die eben keineswegs nur in der Unternehmenskrise
eingreifen. Bei Insolvenzreife bestehen darüber hinaus in
den genannten Beispielen die bekannten leges speciales der
§ 92 AktG, § 64 GmbHG. In Kenntnis dessen, dass Unternehmertum abgewogenes Wagnis bedeutet, hat der Gesetzgeber in das Aktienrecht die business judgment rule des
§ 93 Abs. 1 Satz 2 AktG aufgenommen, die bei der Haftung
des Vorstands ansetzt und bereits eine Pflichtverletzung verneint, wenn er „bei einer unternehmerischen Entscheidung
vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage
angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu
handeln“. Nach der „ARAG/Garmenbeck“-Leitentscheidung des BGH34 muss dem Vorstand ein „weiter Handlungsspielraum zugebilligt werden, ohne den unternehmerische Tätigkeit […] nicht denkbar ist. Dazu gehört neben
dem bewussten Eingehen geschäftlicher Risiken grundsätzlich auch die Gefahr von Fehlbeurteilungen und Fehlein-
Der vorstehend umrissene Absicherungsgedanke spielt eine
bedeutende Rolle für das Sanierungsgeschehen bei Gläubigern, dem Schuldner und den „Entscheidern“ des Verfahrens (Insolvenzverwalter, Sachwalter, Eigenverwalter,
Gläubigerausschuss und Gericht). Für die unternehmerische
Aktivität darf es aber kein hinderndes Moment durch Vollkaskoabsicherung geben, denn ohne – freilich ökonomisch
kalkuliertes – Wagnis glückt Unternehmertum nicht. Der
ökonomische ebenso wie der wissenschaftliche Fortschritt
steht still. Unternehmerisches Handeln darf auch in der
Sanierung nicht in einer Absicherungskaskade enden, die
unternehmerisches Wagnis vermeidet. Juristen als Protagonisten im Insolvenzverfahren wird im Ergebnis nicht selten Bedenkenträgerei zugeordnet bzw. wie in dem bereits
mehrfach zitierten Editorial eine Neigung zur Zerschlagung
des Krisenunternehmens. Anwälte kämen „meist eher punktuell zum Zug“, ihnen fehlten daher die spezifische Kenntnis von Branche und Unternehmen.31 Dem freien Spiel der
erfahrenen unternehmerischen Kräfte, die die notwendige
Selbstheilungskraft entfalten, sei danach die Sanierung anzuvertrauen. Der Beruf des Insolvenzverwalters ist aber natürlich keineswegs auf Berufsträger der juristischen Berufe
beschränkt, eine beachtliche Zahl der führenden Verwalter
hat Berufe mit wirtschaftswissenschaftlichem Hintergrund,
nicht wenige als Verwalter tätige Anwälte haben umgekehrt
solide wirtschaftswissenschaftliche Aus- und Weiterbildungen. Erfahrene langjährige Unternehmensanwälte, gerade in
mittelständischen Unternehmen, wirken umgekehrt prägend
bei der Verhinderung von Krisen oder bei der Unternehmensnachfolge mit, die ungesteuert geradewegs ihrerseits in
Krisensituationen führen kann. Geläufig, nahezu klischeehaft sogar, sind die negativen Beispiele der Familienstämme, die zum Nachteil des Unternehmens den Schwerpunkt
auf Konfliktgenerierung untereinander legen anstelle der
Förderung des Unternehmens. Die Folge ist die „schleichende“ Stakeholderkrise,32 die häufig den Beginn der existenzbedrohenden Unternehmenskrise markiert. Betrachtet
man zur Abrundung des Bildes den in dem Unternehmen
selbst tätigen erfahrenen juristischen Berufsträger, so kennt
er das Unternehmen und dessen Umfeld. Seine Aufgabe ist
es, die ökonomischen Prozesse zu begleiten und rechtliche
Steuerungsmechanismen aufzuzeigen, die Rechtsrisiken
zu erkennen und in vertretbarer Weise zu begrenzen. Es
geht nicht um Behinderung des freien Unternehmertums,
3. Schutzmechanismen der handelnden Personen
30 V. Böhm/Scherer, Deutschlandsaga Teil 6, „Wer wir sind“, ZDF 2015, Sendung v. 22.3.2015.
31 Garber, ZInsO 2015, 1937 f.
32Vgl. Groß, KSI 2013, 214 ff. sowie IDW S 6 (2012), Anforderungen an die
Erstellung von Sanierungskonzepten, Rn. 3.4.1.
33 Ein aktuelles in der Öffentlichkeit diskutiertes Beispiel hiervon mit katastrophalen wirtschaftlichen Folgen für das Unternehmen zeigt die VWDiesel-Affäre anschaulich: Wird in einem Unternehmen ein Verfahrensablauf erwogen, dessen Ergebnisse nach außen publiziert werden, sei es an
Behörden, sei es an die Kunden des Unternehmens, und zeitigt das gewählte
Verfahren für den Außenstehenden nicht erkennbare Abweichungen zu dem
bei Dritten vorgestellten Ablauf, so wird man den externen oder internen
rechtlichen Berater fragen müssen, inwieweit sich hieraus Rechtsrisiken in
der jeweiligen Rechtsordnung ergeben können. Es gibt Rechtsrisiken, soweit
sie zuvor erkannt werden oder erkennbar sind, die man generell nicht eingehen darf; solche sind strafrechtlicher Natur oder zwar allein zivilrechtlichen
Charakters, aber es handelt sich nicht um nur potenziell als Rechtsverstoß
anzusehende Handlungen, sondern um evident zu bejahendes ungesetzliches Handeln, sei es als Folge klarer gesetzlicher Bestimmungen, sei es
als Folge gefestigter höchstrichterlicher Judikatur. Dagegen wird es immer
wieder Produkte oder Verfahren in allen Branchen geben, bei denen Rechtsrisiken auftreten können, jeweils mit höherem oder geringerem Wahrscheinlichkeitsgrad. Das sind diejenigen Fälle, die höchstrichterlich ungeklärt sind
oder solche, bei denen es an Rechtssicherheit noch fehlt. Vielfach müssen
Unternehmen entscheiden, ob sie gewisse nicht auszuschließende Rechtsrisiken in Kauf nehmen oder nicht, zunehmend treten Risiken an ganz unvermuteter Stelle durch Rechtsprechungsänderung auf.
