Länderindex Familienunternehmen: Deutschland nur mittelmäßig

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Prof. Dr. Friedrich Heinemann leitet den Forschungsbereich Öffentliche
Finanzwirtschaft am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW)
in Mannheim und lehrt Volkswirtschaftslehre an der Universität Heidelberg.
Im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen hat er mit seinem Team
die Studie Länderindex Familienunternehmen erarbeitet.
Für den HAUPTSTADTBRIEF stellt er deren Ergebnisse vor.
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Deutschland ist lediglich
ein mittelmäßiger Standort
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Still sitzen war gestern – heute ist
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Der Länderindex Familienunternehmen gießt Wasser in den Wein
der deutschen Standort-Euphorie | Von Friedrich Heinemann
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Die größten wirtschaftspolitischen Fehler werbedeutsamen Standortvoraussetzungen in
den in ökonomisch starken Zeiten gemacht. In
Deutschland mit denen von 15 Wettbewerbern
Jahren niedriger Arbeitslosigkeit, eines kräftigen (13 EU-Staaten, Schweiz und USA) vergleicht.
Kapitalzustroms und guter Konjunktur betrachten Politik und Wähler den eigenen Standort
Und dieser Länderindex bietet mit Blick auf die
durch die rosarote Brille. Diese Euphorie macht
Standortbedingungen in Deutschland keinesleichtsinnig und begünstigt Fehlentscheidungen. wegs Anlass zur Euphorie. Ganz im Gegenteil:
Genau dieses Muster könnte sich nun mit Blick
Die Bundesrepublik Deutschland führt mit Rang
auf die Politik der Großen Koalition 2013-2017
12 gerade einmal das hintere Drittel an und
wiederholen, die mit höheren Rentenleistungen
konnte ihre Position zwischen 2012 und 2014
(Mütterrente, Rente mit 63) oder neuen Regunicht verbessern. Es sind neben der Schweiz
lierungen (Mindestlohn,
und den Niederlanden
Von
sich
selber
Zeitarbeit) Staatsfinandie skandinavischen
zen und Unternehmen
und angelsächsischen
und von anderen
gegenwärtig hohe neue
Staaten, welche die erste
geradezu als ‚Kraftprotz’
Zukunftslasten aufbürdet.
Hälfte der Rangplätze
wahrgenommen,
besetzen. Allerdings
Langfristig ausgerichtete
beziehen sich die Bewerist bei nüchterner
Standort-Rankings können
tungen des Top-Standorts
Analyse das Ergebnis
helfen, zu einer selbstSchweiz noch auf die
weniger berauschend.
kritischeren Bewertung
Situation vor dem „Frander Standortqualitäten
ken-Schock“, der aktuell
zu kommen und dieser Selbstüberschätzung
die Attraktivität der Schweiz über eine Verminentgegenzuwirken. Genau dies ist das Ziel des
derung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit
Länderindex der Stiftung Familienunternehmen,
geschmälert haben dürfte. Trotzdem ist der
der nun vom ZEW im Auftrag der Stiftung FamiBefund enttäuschend: Deutschland, das im Licht
lienunternehmen zum fünften Mal berechnet
der Euro-Krise derzeit im europäischen Verworden ist. Der Index unterscheidet sich von
gleich von sich selber und von anderen geradezu
anderen Standort-Rankings dadurch, dass er
als „Kraftprotz“ wahrgenommen wird, ist bei
von der Perspektive großer Familienunternehnüchterner Analyse für große Familienuntermen ausgeht und die für diese Unternehmen
nehmen lediglich ein mittelmäßiger Standort.
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30 DER HAUPTSTADTBRIEF
DER HAUPTSTADTBRIEF 31
jedenfalls attraktiver. Und drittens wird Deutschland heute auf dem Feld der Regulierung etwas
besser als vor Jahren bewertet. Dies kann als
Spätfolge der Hartz-Reformen bewertet werden.
Es sind neben der Schweiz und den Niederlanden die skandinavischen und angelsächsischen Staaten,
welche die erste Hälfte der Rangplätze besetzen. Italien ist einsames Schlusslicht –
für Investoren gänzlich unattraktiv.
