Katastrophale Zustände bei Kleingruppenhaltung von Legehennen | Manuskript
Katastrophale Zustände bei Kleingruppenhaltung von Legehennen
Bericht: Knud Vetten
Gesunde Hennen mit gepflegtem Federkleid. Die Tiere haben viel Platz, alles ist sauber. So
präsentiert die deutsche Eierwirtschaft die Legehennen im Internet. Und so sieht es aus,
wenn diese Werbung auf die Wirklichkeit trifft.
Werbefilm: "Deutsches Ei":
"Die Kleingruppenhaltung bietet ein verhaltens- und tiergerechtes Leben. Mit einem
abgedunkelten Nest zur ungestörten Eiablage, Sitzstangen für erhöhtes Ruhen und
Einstreu zur Ausübung von Scharren und Picken."
Der Blick hinter die Kulissen zeigt kranke, fast nackte Tiere, verweste Kadaver und
verwahrloste Käfige. Die Bilder stammen von der Tierschutzorganisation Vier Pfoten.
Marcus Müller, Vier Pfoten:
"Diese Bilder, die uns jetzt aus der Kleingruppenhaltung vorliegen, sind wirklich die ersten
unabhängigen Einblicke in dieses System. Bisher gab es nur irgendwelche ShowFührungen, wo blitzblanke weiße und braune Hühner in die Kamera geschaut haben. Die
Käfige waren erstaunlich leer. Und das ist Show. Und das hier hinten und was uns vorliegt,
das ist Realität. Und da zeigt das System seine ganze Grausamkeit."
Wir zeigen die Bilder dem Verhaltensforscher Detlef Fölsch. Der pensionierte
Wissenschaftler hat in Gutachten die Politik und das Bundverfassungsgericht beraten. Der
Biologe ist entsetzt.
Detlef Fölsch, Verhaltensforscher:
"Die Haltung ist katastrophal und die nicht zugelassen werden dürfte. Sehen Sie hier die
kranken und lädierten Tiere, die haben Schäden und die Schäden verursachen Schmerzen.
Und das ist im Tierschutzgesetz ganz klar hervorgehoben, dass Schmerzen, Schäden und
Leiden nicht zu verantworten sind. Das widerspricht dem Tierschutzgesetz."
Der Streit, wie man Legehennen artgerecht halten kann, tobt schon Jahrzehnte. Letztlich
verbot das Bundesverfassungsgericht aus Tierschutzgründen die Käfighaltung in Deutschland
und die Politik hat daraufhin die Kleingruppenhaltung als Nachfolgemodell auserkoren. Wie
lange diese neue Haltungsform noch Bestand haben darf, wird aktuell erbittert diskutiert.
Die jetzt vorliegenden Bilder nähren den Verdacht, dass es den Tieren nicht besser geht als
früher.
Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers
verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig.
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Marcus Müller, Vier Pfoten:
"Das ist nach wie vor eine mehretagige Käfigbatterie, wo die Tiere übereinander
eingepfercht sind. Es ist dreckig, Kadaver liegen drin rum, die Tiere sind am Ende nackt und
fertig. Genau das wollte eigentlich das Bundesverfassungsgericht mit dem Verbot der
Käfighaltung abschaffen. Und jetzt ist es unter neuem Namen wieder da."
Termin beim Vorsitzenden des Verbandes Deutsches Ei, der Organisation, die die idyllischen
Bilder im Internet präsentiert. Bernd Diekmann will Bestandsschutz für die
Kleingruppenhaltung bis zum Jahr 2035, eine Laufzeit von immerhin 23 Jahren. Er lehnt es
ab, die unappetitlichen Bilder zu bewerten, weil die Herkunft für ihn unklar ist. Ganz
allgemein versucht Bernd Diekmann seine Haltung mit einem ungewöhnlichen Vergleich zu
erklären.