34 BGH, Urt. v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 253 Rn. 22.
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ZInsO-Aufsätze
schätzungen […]“. Unternehmerisches Wagnis, so das Fazit
dieser Norm, ist zulässig; wird ein solches eingegangen, so
ist das per se nicht pflichtwidrig. Aber die Haftungsbegrenzung erfordert die Einhaltung der Tatbestandsmerkmale der
business judgment rule.35 § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG oder der
daraus abzuleitende Rechtsgedanke sind auch außerhalb
des Aktienrechts auf andere Unternehmensträger entsprechend anzuwenden. Im Insolvenzverfahren werden gerade
bei der Unternehmenssanierung und der damit verbundenen
Fortführung wie bei jedem lebenden Unternehmen täglich
unternehmerische Entscheidungen getroffen. Die Haftung
aus pflichtwidrig und schuldhaft getroffenen fehlerhaften
Entscheidungen tragen der Insolvenzverwalter (vgl. §§ 60,
61 InsO), ggf. der Sachwalter, der Eigenverwalter36 oder
sogar die Mitglieder des Gläubigerausschusses (vgl. § 71
InsO).37 Der Grund hierfür ist die übernommene Verantwortung für die Unternehmensführung, also ein ökonomisches
Geschehen. Daher ist auch hier etwa die Anwendung des
Haftungsbegrenzungsmaßstabs der business judgment rule
angezeigt.38
Die Haftungsbegrenzung ändert aber nichts daran, dass dennoch ein Haftungsrisiko besteht, das wiederum sachgerecht
durch eine geeignete Versicherung abgedeckt wird. Kein
Vorstand wird im Allgemeinen ein Haftungsrisiko in Millionenhöhe tragen können, wenn es sich denn realisiert; für
den Insolvenzverwalter gilt dasselbe, ebenso für den Gläubigerausschuss.39 Bei den Organen der Gesellschaften ist es
die D&O-Versicherung, bei der das Gesetz aus den Gründen des moral hazard einen Selbstbehalt im Umfang von
1,5-Jahresfixgehältern oder mindestens 10 % des Schadens
vorsieht.40 Bei den Mitgliedern des Gläubigerausschusses
ist ein Selbstbehalt der Versicherung nicht üblich41 und auch
nicht zweckmäßig, da dem besonders hohen Risiko in der
Unternehmenskrise schon keine adäquate Vergütung gegenübersteht.
4. Haftungsrisiken insolvenzrichterlicher Tätigkeit
Ist an den Abläufen des Insolvenzverfahrens begriffsnotwendig das Gericht in Gestalt einer natürlichen Person,
des Richters oder Rechtspflegers, beteiligt, dann liegt es
nahe, auch nach seiner Haftung zu fragen oder sie in der
Öffentlichkeit weitgehend unreflektiert zu bejahen, wenn
Fehlentwicklungen im Insolvenzverfahren offenkundig sind
oder zu werden drohen. Dann darf auch nach Risikoabsicherung gefragt werden und sogar danach, ob die Organisation
einer gemeinsamen Versicherung mit dem Insolvenzverwalter sogar ohne Weiteres das Menetekel des Strafrechts
an die Wand werfen kann. Es geht nämlich bei der Thematik etwaiger Haftung des Richters oder der anderen Insolvenzbeteiligten gerade nicht um evidente Fälle wie einmal vorgestellte vorsätzliche Rechtsbeugung beim Richter,
Untreue beim Verwalter, Eigenverwalter, Geschäftsführer
usw., weder um Betrug noch um Sozialversicherungsbetrug
nach § 266a StGB, nicht einmal um die die Grenze des dolus eventualis ggf. überschreitende gänzlich unterbliebene
Kontrolle des Verwalters. Diese, ausschließlich dogmatisch
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betrachtet geradezu klassischen Fälle, sind gerade nicht
versicherbar, jedenfalls nicht bei dolus directus, sondern
als vorsätzlich begangene (deliktische) Handlungen mit erheblichen persönlichen Sanktionsfolgen belegt, zivilrechtlich mit Schadensersatzfolgen. Schon das RG hat sich mit
der Haftung von Gläubigerausschussmitgliedern auseinandergesetzt, die die Kassenführung des untreu gewordenen
Konkursverwalters nicht ordnungsgemäß geprüft haben.42
Die bei struktureller Betrachtung wirklich relevanten Risiken, insbesondere seit dem ESUG, liegen aber nach der hier
vertretenen Auffassung bei Fehlentscheidungen im unternehmerischen Bereich, die sich am Ende bei einer Neigung
zu etwaigen, als solche nicht wahrgenommenen „ex post“Betrachtungen aus dem Blick eines Prozessgerichts anstelle
der rechtlich natürlich gebotenen „ex ante“-Sicht als grob
fahrlässige Pflichtverletzung bis zur Grenze des dolus eventualis herausstellen.43
5. „Absicherungsmentalität“ oder Risikostrategie der natürlichen Personen als Akteure
des Insolvenzverfahrens
a) Steuerung persönlicher Risiken
An dieser Stelle zeigt sich die Richtigkeit des Bemühens um
eine gewisse „Vollkaskomentalität“ bei den Protagonisten.
