Z E I T U NG F Ü R D E U T S C H LA N D Samstag, 4. April 2015 · Nr. 79 / 14 D 2 Internationale Empörung über Anschlag in Kenia F.A.Z. FRANKFURT, 3. April. Der Anschlag der islamistischen Terrorgruppe Al Shabab auf eine Hochschule in Kenia, bei der 147 Studenten getötet wurden, ist international auf Empörung gestoßen. Das amerikanische Außenministerium sprach von einem „feigen Attentat“, in London wurde der Angriff als „barbarisch“ bezeichnet. Außenminister Frank-Walter Steinmeier zeigte sich am Freitag „bestürzt über den furchtbaren Terroranschlag“. Am Donnerstag hatten vier Shabab-Kämpfer die Hochschule in der im Nordosten gelegenen Stadt Garissa gestürmt. Zunächst töteten sie Dutzende Studenten mit Handgranaten und automatischen Waffen. Anschließend nahmen sie viele weitere als Geiseln. Dabei trennten sie christliche von muslimischen Studenten. Insgesamt wurden nach offiziellen Angaben 147 Menschen getötet und 79 verletzt. Bei der Erstürmung des Geländes durch Soldaten am Abend sprengten sich die Terroristen durch das Zünden von Sprengstoffwesten selbst in die Luft. Von 815 Studenten, die sich auf dem Gelände befanden, gelang mehr als 500 die Flucht. Vor der Tat hatten die kenianischen Behörden Hinweise auf Anschlagsplanungen erhalten. Präsident Uhuru Kenyatta kündigte an, zehntausend Sicherheitskräfte, die derzeit ausgebildet werden, direkt in den Polizeidienst zu übernehmen. (Siehe Seite 5; Kommentar Seite 10.) Heute HERAUSGEGEBEN VON WERNER D’INKA, JÜRGEN KAUBE, BERTHOLD KOHLER, HOLGER STELTZNER Er ist auferstanden Trügerische Sicherheit Von Peter-Philipp Schmitt r war es. Daran besteht nach Auswertung der zweiten Blackbox E kein Zweifel mehr. Der Kopilot hat Ostern – Alle Jahre wieder schlägt der Weihnachtstrubel hohe Wellen. Da kann es nicht schaden, daran zu erinnern, dass Ostern das älteste und eigentlich wichtigste Fest der Christenheit ist. Es erinnert an den Ursprung des christlichen Glaubens, die Auferstehung Jesu nach seinem Leiden und Sterben am Kreuz. Der Künstler Matthäus Merian der Ältere hat sich diese Szene in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges so vorgestellt wie hier dargestellt. Heutzutage leiden Christen unter anderem im Irak, wie Seite 3 zeigt. Die Redaktion wünscht allen Lesern ein frohes Osterfest. Foto epd Sechs Jahre Krise haben die Griechen mürbe gemacht. Chance für Reformen? Die Geldautomaten arbeiten noch. Wirtschaft, Seiten 21 bis 23 Die antisemitische Karte Natürlich rügt Marine Le Pen manche Position ihres Vaters. Dem Front National schadet das Rollenspiel nicht. Politik, Seite 4 Trotz Peitschenhieben Wegen Beleidigung des Islams sitzt der saudische Blogger Raif Badawi im Gefängnis. Jetzt gibt es von ihm ein Buch. Feuilleton, Seite 11 Teheran: Eine neue Ära des Respekts beginnt / Israel: Überleben des Staates in Gefahr F.A.Z. FRANKFURT, 3. April. Der amerikanische Präsident Barack Obama hat die Einigung im Atomstreit mit Iran als „historische Übereinkunft“ bezeichnet, zugleich aber Skeptiker im eigenen Land und die wichtigsten Verbündeten in der Region beschwichtigen müssen. In Lausanne hatte sich die Sechsergruppe der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats und Deutschlands mit Teheran nach langen Verhandlungen auf mehrere Eckpunkte verständigt, die eine strenge Beschränkung des iranischen Atomprogramms vorsehen. Zugleich sollen die Sanktionen unter Vorbehalt schrittweise aufgehoben und Iran eine friedliche Nutzung seiner Nukleartechnologie zugestanden werden. Demnach verpflichtet sich Iran, die Zahl seiner Zentrifugen zur Urananreicherung in zehn Jahren von derzeit 19 000 auf 6100 zu reduzieren. Ferner darf Teheran für 15 Jahre nur noch Uran auf 3,67 Prozent anreichern. Die Urananreicherungsanlage