Quelle: ZEW | Infografik: MZ © DER HAUPTSTADTBRIEF 2015
Veränderung im Punktwert des Länderindex’ zwischen 2012 und 2014
Messbare Fortschritte waren auf drei Feldern
zu verzeichnen und erklären auch die deutliche
32 DER HAUPTSTADTBRIEF
+2,90 +2,78
+2,75
+3,00
+2,45
+2,00
+2,00
+1,76 +1,73 +1,68
+1,50
+1,30
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+1,00
+0,61 +0,51
+0,08
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an
Gemessen an den Indikatorpunkten konnte in dem Zeitraum der zwei Jahre
von 2012 bis 2014 Irland eine stärkere Steigerung seiner Standortqualitäten
als Deutschland realisieren. Frankreich fällt dramatisch zurück.
Quelle: ZEW
-0,39 -0,41
-0,76
-1,00
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Verbesserung Deutschlands beim Punktwert
des Indikators. Erstens haben deutlich erhöhte
PISA-Bildungs-Indikatoren zu einer günstigeren Bewertung des deutschen Humankapitals
geführt. Deutschland hat sich im OECD-weiten
Bildungsvergleich seit dem „PISA-Schock“ der
ersten Bewertung deutlich nach vorne geschoben. Zweitens liegt Deutschland mit der Schweiz
heute ganz vorne, was die Finanzierungsbedingungen anbelangt. Unternehmen mit guter
Bonität können ihre Investitionen in Deutschland
so günstig wie nie zuvor finanzieren. Die historische Niedrigzinsära mag auf anderen Feldern
erhebliche Probleme, etwa für Sparer und Altersvorsorge, mit sich bringen. Im Standort-Ranking
macht sie Deutschland als Investitionsstandort
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Wie erklärt sich nun dieser Widerspruch?
Zunächst einmal ist dazu wesentlich, dass der
Länderindex Familienunternehmen eine umfassende Beurteilung von Standorteigenschaften
vornimmt. Einbezogen werden eine Vielzahl von
Indikatoren, die unter den Überschriften „Steuern“, „Arbeitskosten, Produktivität, Humankapital“, „Regulierung“, „Finanzierung“, „Öffentliche
Infrastruktur“ und „Energie“ gruppiert werden.
Und in dieser differenzierten Betrachtung wird
rasch erkenntlich, dass die objektiven Fortschritte des deutschen Standorts in den letzten
Jahren sich nur auf Teilbereiche beziehen.
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33,75
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Irland hat sich enorm gesteigert
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16. 14.
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12. 12.
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47,59
44,69
11. 11.
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fotolia/ijacky
Hingegen ist auf den anderen vom Länderindex abgedeckten Feldern keine Verbesserung
Kritiker solcher Standort-Rankings mögen einzu verzeichnen oder es deuten sich sogar Verwenden, dass die große Anzahl erfolgreicher
schlechterungen an:
FamilienunternehWenn sich der Abstieg
Dies gilt erstens für den
men hierzulande im
Bereich der Besteuerung,
Widerspruch zu dieser
Frankreichs und Italiens
wo nach der Unternehmittelmäßigen Standfortsetzt,
ist
dies
eine
mensteuerreform von
ortbewertung steht.
für die Eurozone insgesamt
2008 keine weiteren
Dieser Einwand kann
steuerpolitischen
bei näherer Analyse
gefährliche Entwicklung.
Impulse mehr erfolgt
kaum überzeugen. Denn
sind. Diese Passivität führt in einem Umfeld,
die Stärke dieses Sektors ist historisch bedingt
in dem konkurrierende Standorte beständig an
und rührt aus einer Ära her, in der Familienunihrer Steuerpolitik arbeiten, zu einer relativen
ternehmen nur eine geringe Standortmobilität
Verschlechterung. Zweitens wachsen die Zweiaufgewiesen haben. Diese Ära der Immobilität ist
fel an der Qualität der deutschen Infrastruktur.