Das Risiko eines Fehlverhaltens, einer Pflichtwidrigkeit,
kann auch der sorgfältigste Akteur nicht ausschließen, meist
wird sich der Fehler zunächst gar nicht zeigen und damit
unerkannt bleiben. Es ist schlechterdings nachvollziehbar,
dass eine natürliche Person mit hoher Verantwortung nicht
persönlich unbegrenzt haften möchte. Die Auffassung, mit
35 S. im Einzelnen Dauner-Lieb, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht,
2. Aufl. 2014, § 93 AktG Rn. 17 ff.
36 S. zu der umstrittenen Frage der schuldnerischen Haftung nach den
§§ 60 ff. InsO nur paradigmatisch bei K. Schmidt/Undritz, InsO, 18. Aufl.
2013, § 270 Rn. 17 – 19, wobei die Haftung der Organe natürlich das wirklich relevante Problem ist.
37 Cranshaw/Portisch/Knöpnadel, ZInsO 2015, 1, 8 ff.
38 Cranshaw/Portisch/Knöpnadel, ZInsO 2015, 1, 9; Cranshaw, in: Steinwachs/Vallender/Cranshaw, Der Gläubigerausschuss in der Insolvenz des
Firmenkunden, 2. Aufl. 2014, S. 1 ff., 62 – 65 Rn. 111 – 114.
39 Zur Versicherung des Ausschusses s. Cranshaw/Portisch/Knöpnadel/Dantele,
ZInsO 2015, 63 ff.
40 Zur Bedeutung des „doppelten“ Mindestselbstbehalts in § 93 Abs. 2 Satz 3
AktG s. Dauner-Lieb (Fn. 35), § 93 AktG Rn. 58 ff. Auf die den Selbstbehalt wiederum abdeckende D&O-Selbstbehaltsversicherung durch das
Organ selbst zu seinen Lasten ist nur am Rande hinzuweisen. Bei der gesetzlichen Regelung des § 93 Abs. 2 Satz 3 AktG handelt es sich nach der
hier vertretenen Meinung nicht um ein Gebot, dessen Nichtbeachtung die
Folgen des § 134 BGB nach sich ziehen würde; so auch und zum Diskussionsstand s. Dauner-Lieb (Fn. 35), § 93 AktG Rn. 63 m.w.N. Demzufolge
ist es dem einzelnen Vorstandsmitglied nicht untersagt, persönlich eine Versicherung abzuschließen, die etwaige Lücken schließen soll, die durch den
Vertrag zwischen Unternehmen und Versicherung nicht gedeckt sind.
41 Cranshaw/Portisch/Knöpnadel/Dantele, ZInsO 2015, 63, 66.
42 Vgl. bspw. RG, Urt. v. 23.9.1898 – Rp. I 170/93, RGZ 31, 119 ff. und RG,
Urt. v. 7.11.1935 – VI 188/35, RGZ 149, 182 ff.
43 Zu Beispielen s. bei Cranshaw/Portisch/Knöpnadel, ZInsO 2015, 1, 9
m.w.N.
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der Befürwortung des weitgehenden Ausschlusses persönlicher Risiken stärke man den moral hazard der handelnden
Personen und daher müssten persönliche spürbare Risiken
bleiben, ist im Rahmen der Forderung nach einem Selbstbehalt bei der D&O-Versicherung im Rahmen der Vorstandshaftung zur „Selbststeuerung“ nachvollziehbar,44 beim Mitglied des Gläubigerausschusses indes nicht akzeptabel, auch
nicht durch Ablehnung der Übernahme der Versicherungsprämie durch die Masse.45 Im Gegenteil, wer stetig in Sorge
um (ggf. existenzbedrohende) persönliche Risiken ist, wird
keine und schon gar keine wegweisenden Entscheidungen
treffen können. Wer zur Risikosteuerung bei ungenügender
Honorierung die Kosten der Absicherung selbst tragen soll
und der stets auch das Risiko etwaiger Obliegenheitsverletzungen gegenüber der Versicherung trägt, wird ein Amt als
Gläubigerausschuss nicht übernehmen.
b) Outsourcing von Risiken als rationales Verhaltensmuster
Das, was man meist etwas abschätzig „Vollkaskomentalität“
nennt, hat somit einen rationalen Hintergrund, nämlich das
Outsourcen von Risiken auf einen kundigen Dritten gegen
Entgelt, der mit Risikoszenarien professionell umgehen
kann. Zugleich ist das Outsourcing Teil einer sachgerechten Risikostrategie,46 bei der sich Risikoinkaufnahme und
dessen Absicherung die Waage halten sollten. Wer wollte,
um die Thematik der sog. Mitversicherung des Insolvenzrichters als Beispiel wieder aufzugreifen, es dem Richter
grds. verargen, seine persönlichen Haftungsrisiken durch
Outsourcing so weit als möglich zu eliminieren?47 Freilich
bedürfte es einer solchen Absicherung nicht, wenn sie entweder obsolet wäre oder wenn sie für bestimmte Risiken
nicht möglich ist. Zu den Details dieser Thematik ist auf den
nachfolgenden Abschn. IV. dieser Darstellung zu verweisen.