von Fordo soll in ein Forschungszentrum umgewandelt werden. Der halbfertige Schwerwasserreaktor von Arak soll so modifiziert werden, dass kein waffenfähiges Plutonium entnommen werden kann. Der iranische Präsident Hassan Rohani nannte die Vereinbarung einen Ausgangspunkt für ein neues Kapitel der internationalen Zusammenarbeit. „Nun beginnt die Ära des Respekts und der Zusammenarbeit mit der Welt“, sagte Ruhani am Freitag im staatlichen Fernsehen. In Teheran kam es zu Freudenkundgebungen auf der Straße. Obama telefonierte in der Nacht zum Freitag mit dem israelischen Ministerpräsiden- ten Benjamin Netanjahu und dem saudischen König Salman. Netanjahu bekräftigte am Freitag Israels ablehnende Haltung mit den Worten: „Dieses Abkommen würde eine große Gefahr für die Region und die Welt darstellen und das Überleben des Staates Israel gefährden.“ König Salman reagierte zurückhaltend. Die staatliche Nachrichtenagentur SPA berichtete, der König habe im Gespräch mit Obama die Hoffnung geäußert, dass auch die später zu erzielende bindende Vereinbarung mit Iran „zu Sicherheit und Stabilität in der Region und in der Welt beitragen wird“. Außenminister Frank-Walter Steinmeier gab zu bedenken, es gebe auch nach der Einigung von Lausanne keine Garantie für ein abschließendes Abkommen. (Siehe Seiten 2 und 10 sowie Wirtschaft, Seite 25.) Vor dem Fracking London will die vielfach kritisierte Methode der Erdgasförderung voranbringen. Und wenn doch etwas schiefgeht? Wirtschaft, Seite 24 Kopilot leitete Sinkflug vorsätzlich ein Technischer Defekt ausgeschlossen / Zweiter Flugschreiber wird ausgewertet mic./oll. PARIS/BERLIN, 3. April. Der Absturz des Germanwings-Flugzeugs in den französischen Alpen ist vorsätzlich vom Kopiloten herbeigeführt worden. Zu diesem Schluss kommen die Ermittler der französischen Luftunfalluntersuchungsbehörde BEA in Paris nach einer ersten Auswertung des zweiten Flugschreibers am Freitag. Der sogenannte Flight Data Recorder war am Donnerstag an der Absturzstelle bei Seyne-les-Alpes unter Schutt und Flugzeugtrümmern gefunden worden. Die in dem Flugschreiber gespeicherten Daten über Flughöhe, Geschwindigkeit und Kurs weisen darauf hin, dass der Sinkflug bewusst eingeleitet wurde. Der Kopilot soll nach jüngsten Erkenntnissen den Autopiloten so eingestellt haben, dass das Flugzeug auf etwa 30 Meter hinuntergeht. Während des Sinkflugs änderte er wiederholt die Einstellungen des Autopiloten, um die Geschwindigkeit zu erhöhen. Der Airbus mit 150 Menschen an Bord war mit einer Geschwindigkeit von umgerechnet 700 Stundenkilometern gegen einen Berghang geprallt. Die französische Behörde teilte mit, die genaue Analyse des Flugdatenschreibers werde voraussichtlich mehrere Tage in Anspruch nehmen. Bislang bestätigten die Erkenntnisse jedoch die These der vorsätzlichen Tötung, die zunächst nur auf der Auswertung des Flugstimmenrekorders gründete. Ein technischer Defekt des Flugzeugs oder Handlungsunfähigkeit des Kopiloten werden inzwischen ausgeschlossen. Nach Angaben der Ermittler in Düsseldorf suchte der Kopilot kurz vor der Katastrophe im Internet nach medizinischen Behandlungsmethoden, SuizidMöglichkeiten und nach Informationen über die Sicherheit von Cockpittüren. Das ergab die Auswertung eines Computers, der in der Düsseldorfer Wohnung des Kopiloten gefunden wurde. Derweil kündigte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) am Donnerstag in Berlin an, eine neu eingerichtete Arbeitsgruppe solle über veränderte Regeln zur festen Verriegelung der Cockpittüren beraten sowie über weitere medizinische und psychologische Tests für Piloten. