BFH eröffnet neue Gestaltungsspielräume bei der Umstrukturierung von Personengesellschaften [02.03.2016] Von: Benjamin Rapp Mit dem am 17.02.2016 veröffentlichten Urteil III R 49/13 vom 17.09.2015 hat der BFH unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung u. a. die gewinnneutrale Realteilung einer Personengesellschaft unter Fortbestand der Personengesellschaft zugelassen. Das Urteil eröffnet neue interessante Gestaltungsmöglichkeiten bei der Umstrukturierung von Personengesellschaften. Bisherige Auffassung: Steuerbegünstigte Realteilung nur bei Aufgabe des Betriebes der Personengesellschaft Der Begriff der Realteilung ist weder im Zivil- noch im Steuerrecht gesetzlich definiert. § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG setzt den Begriff lediglich als solchen voraus. In Anlehnung an den zivilrechtlichen Begriff der Naturalteilung wurde in der bisherigen Rechtsprechung unter der Realteilung die Auseinandersetzung einer Mitunternehmerschaft durch Verteilung des gesamten Betriebsvermögens unter den Mitunternehmern unter Aufgabe des Betriebes verstanden, bei der das verteilte Vermögen (Teilbetriebe, Mitunternehmeranteile, einzelne Wirtschaftsgüter) in das jeweilige Betriebsvermögen der ehemaligen Mitunternehmer übertragen wird. Wesen der Realteilung war damit insbesondere auch nach Auffassung der Finanzverwaltung die Aufgabe des Betriebes der Personengesellschaft. Unter seinen weiteren Voraussetzungen sieht § 16 Abs. 3 Satz 2 ff. EStG dabei die Möglichkeit vor, im Hinblick auf die bei der Realteilung übertragenen Wirtschaftsgüter die Buchwerte fortzuführen und so eine Besteuerung von stillen Reserven zu vermeiden. BFH III R 49/13: Gewinnneutrale Realteilung auch bei Fortführung des Betriebes der realgeteilten Personengesellschaft In Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung hat der BFH mit obig bezeichnetem Urteil nun die gewinnneutrale Realteilung auch bei Fortführung der realgeteilten Personengesellschaft unter den verbleibenden Mitunternehmern zugelassen. Dieses Ergebnis ist nach dem Urteil auch zwischen dem III., dem IV. und dem VIII. Senat abgestimmt. 1/3 Dem entschiedenen Fall lag bezogen auf die Frage der Anwendung der Realteilungsgrundsätze vereinfacht der folgende Sachverhalt zugrunde: Aus einer FreiberuflerSozietät mit Niederlassungen an zwei verschiedenen Orten sollte einer der Gesellschafter ausscheiden. Der ausscheidende Partner sollte im Zuge des Ausscheidens eine der Niederlassungen erhalten, während die verbleibenden Partner die andere Niederlassung unverändert fortführen wollten. Das Finanzamt war der Auffassung, dass im Rahmen des Ausscheidens u. a. mangels Aufgabe des Betriebes der Freiberufler-Sozietät die Grundsätze der Realteilung nicht zur Anwendung kommen könnten. Der BFH hat sich im Ergebnis dieser Auffassung nicht angeschlossen und entschieden, dass der Begriff der Realteilung i. S. d. § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG jedenfalls das Ausscheiden eines Mitunternehmers aus einer unter den übrigen Gesellschaftern fortbestehenden Gesellschaft unter Mitnahme eines beim Ausscheidenden weiterhin zum Betriebsvermögen gehörenden Teilbetriebes umfasst. Begründet wird dies zum einen damit, dass der Begriff der Realteilung ein steuerrechtlicher sei und daher seine Auslegung nicht an das Zivilrecht gebunden sei. § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG setze nach seinem Wortlaut lediglich voraus, dass sich die Realteilung auf den Gewinn der Mitunternehmerschaft auswirke. Dies sei aber nicht nur bei vollständiger Auflösung der Mitunternehmerschaft, sondern auch bei Ausscheiden nur eines Mitunternehmers der Fall. Dieses Ergebnis lasse sich auch der Entwurfsbegründung zu § 16 Abs. 3 EStG i. d. F. des StEntlG 1999/ 2000/2002 entnehmen und sei im Übrigen vom Sinn und Zweck der Regelung gedeckt, wonach wirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierungsschritte steuerlich nicht belastet werden sollen, wenn die Besteuerung der stillen Reserven in den Wirtschaftsgütern gesichert ist. Einordnung und Ausblick Das Urteil ist insbesondere insofern bemerkenswert, als der BFH damit seine bisherige Rechtsprechung, wonach der Begriff der Realteilung die Aufgabe des bisherigen Betriebes der realgeteilten Personengesellschaft voraussetze, aufgibt. Auch die Finanzverwaltung hatte dies bisher als Voraussetzung für die Anwendung der Grundsätze des § 16 Abs. 3 Satz 2 ff. EStG angesehen und konnte sich hierbei auf die wohl überwiegende Auffassung im Schrifttum stützen. Teilweise wurde im Schrifttum jedoch bereits vor dem Urteil III R 49/13 die Auffassung vertreten, dass auch bei Ausscheiden eines Mitunternehmers aus einer fortbestehenden Mitunternehmerschaft die Grundsätze des § 16 Abs. 3 Satz 2 ff. EStG zur Anwendung kommen könnten, sofern der Ausscheidende einen Teilbetrieb erhält. Vereinzelt wurde darüber hinaus vertreten, dass eine steuerneutrale Realteilung durch Ausscheiden eines Mitunternehmers aus einer fortbestehenden 2/3 Mitunternehmerschaft auch dann möglich sein soll, sofern der Ausscheidende nur einzelne Wirtschaftsgüter erhält, welche bei ihm im Betriebsvermögen verbleiben. Letztgenannte Streitfrage konnte und hat der BFH in seinem vorstehend bezeichneten Urteil ausdrücklich offen gelassen. Wenn man aber dem III. Senat folgend davon ausgeht, dass die Aufgabe des Betriebes der realgeteilten Personengesellschaft nicht Voraussetzung des § 16 Abs. 3 Satz 2 ff. EStG ist, so spricht zumindest vom Wortlaut der Vorschrift Einiges dafür, auch das steuerneutrale Ausscheiden eines Mitunternehmers unter Zuteilung von Einzelwirtschaftsgütern mit Fortführung der Mitunternehmerschaft unter den verbleibenden Gesellschaftern zuzulassen. Damit ist im Bereich der steuerneutralen Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern zusätzlich zur Frage der Zulässigkeit der Übertragung zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften (siehe dazu den Meinungsstreit zwischen dem I. Senat in BFH I R 72/08 und dem IV. Senat in IV B 105/09 sowie die Vorlage des I. Senats an das Bundesverfassungsgericht in BFH I R 80/12) sowie der Frage hinsichtlich der Anwendung der sogenannten strengen bzw. modifizierten Trennungstheorie im Bereich des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG (siehe dazu insbesondere die Beitrittsaufforderung des BFH an das BMF in X R 28/12) ein neues Spannungsfeld eröffnet. Es bleibt daher abzuwarten, ob die Finanzverwaltung die Grundsätze des Urteils III R 49/13 über den entschiedenen Einzelfall hinaus anwenden wird oder ob nicht gar der Gesetzgeber die Finanzverwaltungsauffassung, dass die Realteilung eine Betriebsaufgabe der realgeteilten Personengesellschaft voraussetzt, gesetzlich festschreibt. 3/3
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