Denn jeder von uns könnte an ihrer Stelle sein

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LAND A LEIT
Samstag/Sonntag,
19./20. März 2016
Der Lauf des Lebens
RELAIS POUR LA VIE Heute und morgen in der „Coque“
Am Wochenende findet die 11. Ausgabe des „Relais pour la vie“ der „Fondation Cancer“ statt. Vereine, Schulen, Unternehmen und andere
Mannschaften laufen in der Arena der hauptstädtischen Coque, um ihre Solidarität mit Krebskranken zu bezeugen und Krebsopfern zu
gedenken.
(Foto: Tageblatt-Archiv/François Aussems)
„Denn jeder von uns könnte an ihrer Stelle sein“
FRAUENRECHTE Der Leidensweg weiblicher Flüchtlinge endet nicht (immer) in Europa
Laura Tomassini
Jedes Jahr wird weltweit ein
Tag dem weiblichen
Geschlecht gewidmet. Auch
2016 stand der 8. März wieder
ganz im Zeichen der Frau.
Das Informationsbüro des
Europäischen Parlaments und
der Nationale Frauenrat
haben zu diesem Anlass eine
Konferenz organisiert.
LUXEMBURG „Heute leben wir
in einer schönen Situation, denn
wir mussten noch nie für unsere
Rechte kämpfen. Wir dürfen jedoch nie den Weg unserer Mütter
vergessen, und woher wir kommen.“ Mit diesen Worten leitete
Familien- und Integrationsministerin Corinne Cahen die Konferenz „Femmes réfugiées – un chemin
semé
d’embûches
et
d’espoir“ am vergangenen Donnerstagabend ein. Thema im
„Alen Tramsschapp“ in Luxemburg-Stadt war die aktuelle Mi-
grationskrise – diesmal jedoch
aus einem weiblichen Blickwinkel. Jeder von uns könne in die
Situation eines Flüchtlings geraten, meinte Cahen, und besonders als Frau sei man sehr verwundbar.
Ennas Al Sharifi ist selbst eine
derer, die es bis nach Luxemburg
geschafft haben. „In meiner Heimat gibt es keine Lösungen und
keine Rechte“, berichtete die
Journalistin aus dem Irak den
zahlreich erschienenen Zuhörern. Gemeinsam mit ihrem
Mann und 53 weiteren Flüchtlingen erreichte sie vergangenes
Jahr in einem Plastikboot die
griechische Küste. Selbst hat sie
keine Form von sexueller Gewalt
erlebt, nicht so viele andere.
Die ägyptische Frauenrechtsaktivistin Kholoud Saber weiß von
dem Schicksal, welches viele
Mädchen und Frauen unterwegs
und sogar noch in Europa erwartet. „Es gibt drei Arten sexueller
Gewalt bei Flüchtlingen: Als ers-
Chancengleichheit in der
Escher Gemeinde
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te die Übergriffe in Kriegsgebieten. Man geht von 1.500 Frauen
aus, die allein 2014 in der Arabischen Region als Sexsklavinnen
gehandelt wurden“, berichtete
Kholoud.
Sexuelle Übergriffe
in Empfangslagern
Als zweite nannte sie die sexuelle
Gewalt in Transitionsländern und
auf dem Weg der Flüchtlinge. Die
dritte spielt sich an den Orten ab,
an denen sich die Menschen eigentlich endlich in Sicherheit wägen sollen. „Berichte des UN-Sicherheitsrates zeigen, wie viel Gewalt und sexuelle Übergriffe es in
Flüchtlingslagern durch Personal,
Freiwillige und andere Migranten
gibt“, so Kholoud.
Ursachen hierfür seien u.a. die
große Ungleichheit zwischen Geschlechtern, die in vielen arabischen Kulturkreisen auch heute
Mit Schafsinn
Schäferei Weber / S. 63
noch herrsche, sowie mangelnde
Privatsphäre und Übersichtlichkeit in den Camps.
„Es geht darum, einen Mittelweg zwischen dem Respekt vor
der Kultur der Menschen und
dem vor den hier in Europa geltenden Rechten eines jeden zu
finden“, erklärte die gebürtige
Ägypterin. Opfer eines sexuellen
Übergriffes müssen neben Traumata aus ihrem Leben in der politisch instabilen Heimat auch
noch die des hier Erlebten bewältigen. „Das Ausmaß dessen, was
Frauen erdulden müssen, ist unbegreiflich“, bestätigte ebenfalls
die Präsidentin des Nationalen
Frauenrats, Janine Reuland.
Neben Cahen, Al Sharifi, Saber
und Reuland hatten sich am
Donnerstagabend ebenfalls Europaabgeordnete Mady Delvaux,
Soziologieprofessor Smaïn Laacher sowie Syrierin Zina Menhal
im „Tramsschapp“ eingefunden,
um über die sensible Thematik zu
diskutieren. Bei einem waren sie
sich alle einig: Besseren Schutz
geflüchteter Frauen erreiche man
nur durch einen viel offeneren
Umgang mit dem Problem. Mehr
Anlaufstellen für Berichte, spezifischere Information der Flüchtlinge über ihre individuellen
Rechte, professionellere psychologische Betreuung. Und auch
wenn es noch viel zu tun gibt,
Kholoud Saber ist sicher: „Obwohl eine schnelle Veränderung
unrealistisch ist, so macht doch
jeder Versuch, den Frauen bei
der Überwindung ihres Traumas
zu helfen, einen Unterschied.“
Fotoausstellung
„Displaced: Women Refugees and Asylum Seekers
in the EU“ von Marie Dorigny zeigt den Weg weiblicher Flüchtlinge noch bis
zum 1. Juni im Parlamentarium in Bildern.
Notlösung für Blitzer
auf der B7
S. 68
Persönlich erstellt für: asbl asti
Tageblatt