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) brachte unterdessen eine Ausweispflicht für Passagiere auch auf innereuropäischen Flügen ins Gespräch. (Siehe Deutschland und die Welt.) Zhou Yongkang formell angeklagt Houthi-Vormarsch in Aden gestoppt Unternehmen stellen kräftig ein Özdemir: Griechenland muss in Eurozone bleiben P.K. PEKING, 3. April. In China ist gegen ein ehemaliges Mitglied des innersten Führungszirkels der Kommunistischen Partei Anklage erhoben worden. Zhou Yongkang werden Korruption, Machtmissbrauch und der Verrat von Staatsgeheimnissen zur Last gelegt. Der Fall sei an ein Gericht in Tianjin verwiesen worden, teilte die Oberste Staatsanwaltschaft am Freitag mit. Vorausgegangen waren Ermittlungen der parteiinternen Disziplinarkommission. Zhou gilt als Widersacher von Präsident Xi Jinping. (Siehe Seite 5.) mrb. KAIRO, 3. April. Den Houthi-Rebellen ist es trotz andauernder Luftangriffe der saudisch geführten Allianz gelungen, sich in der südjemenitischen Stadt Aden festzusetzen. Sie wurden in der Nacht zum Freitag aus dem Sitz des Präsidenten vertrieben, waren aber nach Augenzeugenberichten noch in Teilen des Zentrums präsent. Der entmachtete Präsident Abd Rabbo Mansur Hadi war vor den von Iran unterstützten Houthi aus Sanaa nach Aden geflohen und hat die Hafenstadt zur neuen Hauptstadt erklärt. Die chinesische Marine brachte derweil nach Angaben des Außenministeriums 225 Ausländer aus dem Jemen, unter ihnen auch Deutsche. Die Aktion sei „sehr riskant“ gewesen, hieß es von Diplomaten. (Siehe Seite 5.) F.A.Z. FRANKFURT, 3. April. Von Januar bis März haben deutsche Unternehmen mehr neue Stellen geschaffen als im gesamten Jahr 2014. Nicht nur die gute Konjunktur, auch der Wandel zur digital vernetzten Industrie steigert den Bedarf. Viele Stellen können zurzeit nicht besetzt werden. (Siehe Wirtschaft, Seite 30.) hig. FRANKFURT, 3. April. Die Grünen wollen einer Verlängerung der Hilfsmaßnahmen für Griechenland zustimmen, sobald die griechische Regierung Anzeichen von Reformbereitschaft erkennen lässt. Das sagte der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir im Gespräch mit dieser Zeitung. Ein Ausscheiden der Griechen aus der Währungsunion lehnte er jedoch ab, weil die Risiken zu hoch seien. „Die Krise wäre wieder da, das Vertrauen in die Eurozone weg“, sagte Özdemir. Weil Griechenland langfristig ökonomische Probleme haben werde, plädiere er für eine finanzielle Unterstützung. Man müsse den Deutschen erklären, dass sich ein Länderfinanzausgleich für Griechenland lohne. (Siehe Wirtschaft, Seite 21.) Trüffelöl fürs Peloton Der Radsport bietet Sponsoren eine attraktive Rendite. Und Doping-Fälle könnten sogar nützlich sein. Sport, Seite 40 Yes, we can Ohne Fremdsprachenkenntnisse läuft in der Karriere wenig. Wie erfolgreich sind die diversen Lernmethoden? Beruf und Chance, Seite C 1 Briefe an die Herausgeber Seite 34 4<BUACUQ=eachaf>:r;l;V;m;Z An unsere Leser: Wegen der Osterfeiertage erscheint die nächste Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am Dienstag, 7. April. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung kommt am 5. April heraus. Aktuelle Nachrichten und Berichte finden Sie während der Feiertage im Internet unter www.faz.net. willentlich den Germanwings-Flug 9525 abstürzen lassen und 149 Menschen ermordet. Auch wenn in den nächsten Wochen noch weitere Erkenntnisse zu erwarten sind – in Haarproben des Toten ließe sich etwa feststellen, ob er über lange Zeit Antidepressiva eingenommen hat –, so werden die Beweggründe von Andreas Lubitz vermutlich für immer im Unklaren bleiben. Auch die Frage, ob Familie, Freunde, Ärzte oder Kollegen seine Absichten hätten erkennen können und vor ihm hätten warnen müssen, wird wohl unbeantwortet bleiben. Der Bedarf an Piloten ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Es gibt Hunderte Flugzeugführer