III. Unternehmer und Insolvenz – die zweite
Chance
1. Unternehmertum in der existenzbedrohenden
Krise des Unternehmens
Das oben erwähnte Editorial legt, wie so viele Beiträge der
letzten Jahre, zutreffend den Finger in eine Wunde, nämlich das Fehlen oder die nicht hinreichende Entwicklung
einer Kultur der zweiten Chance, die das unternehmerische
Scheitern als bedauerlichen, aber natürlichen Vorgang der
Marktwirtschaft hinnimmt, dessen Eintritt einzelfallabhängig ist und theoretisch ebenso wie in der Unternehmenspraxis auf einer Fülle von Ursachen beruhen kann, die sich bei
bestehenden Interdependenzen wohl selten wirklich quantifizieren lassen.48 Zugleich bedeutet dieser Umstand, dass die
Erkenntnis der ökonomischen Schwächen des in die Krise
gekommenen Unternehmens mit ihren verschiedenen bekannten Stadien49 auch die Chance zur Heilung in sich birgt.
Dieser letztere Vorgang, eben die Sanierung, ist eine zutiefst
unternehmerische Aufgabe, die nicht von dem außenstehenden anwaltlichen Berater oder im Allgemeinen auch nicht
von einem Insolvenzverwalter in dieser Funktion im Detail
363
geleistet werden kann, auch nicht von einem Sachwalter.
Das Insolvenzverfahren kann nur zweierlei leisten, nämlich das Bewirken der finanzwirtschaftlichen Sanierung,
das Abschütteln von nicht mehr tragbaren Lasten, wie man
diese auch immer definiert sowie die Einleitung der meist
unerlässlichen leistungswirtschaftlichen Sanierung. De lege
lata nennen wir in Deutschland solche die Insolvenz auslösenden Krisenereignisse „Zahlungsunfähigkeit“, „drohende Zahlungsunfähigkeit“ und „Überschuldung“. Dabei ist
sogar der Begriff der Zahlungsunfähigkeit im grenzüberschreitenden Sprachgebrauch („insolvency“ im englischen
Sprachraum, „insolvabilité“ im französischen) trügerisch,
denn der Inhalt des Begriffs richtet sich nach den Vorstellungen der jeweiligen Rechtsordnung, in Deutschland nach
der Auslegung des Gesetzes (§§ 17 – 19 InsO) durch die
Judikatur. Unterschiedliche Begrifflichkeiten haben an den
Rändern auch unterschiedliche Konsequenzen für die Beseitigung der Folgen solcher Ereignisse, also für die Sanierung. Auch der optimale Insolvenzplan, verifiziert durch ein
Gutachten nach IDW S 6, kann wieder scheitern; das liegt
im Charakter wirtschaftlichen Handelns. Mit dem Insolvenzplan beginnt aber erst die tatsächliche Unternehmenssanierung: Die zweite Chance wird durch den rechtskräftig
bestätigten Insolvenzplan somit erst eingeläutet, sie wird
wohl meist Jahre dauern.
2. Unternehmenssanierung – ein ökonomischer
Prozess mit rechtlichem Hintergrund
a) Rechtliche Strukturen und nachhaltige
Sanierung
Der Ablauf der Beseitigung einer existenzbedrohenden
Unternehmenskrise ist ein ökonomischer Prozess in einem
außerordentlich stark verrechtlichen Gewand, nicht nur
übrigens in Deutschland, sondern in allen modernen Insolvenzrechtsregelwerken. Eine Selbstverständlichkeit, die
man aber nicht aus dem Auge verlieren darf, wenn man die
starke rechtliche Prägung des Sanierungsgeschehens betrachtet oder – je nach Betrachter – beklagt, ist die Bindung
44 Dauner-Lieb (Fn. 35), § 93 AktG Rn. 56 m.w.N., zur „verhaltenssteuernden Wirkung“ des Selbstbehalts der D&O-Versicherung, s. aber die D&OSelbstbehaltsversicherung durch das Organ, Fn. 40.
45 K. Schmidt/Jungmann (Fn. 36), § 73 InsO Rn. 11 m.w.N.; es sei nicht einsehbar, wenn sich das Ausschussmitglied ohne größere Risiken freizeichnen lassen könne, weshalb die Versicherungsprämien im Allgemeinen von
den Ausschussmitgliedern selbst zu tragen seien.
46 Vgl. dazu Cranshaw/Portisch/Knöpnadel, ZInsO 2015, 63 ff.
47 Insoweit ist Siemon, ZInsO 2015, 1968, 1970 zuzustimmen.
48 IDW S 6 fordert eine eingehende Analyse der Ausgangslage. Voraussetzung
hierfür ist das Vorhandensein der notwendigen Daten im Unternehmen, d.h.
ein ordnungsgemäß organisiertes und funktionierendes Rechnungswesen
sowie ein ordnungsgemäßes Controlling zur Koordinierung der unternehmerischen Führungsaufgaben. In Krisenunternehmen fehlt es meist daran;
das Vorhandensein dieser Voraussetzungen sollte eigentlich dazu führen,
dass Krisen steuerbar werden und gerade nicht zur Insolvenz führen.
49 IDW S 6 Anforderung an die Erstellung von Sanierungskonzepten (Fassung
2012) Rn. 2.2, Rn. 20 ff.
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ZInsO-Aufsätze
ZInsO 8/2016
jeder unternehmerischen Tätigkeit an die Rechtsordnung.