Bernd Diekmann, Bundesverband Deutsches Ei:
"Ich kann Ihnen Fernfahrer zeigen, die sich benehmen wie die letzten Wildschweine. Und
trotzdem kann ich daraus keinen Schluss darüber ziehen, ob der Speditionsverkehr als
solcher verboten gehört oder nicht."
Reporter: "Aber Sie könnten den Fahrer so bewerten, wie er sich verhält. Wenn er
verkehrwidrig unterwegs ist, kann man das ja bewerten."
"Aber nicht anhand einer dreiminütigen Fotocollage."
Reporter: "Probieren Sie es doch."
"Nee!"
Es ist nicht das letzte Nein, das wir bei unseren Recherchen zu hören bekommen. Wir haben
Einzelhandelsunternehmen, die die Eier direkt verkauften oder verarbeiteten, für Interviews
angefragt. Wissen sie, wie diese Eier produziert werden? Wiesenhof Eipro, Ovofit, das
Frischeparadies und das Einzelhandesunternehmen Feneberg wollen sich nicht vor der
Kamera äußern. Das bereits verabredete Interview beim Unternehmen V-Markt wird
eineinhalb Stunden vorher abgesagt. Bilanz: fünf Anfragen, fünf Absagen.
Wir fahren zu dem verantwortlichen Betreiber im niederbayrischen Niederharthausen. Der
Besitzer heißt Stefan Pohlmann. Er und seine Familie sind keine Unbekannten. Der Deutsche
Tierschutzbund hatte schon in den 90er-Jahren Dutzende Anzeigen gestellt.
Bernd Schröder, Deutscher Tierschutzbund:
"Wir kennen den Stefan Pohlmann schon seit vielen Jahren, Jahrzehnten. Nicht nur, dass
er bei seinem Vater Anton Pohlmann, dem Tierquäler der Nation, sein Handwerk gelernt
hat, er hat über die letzten Jahre ständig in Käfiganlagen sein Geld investiert. Er hat immer
dafür gesorgt, dass Hühner in Käfigen bleiben und hat immer dabei dafür gesorgt, dass er
in kurzer Zeit möglichst viel aus dem Tier herausholt. Das war sein eigentliches Anliegen."
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Tatsächlich wurde Anton Pohlmann 1996 wegen Tierquälerei von einem deutschen Gericht
mit einem lebenslangen Tierhaltungsverbot belegt, sein Sohn bekam eine Geldstrafe. Wir
fahren zu seinem derzeitigen Wohnsitz, dieser neubezogenen Villa. Doch Stefan Pohlmann
verweigert jede Stellungnahme.
Reporter: "Sie wollen nichts sagen?"
Auch er will die Bilder der katastrophalen Haltung nicht sehen. Dass Stefan Pohlmann nun
für die unhaltbaren Zustände verantwortlich sein soll, empfinden die Tierschützer als
Skandal und fordern Konsequenzen.
Bernd Schröder, Deutscher Tierschutzbund:
"Er hat ein Missmanagement, unhygienische Verhältnisse, Tierleichen, die dort sind. Das
ist in keiner Weise akzeptabel und muss auch strafrechtlich verfolgt werden."
Marcus Müller, Vier Pfoten:
"Das Bundesverfassungsgericht hat bei seinem Käfighaltungsverbot klar gesagt,
Käfighaltung ist verfassungswidrig. Jetzt kommt die Käfighaltung im neuen Kostüm,
getarnt als Kleingruppe. Das muss richtiggestellt werden. Die Politik hat da einen
Riesenfehler gemacht auf Kosten der Verbraucher."
Inzwischen fordern die Bundesländer einen Ausstieg aus der Kleingruppenhaltung bis
spätestens 2025. Doch die Eier-Lobby besteht auf einer zehn Jahre längeren Laufzeit. Jetzt ist
Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner am Zug. Bis Ende März soll sie entscheiden, wie es
mit dieser Haltungsform weitergeht. Dann kann sie zeigen, wie wichtig ihr der Tierschutz in
Deutschland ist.
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