in der Luft, die bei weitem nicht so gut ausgebildet sind, wie dieser Kopilot es war. Doch obwohl die Anforderungen an eine Ausbildung bei der Lufthansa hoch und die Eignungstests für gut 90 Prozent der Bewerber unüberwindbar sind – letztlich hat das System Lufthansa versagt. Es beruht auch und vor allem auf der Annahme, dass Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH; Abonnenten-Service: 0180 - 2 34 46 77 (6 Cent pro Anruf aus dem dt. Festnetz, aus Mobilfunknetzen max. 42 Cent pro Minute). Briefe an die Herausgeber: [email protected] Belgien 3,60 € / Dänemark 28,50 dkr / Frankreich, Griechenland 3,60 € / Großbritannien 3,10 £ / Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande 3,60 € / Österreich 3,60 € / Portugal (Cont.) 3,60 € / Schweiz 5,00 sfrs / Slowenien 3,60 € / Spanien, Kanaren 3,60 € / Ungarn 970 Ft F. A. Z. im Internet: faz.net ein Pilot von klein auf vom Fliegen träumt und sich nichts sehnlicher wünscht, als vier goldene Streifen am Ärmel zu tragen. Welcher Kapitän, so dachte man, würde diesen Traumjob mit seinem traumhaften Gehalt schon aufs Spiel setzen? Heute wissen wir, dass die Lufthansa sich damit in einer trügerischen Sicherheit wiegte. Niemand kann in den Kopf eines Menschen hineinschauen. Selbst eine schwere Depression lässt sich im Alltag verbergen, schon gar, wenn man weiß, dass die Diagnose das berufliche Aus bedeutet. Der Kopilot war äußerlich gesund, er musste seine körperliche Fitness zuletzt im Sommer den Ärzten seines Arbeitgebers beweisen. Sein psychischer Zustand aber wurde wie bei allen Lufthansa-Piloten seit der Ausbildung nicht mehr genauer geprüft. Die Fluggesellschaft verlässt sich auf ihre Mitarbeiter und hofft, dass auffälliges Verhalten gemeldet wird. Diese vermeintliche „Vorsorge“ wird intern aber oft als „Denunziation“ abgelehnt und reicht offensichtlich nicht aus, um eine psychische Störung rechtzeitig zu erkennen. Ob ein Psychologe bei einer Routineuntersuchung erkannt hätte, dass dieser Pilot eine Gefahr darstellte, lässt sich im Rückblick nicht mit Gewissheit sagen. Ratsam wäre der regelmäßige geschulte Blick auf die ansonsten ja fast unantastbare Kaste der Piloten trotzdem. Zwiespältiger Handel Von Nikolas Busse ach den langen und offenbar zähen Verhandlungstagen in LauN sanne ist eines gewiss: Alle Beteilig- Obama lobt „historische“ Übereinkunft mit Iran Alles egal in Athen? 2,70 € D 2954 A ten wollen ein Abkommen, um den Streit über das iranische Atomprogramm zu beenden. Das ist in der mehr als zehnjährigen Geschichte dieser Auseinandersetzung eine einmalige Konstellation. In der Vergangenheit fehlte oft der politische Wille zum Vertragsabschluss. Das galt vor allem für die iranische Seite, welche die Verhandlungen immer wieder für taktische Spielchen missbrauchte. Auch in den Vereinigten Staaten hatte man lange kein wirkliches Interesse an einem Kompromiss. Wie sehr sich das geändert hat, lässt sich daran ablesen, dass die Außenminister der beiden Länder den Schweizer Tagungsort keine Minute verließen, ganz im Gegensatz zu anderen Teilnehmern. Die Regierungen in Washington und Teheran wollen ein Abkommen, daran besteht nun kein Zweifel mehr. Trotzdem ist die Sache noch nicht unter Dach und Fach. Die Eckpunkte von Lausanne stehen wieder unter dem Vorbehalt, dass „nichts vereinbart ist, bis alles vereinbart ist“. Das ist mehr als eine diplomatische Floskel. Kerry, Zarif und die anderen Minister haben in den vergangenen Tagen wichtige Grundzüge eines möglichen Abkommens erarbeitet. An entscheidenden Stellen weisen sie aber noch Lücken auf. Eine davon ist die Frage, wie technisch gewährleistet werden kann, dass Iran im Falle eines Vertragsbruchs tatsächlich mindestens ein Jahr brauchte, um eine