jedoch unwiderruflich vorbei, und große FamilienZwar ist im Länderindex noch keine akute Verunternehmen bewerten die Standortfrage spätesschlechterung zu verzeichnen, der Abstand in der
tens bei jeder Investitionsentscheidung neu. Die
Beurteilung zur skandinavischen Spitzengruppe
mittelmäßige Positionierung Deutschlands wirft
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47,70
45,70
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50,38
49,77
50,88
47,14
51,15
49,66
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52,19
49,41
52,68
53,09
54,31
54,48
55,18
53,50
59,04
56,59
60
59,82
58,52
Das Gesamtbild zeigt Deutschland im hinteren Mittelfeld des Länderindex’
De
Die Schweiz verteidigt ihren Spitzenplatz
wird allerdings größer. Und drittens bleibt es bei
einer relativ ungünstigen Platzierung im Bereich
Energie: Zwar ist die Versorgung (derzeit noch)
weitgehend störungsfrei, dem stehen aber im
vergleichsweise hohe Energiepreise gegenüber.
| Infografik: MZ © DER HAUPTSTADTBRIEF 2015
DER HAUPTSTADTBRIEF 33
Klemens Ortmeyer
Große Familienunternehmen bewerten die Standortfrage bei jeder Investitionsentscheidung neu. Die mittelmäßige Positionierung Deutschlands wirft die Frage auf, ob auch in Zukunft noch neue Arbeitsplätze in Deutschland entstehen werden,
wie das bisher der Fall war. Im Bild die 1993 entstandene moderne Produktionshalle des Familienunternehmens Wilkhahn
in Bad Münder am Deister.
somit erhebliche Fragen auf, ob eine Expansion
dieses Sektors tatsächlich sich auch in Zukunft
noch in neuen Arbeitsplätzen und Wirtschaftswachstum in Deutschland niederschlagen wird.
Beunruhigend ist zudem, dass die Politik im
aktuellen Stand aus offenkundiger Selbstüberschätzung heraus die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit aus den Augen verliert. Neben
den erwähnten Weichenstellungen für höhere
Sozialleistungen (und damit Soziallasten) und
mehr Regulierung am Arbeitsmarkt ist besonders die Steuerpolitik zu nennen. Hier ist die
Diskussion um die aufgrund des Bundesverfassungsgerichtsurteils notwendige Neufassung
der Erbschaftsteuer von erheblicher Relevanz.
Die Steuerbelastung bei Unternehmensübergang ist für familienkontrollierte größere Unternehmen von erheblicher Bedeutung und eine
Verschärfung würde die deutsche Positionierung im Länderindex weiter verschlechtern.
Abschließend sei noch auf die europapolitische
Dimension des neuen Länderindex’ Familienunternehmen hingewiesen. Erneut illustriert er
die Spaltung Europas in wettbewerbsfähige und
34 DER HAUPTSTADTBRIEF
abgeschlagene Standorte. Sehr beunruhigend ist
der Befund für die neben Deutschland größten
beiden Staaten der Eurozone: Italien ist aus Sicht
von Familienunternehmen aktuell der schlechteste
der betrachteten 18 Standorte und kann auch
in den letzten zwei Jahren keine nennenswerte
Fortschritte vorweisen. Und auch Frankreich ist mit
aktuell Rangplatz 15 in der Schlussgruppe angesiedelt und die aktuelle Zweijahresanalyse deutet
eher auf eine weitere graduelle Verschlechterung
der Standortfaktoren hin. Dieser Befund verstärkt
die Sorge um die zukünftige Stabilität der Eurozone. Denn wenn sich der kontinuierliche Abstieg
Frankreichs und Italiens als Standort auch für
Familienunternehmen fortsetzt, ist dies eine für die
◆
Eurozone insgesamt gefährliche Entwicklung.
Die Studie Länderindex Familienunternehmen, die Prof. Friedrich Heinemann
im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen mit seinem Team am Zentrum
für Europäische Wirtschaftsforschung
(ZEW) erarbeitet und in dem obigen
Beitrag vorgestellt hat, können Sie von
der Website der Stiftung herunterladen. Das ZEW erhebt
die Daten bereits zum fünften Mal. Der Länderindex Familienunternehmen 2014 misst die Attraktivität von 18 OECDLändern (in Europa plus USA) für Familienunternehmen.
www.familienunternehmen.de/de/publikationen-und-studien
DER HAUPTSTADTBRIEF 35