Die unternehmerische Tätigkeit in einer freiheitlichen und
sozialen Ordnung mit substanziellen Verfassungsrechten
der Protagonisten ist natürlich an die Rechtsordnung gebunden. Die heute nicht selten wohl ausgeblendete Vorfrage
bei der Rettung von Krisenunternehmen ist diejenige nach
der „Sanierungswürdigkeit“ bzw. nach der „Sanierungsfähigkeit“ des betroffenen Unternehmens. Außerhalb von
Wertungen des unternehmerischen Verhaltens, das zur Krise
geführt hat, und dessen etwaige Missbilligung, die ihrerseits mindestens allzu leicht zu dem Stigma der Insolvenz
führt, kann man theoretisch postulieren, dass jedes Unternehmen saniert werden soll. Dies gilt auch dann, wenn sein
Geschäftsmodell am Markt außerordentlich zweifelhaft geworden ist. Dann kann es aber nur wegen seines angenommenen systemischen Charakters aufrechterhalten werden,
der durch die Erzeugung bestimmter strategischer Produkte
oder Dienstleistungen vielleicht bedingt ist, durch das Bedürfnis, Verwerfungen am Arbeitsmarkt regional oder lokal
zu vermindern oder weil man das Unternehmertum stärken
will. Das ist aber nicht der Ansatz der InsO. Die Maßnahme muss zudem finanziert werden, und zwar ggf. nicht nur
durch klassische „Haircuts“ von Gläubigern, sondern durch
neues Kapital. In unattraktiver Lage wird kein Investor sich
bereitfinden, sich zu engagieren. Es bleibt die öffentliche
Hand, sieht man einmal von wettbewerbsrechtlichen Fragen
in einem weiten Sinne einschließlich des Rechts der Staatsbeihilfen nach dem Unionsrecht völlig ab, die dem Staat
das Handeln verunmöglichen. Engagiert sich dieser nicht,
bliebe es Aufgabe der Unternehmenseigner und der Gläubiger, hier einzustehen, vielleicht aus ökonomischer Einsicht, vielleicht aus gesamtgesellschaftlicher Verpflichtung.
Bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung kann das
Ziel der Restrukturierung des Unternehmens zudem nur die
nachhaltige Sanierung sein, die darauf bedacht ist, Folgeinsolvenzen zu vermeiden, wie das Frind in dieser Zeitschrift kürzlich sehr klar und anschaulich aus insolvenzrichterlicher Sicht akzentuiert hat50 und wie das IDW S 6
(Fassung 2012) Rn. 2.1, Rn. 11, 14 – 16 beschreibt. Die dort
angesprochene „nachhaltige Fortführungsfähigkeit“ gliedert
IDW S 6 in „Wettbewerbsfähigkeit“ und „Renditefähigkeit“
(Rn. 11). Normativer Anknüpfungspunkt ist § 252 Abs. 1
Nr. 2 HGB, wonach der Kaufmann als Bewertungsansatz
der Bilanz Fortführungswerte wählen muss, wenn der „Fortführung der Unternehmenstätigkeit […] nicht tatsächliche
oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen“.51 Die absolut zu verfolgende nachhaltige Sanierung kann nur durch
größtmögliche Sorgfalt bei Erstellung des Sanierungskonzepts und dessen kritische Prüfung durch die Protagonisten
des Insolvenz-/Sanierungsgeschehens52 sowie ggf. durch
Drittevaluierung angestrebt bzw. gefördert werden.
Luft zum Atmen nimmt. Umso schlimmer bei dieser Sicht,
dass noch ein Gericht (ein sozusagen hoheitlicher alles beherrschender staatlicher Protagonist, wenn man das aus
einem bestimmten Blickwinkel so sehen will) beteiligt ist,
sodass ein Gesamtsystem entsteht, welches dem Unternehmer in der Krise jeden Mut zum Agieren nehmen muss. All
diesen Anliegen könnte nur ein umwälzender Wandel des
Insolvenzrechts begegnen. Vieles könnte man, so ließe sich
argumentieren, dadurch bewältigen, dass man ähnlich dem
Verfahren nach Chapter XI US Bankruptcy Code eine strategische Insolvenz54 ohne Insolvenzgründe zulassen würde,
sodass ein Unternehmen unter Betrachtung der Marktsituation und unter Inkaufnahme von Reputationsrisiken und tief
greifenderen geschäftlichen Risiken ein solches Verfahren
beginnen könnte, das ihm erlauben würde, passivseitige Altlasten oder drohende sonstige Lasten abzuschütteln. Klassische Fälle, wie sie aus den USA seit Jahrzehnten bekannt
sind, betreffen etwa aus dem Blick des Unternehmens überbordende Altersversorgungslasten für Mitarbeiter bzw. zu
hohe Löhne und Gehälter, Umweltaltlasten bzw. Produkthaftungsrisiken oder sonstige Risiken aus bestehenden oder
drohenden Ersatzrisiken; man darf aus aktuellem Anlass
vielleicht in diesem Kontext auf die „VW-Dieselaffäre“ und
die dort in den Medien schnell beschworenen potenziell desaströsen Folgen zur Verdeutlichung hinweisen.
b) Befreiung vom „Korsett“ der InsO und strategische Insolvenz?
50 Frind, ZInsO 2015, 2249 ff., 2253; 2309 ff., 2311; 2358 ff., 2365. Frind
zeigt damit zugleich jedenfalls implizit zutreffend auch die Verantwortung
des Gerichts auf (s. z.B. ZInsO 2015, 2252), aber auch genauso treffend
seine begrenzten Möglichkeiten einzugreifen (ZInsO 2015, 2311).