Atombombe zu bauen. Auch die Einzelheiten über die künftige Überwachung der iranischen Atomanlagen sollten wasserdicht geregelt sein. Iran hat die Staatengemeinschaft zu oft hinters Licht geführt. Hier gilt wirklich der Grundsatz, dass Vertrauen gut, Kontrolle besser ist. Bis Ende Juni wird sich außerdem zeigen, ob in Amerika und Iran substantielle Zugeständnisse an die heimischen Kritiker notwendig sind. In Teheran scheint das derzeit weniger wahrscheinlich als in Washington, weil der religiöse Führer die Verhandlungen stützt. Präsident Obama hat es dagegen mit einer über den Verhandlungsgegenstand hinausgehenden Fundamentalkritik der Republikaner an seiner Außenpolitik zu tun. Sie dürften weiter versuchen, ihm im Kongress Steine in den Weg zu legen. Die starke verfassungsrechtliche Stellung des Präsidenten wird es seinen Gegnern allerdings schwer, wenn nicht unmöglich machen, einen Vertragsabschluss mit Iran zu hintertreiben. Kann Ende Juni tatsächlich ein Abkommen unterschrieben werden, dann wäre das vor allem ein Fortschritt für die nukleare Rüstungskontrolle. Um die war es in jüngster Zeit nicht allzu gut bestellt. Die Zahl der Atommächte hat sich durch die Bewaffnung Indiens, Pakistans und Nord- koreas von sechs auf neun erhöht. Das ist zwar immer noch nicht viel, hat aber allen anderen potentiell interessierten Ländern gezeigt, dass man mit etwas Glück und Geschick durchaus an eine Atombombe gelangen kann. Gelänge es nun, die nuklearen Ambitionen Irans auf absehbare Zeit einzugrenzen, dann wäre das nicht nur ein Schutz vor einem atomaren Wettrüsten in Nahost, sondern auch ein wichtiges Signal, dass die Nichtverbreitungspolitik noch am Leben ist. Das ist einer der Gründe, warum Russland, China und Amerika, deren Verhältnis zunehmend von einer scharfen Großmachtkonkurrenz geprägt ist, in diesem einen Dossier zusammenarbeiten. Sie eint das Interesse, das nukleare Oligopol möglichst klein zu halten. Ein Abkommen mit Iran könnte die Atombombe verhindern. Politisch wäre es kein Neuanfang. Zwiespältiger dürften die Folgen eines Abkommens für die Krisenherde der Region sein. Die Verhandlungen sind überhaupt nur so weit gediehen, weil diese ausgeklammert wurden. Auf den diversen konventionellen Schauplätzen bleiben Iran und Amerika Partner wider Willen (Irak, Syrien) oder offene Rivalen (Jemen), und daran wird sich vorerst nichts ändern. Die israelische Kritik an den Verhandlungen mag im Ton und in den Erwartungen manchmal überzogen sein, enthält aber einen wahren Kern: Wenn die Sanktionen gegen Iran aufgehoben würden, dann gewönne das Teheraner Regime neue wirtschaftliche Kraft, die es für sein Ringen mit Saudi-Arabien um die regionale Vorherrschaft und für seine Allianzen gegen Israel nutzen kann. So ist die Begrenzung des Abkommens auf die nuklearen Aspekte auch eine seiner Schwächen. Es könnte, sofern es beachtet würde, eine iranische Atombombe verhindern; eine Grundlage für einen umfassenden politischen Neuanfang zwischen Iran und der westlichen Welt wäre damit nicht geschaffen. Eine solche mag während der langen Vertragslaufzeit vielleicht entstehen, zwingend ist das aber nicht. Obama hat die seit Jahrzehnten belasteten Beziehungen zu Iran schon vor seiner Amtszeit als ein zentrales Feld betrachtet, auf dem er sich von den konfrontativen Methoden seines Vorgängers absetzen kann. An anderen strategisch wichtigen Orten ist er damit nicht sonderlich erfolgreich gewesen. Der „Neustart“ mit Russland misslang, aus dem Irak ist er zu früh abgezogen, auf die Arabellion reagierte er zu zögerlich. Iran scheint neben Kuba der einzige Fall zu sein, in dem Obama Amerikas Außenpolitik tatsächlich eine neue Richtung geben könnte.
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