Wie Iran die Erdölmärkte bewegt Eine Aufhebung der Sanktionen gegen Teheran könnte kurzfristig das Erdölangebot steigern Wenn die Atomverhandlungen mit Iran zu einem Ende kommen und die Sanktionen aufgehoben werden, könnte dies den Druck auf die Erdölpreise verstärken. Auf starke Exportsteigerungen Irans wird der Erdölmarkt aber lange warten. Gerald Hosp, London Der Verhandlungsverlauf zwischen Iran sowie den Uno-Vetomächten und Deutschland in Lausanne ist auch am Erdölmarkt zu spüren. Eine abermalige Schwäche des Preises für die Nordsee-Ölsorte Brent in den vergangenen Tagen wird unter anderem auf Fortschritte in den Gesprächen um das iranische Atomprogramm und die mögliche Aufhebung von Sanktionen zurückgeführt. Der Fahrplan lautet, dass bis Ende März eine Grundsatzeinigung vorliegen sollte, die im Juni in ein endgültiges Abkommen münden würde. Derzeit ist aber noch alles möglich - auch ein Abbruch der Verhandlungen. Am Erdölmarkt wird aber schon darüber spekuliert, was passiert, wenn Teheran wieder ohne Einschränkungen Erdöl exportiert. Tendenziell führt eine Einigung zu mehr Angebot in einem ohnehin gut versorgten Ölmarkt. Technik und Diplomatie Der iranische Ölminister Bijan Zanganeh sagte vor kurzem, dass das Land nach Aufhebung der Sanktionen in wenigen Monaten zusätzlich 1 Mio. Fass pro Tag exportieren könne. Derzeit führt der Staat, der Mitglied der Organisation erdölexportierender Länder (Opec) ist, laut Schätzungen von Energy Aspects, einem Beratungsunternehmen, 1,05 Mio. Fass Rohöl pro Tag aus. Abnehmer sind vor allem China, Japan, Südkorea und Indien, die Ausnahmeregelungen von den USA erhalten haben. Die Menge sank in der vergangenen Zeit auch deswegen, weil Indien Raffinerien dazu aufgerufen hatte, Einkäufe auf das nächste fiskalische Jahr, das im April beginnt, zu verschieben. Die Angaben des iranischen Ölministers sind aber mit Vorsicht zu geniessen, denn kurz- und mittelfristig scheint es, dass die Kapazitäten für eine erhöhte Förderung nicht vorhanden sind. Vor den Sanktionen 2012 förderte Teheran rund 3,6 Mio. Fass täglich. Beobachter wie Energy Aspects oder der Fachdienst JBC Energy gehen davon aus, dass Iran derzeit in der Lage ist, 3,1 Mio. Fass am Tag an die Oberfläche zu bringen. Damit würde die Produktion aber nur um rund 250 000 Fass im Vergleich mit dem derzeitigen Fördervolumen erhöht werden. Wie schnell die Produktion auf das Niveau, das vor den Sanktionen erreicht wurde, gehoben werden kann, ist Gegenstand von Spekulationen. Viele Beobachter gehen aber von mehreren Monaten aus, bevor die Förderung stark gesteigert wird. Die Produktion kann auf alle Fälle nicht wie ein Wasserhahn auf- und zugedreht werden. Je nachdem, wie sorgfältig der Produktionsrückgang bewerkstelligt wurde, kann die Förderung unterschiedlich schnell fortgesetzt werden. Neben den technischen Hürden gibt es noch diplomatische: Die Sanktionen würden formell erst Ende Juni aufgehoben werden, wenn der Fahrplan eingehalten wird. Voraussichtlich werden aber auch im für Iran günstigsten Fall nicht alle Einschränkungen sofort beseitigt, zumal in den Vereinigten Staaten noch der Kongress einer dauerhaften Aussetzung der Sanktionen zustimmen müsste. Schneller dürften der Importbann der EU für iranisches Rohöl und Massnahmen der UN abgeschafft werden. Dennoch könnte Iran schon kurzfristig nach der Aufhebung von Sanktionen die Erdölmärkte beeinflussen, auch wenn noch nicht mehr Öl gepumpt wird. Derzeit sollen zwischen 7 Mio. Fass und 35 Mio. Fass Rohöl in Super-Tankern lagern, die bisher keine Käufer gefunden haben. Wenn diese Vorräte geleert werden, würden die Exporte zumindest für kurze Zeit erhöht werden. Der Unterschied in den Schätzungen zeigt aber schon, wie unsicher der Effekt ist. Zudem ist unklar, ob Teheran auch zu den gegenwärtig niedrigen Preisen verkaufen möchte. Notwendige Investitionen Wenn das Land mit den viertgrössten - konventionellen - Erdölreserven der Welt die Produktionsmenge halten oder stark ausweiten möchte, ist es auf Kapital und Technologie aus dem Ausland angewiesen. Neben den politischen Spannungen zwischen Teheran und dem Westen liess auch ein unattraktives Investitionsregime ausländische Unternehmen um Iran einen Bogen machen. Unter Minister Zanganeh, der bereits eine lange Erdölkarriere hinter sich hat, sollen die Lizenzbestimmungen für die Erdölkonzerne verbessert worden sein. Auf eine erste Rückkehr der grossen Unternehmen ist aber frühestens nächstes Jahr zu rechnen. Neue Zürcher Zeitung, 26. März 2015, Nr. 70, Seite 29
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