51 Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, 36. Aufl. 2014, § 252 Rn. 7.
52 Völlig zutreffend Frind, ZInsO 2015, 2365.
53 Garber, ZInsO 2015, 1937 f.
54 Zum Begriff und zu Inhalten s. Eidenmüller, ZIP 2015, 1197 ff.
Die InsO, so darf man die beredte Klage des erwähnten Editorials53 verstehen, das eine Strömung der öffentlichen Meinung spiegeln dürfte, sei ein enges Korsett, das der unternehmerischen Entfaltung und der nötigen Gesundung die
c) Freiheitliche und offene Struktur der InsO
Die Flexibilität der InsO, gerade mit dem Insolvenzplanverfahren und mit den Instrumenten des ESUG, zeigt eine
Struktur, die der sozialen Marktwirtschaft entspricht und
ausgewogen zwischen den Interessen der Beteiligten vermittelt. Allerdings bezieht sie auch klar Stellung; in Konfliktsituationen fehlender Einigung entscheiden die Gläubiger. Eine, freilich kaum wirklich rational behebbare
Schwäche, besteht systematisch in den zwangsläufig völlig
unterschiedlichen Gläubigerinteressen. Dem Arbeitnehmer
geht es, u.a. dank des Insolvenzgeldes (§§ 165 ff. SGB III),
weniger um seine offenen Entgeltansprüche, sondern um
den Erhalt des Arbeitsplatzes, dem lokalen Unternehmer
ggf. um den Erhalt des Auftraggebers für künftige Aufträge; dem Sektor Staat in weitem Sinne geht es vielleicht
eher um die Aufrechterhaltung des Steuerzahlers und des
Beitragszahlers der Sozialversicherung als um aktuelle
Rückstände. Der InsO geht es, anders als anderen Regelwerken des ausländischen Rechts, um all das nicht. Wenn
man ins Zentrum eines Insolvenzrechtsregelwerks wie hier
die Gleichbehandlung und die gleichmäßige Befriedigung
der Gläubiger rückt, den (aber scheinbar wieder etwas bröckelnden) Verzicht auf Privilegien von Gläubigern ohne ge-
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sonderte (dingliche) Sicherheit, die Gestaltungsautonomie
der Gläubiger mit flexiblen Möglichkeiten der Struktur und
wenn man zugleich dem Eigenkapital eine besondere Verantwortung dadurch zuweist, dass die Unternehmenseigner
an die letzte Stelle der Befriedigung rücken, dann darf man
feststellen, dass die InsO jedenfalls zu den weltweit modernsten Insolvenzrechtsregelwerken gehört. Sie eröffnet
den Unternehmen strukturell ausgezeichnete Sanierungsoptionen. Dies bedeutet zugleich, dass in praxi erkannte
Schwachstellen nach sorgfältiger Analyse durch Nachjustieren von Stellschrauben bereinigt werden sollten, gerade
um beides sachgerecht miteinander im Interesse aller Beteiligten zu verbinden: die Befriedigung der Gläubiger und
die Unternehmenssanierung, soweit sie wirtschaftlich sachgerecht ist.55
3. Eine zweite Chance für jedes Unternehmen?
a) Gebotene Prüfung der wirtschaftlichen Sanierungsaussichten
Zunächst einmal hat jedes Unternehmen den Anspruch darauf, dass man prüft, ob eine solche Chance bei wirtschaftlicher Betrachtung der gesamten Fallumstände eröffnet
werden kann. Die vorläufige Fortführung ist die Regel (vgl.
§ 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 InsO). Das ist eine Selbstverständlichkeit, die die Gläubiger auch stets beachten, geht man
von dem idealtypischen Gläubiger der Marktwirtschaft aus.
b) Natürliche Personen
Die natürliche Person als Unternehmer, auch als Freiberufler, hat nicht nur das Recht auf eine zweite, sondern auch
auf weitere Chancen. Daher gibt es die Restschuldbefreiung
nach § 1 Satz 2 InsO, die strukturell eben auch öfter eintreten kann (vgl. § 287a Abs. 2, 1. HS, 1. Alt. InsO!). Ob die
dortigen Zeiträume zu lang sind oder ob nicht überhaupt die
Restschuldbefreiung wie nach dem Recht von England und
Wales spätestens automatisch nach einem Jahr eintreten sollte, ist im hier erörterten Zusammenhang eine sekundäre Frage. Grundrechtliche Positionen verschaffen der natürlichen
Person kontinuierlich weitere Chancen auf selbstständige
berufliche Tätigkeit, soweit die Schutzmechanismen der Berufsregelungen dem nicht (vorübergehend) entgegenstehen.
Das ist eine Frage der Abwägung des Gesetzgebers zwischen
den verfassungsrechtlichen Positionen des „Schuldners“ und
Dritter, die mit ihm dann beruflich zu tun haben.
c) Verbände, Gesellschaften
Bei den Verbänden als Unternehmen (also juristische Personen und Personengesellschaften) ist zunächst auf eine allerdings eher typisch inländische Betrachtung hinzuweisen,
die sich aber nach der hier vertretenen Ansicht als richtig
erweist – die Differenzierung zwischen dem Verband und
seinen Mitgliedern bzw. den Gesellschaftern. Die Gesellschafter werden sich bei bereits feststehendem Verlust des
eingesetzten oder auch nur versprochenen Kapitals stets
für die Sanierung durch Fortführung regelmäßig nur ent-
365
scheiden, wenn sie keinen weitergehenden Beitrag leisten
müssen als den bereits erbrachten. Man kann natürlich die
Gesamtlage aus anderem Blick einheitlich betrachten und
Gläubiger sowie Eigner als gleich zu achtende Investoren
ansehen – wie oben bereits umrissen – die bei dem Sanierungsprozess, ggf. im übergeordneten Interesse, beide (vielleicht sogar pari passu) einen Desinvestitionsprozess durchlaufen müssen. Was unterscheidet bspw. den Kleinaktionär
mit 100 Aktien (aus Kapitalerhöhung zum Kurs von 100
zzgl. Agio) der börsennotierten PUBLIKUM AG von dem
Anleihegläubiger, der bei deren Begebung bei derselben AG
ebenfalls 100 Teilschuldverschreibungen als Fremdkapital
zum Kurs von 100 erwirbt? Müssen in der Krise nicht beide,
soweit erforderlich, einen Verlust von 50 hinnehmen und ist
es nicht sinnwidrig, wenn der Anleihegläubiger 100 bekäme, der Kleinaktionär nichts?
d) Aktuelle Situation de lege lata
Unsere derzeitige Rechtsordnung ist nicht so. Der Aktionär
verliert alles. Wenn die Gläubiger nicht mitwirken, geht der
Unternehmensträger unter, ggf. auch das Unternehmen als
betriebswirtschaftliche Einheit insgesamt. Dies ist dann der
Fall, wenn die Protagonisten, in der Eigenverwaltung die
Geschäftsführung und der Sachwalter, in der Fremdverwaltung der Insolvenzverwalter, nicht mindestens die Mehrheit
der Gläubiger vom Mehrwert der Sanierung für sie überzeugen. Dabei agieren die Gläubiger absolut „egoistisch“,
nur ihrem jeweils kalkulierten Individualinteresse verpflichtet, allerdings nicht subjektiv, sondern im Ansatz allein nach
objektiven Kriterien.56 Die natürliche Person als Gläubiger hat dabei individuelle Spielräume, der Gesellschafter/
Geschäftsführer einer Gläubigergesellschaft schon eingeschränkter. Der Vorstand einer Gläubiger-AG, der sich bei
Insolvenzfällen von Abnehmern nicht an der recovery rate
orientiert oder nicht sonst gute unmittelbar ökonomische
und/oder sonstige Gründe aus dem Blick seines Unternehmens hat, auf berechtigte Forderungen, Quoten oder Sicherheiten zu verzichten, geht bekanntlich erhebliche Haftungsrisiken ein. Gefordert ist von der Rechtsordnung der wache
und auch der idealtypisch handelnde Gläubiger der Marktwirtschaft, eine typische Maxime des Zivilrechts seit dem
römischen Recht.57
55 S. hierzu z.B. die Anregungen des Gravenbrucher Kreises v. 13.10.2015
u.a. zu den Voraussetzungen der Eigenverwaltung und der Organhaftung
dabei, zur „Stärkung der Position des Sachwalters“, zum Insolvenzplan und
zum Rechtsweg, verfügbar über http://www.gravenbrucher-kreis.de, mit
Verlinkungen, Abruf: 23.11.2015. Vgl. auch die sorgfältige Diskussion zur
Konzerninsolvenz, aber auch das kritische Gesetzgebungsvorhaben zum
Anfechtungsrecht, dazu etwa Huber, ZInsO 2015, 2297 ff.
56 Dass diese idealtypische Betrachtung mit Unschärfen und subjektiven Einschlägen behaftet ist, weisen wirtschaftspsychologische Untersuchungen
nach.
57 In Schlussanträgen von Generalanwälten beim EuGH kann man diese Maxime gelegentlich lesen, die in etwa mit den Worten „Vigilantibus non dormientibus subveniunt jura“ wiedergegeben wird.
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ZInsO-Aufsätze
4. Fazit: Einfluss der Zwecke des Insolvenzverfahrens nach der Insolvenzordnung
a) Fehlende Existenz eines spezifischen Sanierungsregelwerks
Die InsO ist kein originäres Sanierungsinstrument für
Schuldnerunternehmen, erst recht kein Schuldnerschutzregelwerk. Ihre Aufgabe besteht in der Gläubigerbefriedigung, von der Restschuldbefreiung abgesehen (vgl. § 1
Satz 1 InsO).58 Die Sanierung des Unternehmens oder
Unternehmensträgers, u.a. im Interesse des Erhalts von
Arbeitsplätzen, ist kein Zweck, sondern Methode des Verfahrens. Sie kann aber als Ziel des konkreten Verfahrens
verfolgt werden, da in rechtlicher Hinsicht zwar nicht das in
der Literatur durchaus apostrophierte Spannungsverhältnis
zwischen Gläubigerbefriedigung und Sanierung59 besteht,
wohl aber ein tatsächliches Spannungsverhältnis, welche
Lösung für die konkrete Insolvenzabwicklung die besseren
Befriedigungsaussichten verspricht. Mit Insolvenzeröffnung wird das Schuldnervermögen den Gläubigern zur
Befriedigung durch den Staat in einem komplexen rechtsstaatlichen Verfahren zur Verfügung gestellt. Die Gläubiger
entscheiden über das Wohl und Wehe des Unternehmens,
der Gläubigerausschuss ist allein für die Insolvenzgläubiger
und Absonderungsberechtigten da, nicht für den Schuldner.
Das Verfahren ist zugleich Gesamtvollstreckung und strukturell Fortsetzung der Individualvollstreckung, auch wenn
die überwiegend stattfindenden Sanierungen das nicht mehr
so deutlich erkennen lassen. Wenn man so will, hat das
ESUG die Lage für die Unternehmenseigner formell noch
erschwert. In die Gesellschafterrechte kann im Planverfahren eingegriffen werden (vgl. § 225a Abs. 2, 3 InsO).
b) Notwendigkeit eines Wandels durch Sanierungsregelwerke außerhalb eines Insolvenzverfahrens?
Man kann die vorstehend beschriebene Lage beklagen und
de lege ferenda zu ändern suchen. Man kann z.B. Schuldenbereinigungsverfahren durchführen aufgrund eines Sanierungsregelwerks außerhalb der InsO, der man dann, wie
schon bei der Krise einer Bank nach dem SAG60 bzw. dem
Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz, die Rolle des Restabwicklungsverfahrens zuweist. Hierfür gibt es ausländische
Beispiele, in Deutschland füllt eben die außergerichtliche
Sanierung diese Rolle aus. Man kann aber auch einen Wandel innerhalb der InsO durchführen, der wohl tendenziell
den Vorstellungen auf EU-Ebene61 ebenfalls nahekäme und
seinen Widerhall in ausländischen Verfahren findet, wie z.B.
der procédure de sauvage des französischen Rechts (Art. L
620-1 Code de Commerce)62 und ggf. der ebenfalls erwähnten amministrazione straordinaria des italienischen Rechts
für große Unternehmen.63 Damit kann eine klare Reihenfol-
ZInsO 8/2016
ge der Ziele eines Gesamtverfahrens geschaffen werden, etwas, was die InsO bisher ablehnt. Die procédure de sauvage
nimmt zunächst die Fortführung des Unternehmens im Interesse des Unternehmertums, dann die Arbeitsplätze in den
Blick und erst danach das Befriedigungsinteresse der Gläubiger. Aber auch das ändert nichts an den ökonomischen
Fakten: Fehlt es an einem geeigneten Geschäftsmodell, ist
das Unternehmen nicht fortführungsfähig. Weder außergerichtlich noch sonst wird sich ein Gläubiger beteiligen,
wenn er nicht gesetzlich dazu gezwungen ist. Wird ein Geschäftsmodell in der Insolvenz vollkommen neu definiert,
wird das regelmäßig mehr kosten, als dem Wert der vorhandenen Assets einschließlich der nicht bilanzwirksamen Vermögenswerte entspricht. Besteht keine Alternative als eine
Form der Zerschlagung des Unternehmens oder Unternehmensträgers, wird man sehr gute ökonomische Gründe aufbieten müssen, um den Gläubigern die Zustimmung abzuringen, es sei denn, die Gläubiger werden aus den relevanten
Entscheidungsprozessen völlig herausgehalten.
(Der Beitrag wird fortgesetzt.)
58 Unzutreffend daher u.a. LG Leipzig, Urt. v. 31.5.2013 – 10 O 3091/12,
ZInsO 2013, 1319 ff. m.w.N.; wie im vorliegenden Aufsatz auch Frind,
ZInsO 2015, 2249, 2249 m.w.N. A.A. HambKomm-InsO/Schmidt, 5. Aufl.
2015, § 1 Rn. 26.
59HambKomm-InsO/Schmidt (Fn. 58), § 1 Nr. 26.
60 SAG – Sanierungs- und Abwicklungsgesetz v. 10.12.2014, BGBl. I 2014,
S. 2091 bis zum Gesetz v. 2.11.2015, BGBl. I 2015, S. 1864; Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz v. 9.12.2010, BGBl. I 2010, S. 1900 bis zum
Gesetz v. 2.11.2015, BGBl. I 2015, S. 1864.
61 Die EU-Kommission hat am 30.9.2015 eine Mitteilung an das EU-Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den
Ausschuss der Regionen mit dem Titel „Aktionsplan zur Schaffung einer
Kapitalmarktunion“ (Dokument COM (2015) 468 final) veröffentlicht, verfügbar über http://www.ec.europa.eu/.../building-cmu-action-plan_en.pdf,
auch in deutscher Sprache, Abruf: 27.11.2015. Dazu hat sie als „Commission Staff Working Document“ eine zusätzliche Begleitdokumentation
„Economic Analysis, Dokument SWD (2015) 183 final, veröffentlicht. Ziel
der Kommission nach dem Aktionsplan ist die „Förderung der Konvergenz
der Insolvenzverfahren“. Dazu will sie im 4. Quartal 2016 einen „Legislativentwurf über Unternehmensinsolvenzen zur Beseitigung der wichtigsten Hindernisse für den freien Kapitalverkehr“ vorlegen (Dokument COM
[2015] 468 final, S. 35, S. 28, [Bezugnahme auf die Empfehlung der Kommission v. 12.3.2014, Dokument C [2014] 1500 final]). Zu Einzelheiten
siehe in dem Begleitdokument „Economic Analysis“, S. 73 ff. Der Kommission geht es um (mehr) Harmonisierung der nationalen Regelwerke. Die
Einzelheiten bleiben abzuwarten.
62„Cette procédure est destiné à faciliter la reorganization de l’entreprise
afin de permettre la poursuite de l’activité économique, le maintien de
l’emploi et l’apurement du passif“, Art. L 620-1 CC.
63 S. zu deren beiden Varianten nach dem Decreto Legislativo 270/1999 und
dem „Legge Marzano“ 39/2004 bei Kindler/Conow, Italien, Rn. 273 ff., in:
Kindler/Nachmann, Handbuch Insolvenzrecht in Europa (Stand: 11/2009).
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